Ist das Quartal denn schon vorbei? Es muss wohl, denn ein neuer Netflix-Blockbuster ist erschienen. Atlas von San Andreas-Regisseur Brad Peyton ist also der nächste Versuch des Streamingdienstes, neue und alte Abonnenten anzulocken. Als Köder wird in diesem Fall Jennifer Lopez in der Hauptrolle präsentiert, sowie ein Sci-Fi-Setting mit einer Handlung rund um böse und gute KI.
Das ist eigentlich lobenswert. Netflix bietet immer wieder neue Titel, die keinem Franchise angehören und dennoch in phantastische Welten entführen, die dem Genre des Science-Fiction-Kinos angehören. Originale Welten ohne Markensiegel sind im traditionellen Kino selten geworden. Zudem setzt Netflix weiterhin auf bewährte Stars in Hauptrollen, was eine klassische Regel des Kinos ist: Große Namen für große Aufmerksamkeit.
Von dieser Perspektive aus betrachtet ist es also erfreulich, dass Werke wie Atlas existieren. Allein die Beschreibung verlockt zum Ansehen. Es wird Sci-Fi-Action versprochen mit großen Mechs, flinken Robotern, Energiekanonen und der immer wiederkehrenden Frage nach dem Menschsein. Sicherlich kein Film für Award-Shows oder Festival-Berichterstattungen, aber ein wohlwollendes Stück Unterhaltung.
Doch hier liegt das Problem. Atlas ist eher ein Unterhaltungsprodukt als ein Film. Es ist das Ergebnis von Berechnungen, Zuschauerinteressen, Algorithmen und Trendanalysen. Anstatt die Sci-Fi-Welt spannend und vielschichtig zu gestalten, bedient der Film nur die Grundlagen des Genres. Auch wenn Ideengeber wie James Cameron und das Videospiel Titanfall 2 als Inspiration dienten, wirken die verschiedenen Komponenten so zweckmäßig zusammengefügt, dass es schwer fällt zu glauben, dass auch nur eine kreative Idee in Atlas überlebt hat.
Aber das ist eher bedauerlich als ärgerlich. Anders verhält es sich mit dem visuellen Stil des Films. Ähnlich wie bei Zack Snyders Rebel Moon werden gigantische und vielseitige Panoramen gezeigt, die jedoch so glatt, durchgefiltert und poliert aussehen, dass nichts mehr echt wirkt. Es fühlt sich stellenweise an wie ein Hybrid aus Live-Action und Animation, ähnlich dem Klassiker Falsches Spiel mit Roger Rabbit, jedoch nicht so unterhaltsam und charmant.
Auch bei der Besetzung gibt es keinen Grund zum Jubeln. Lopez bricht in ihrer Darstellung der Wissenschaftlerin Shepard weder positiv noch negativ aus. Gleiches gilt für den restlichen Cast, wobei dem Marvel-Star Simu Liu (Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings) sicherlich leid getan werden kann. Als Schurke fehlt ihm die notwendige Präsenz - und ein gutes Drehbuch. Es ist wirklich schade, denn Atlas hätte ein wundervoller Blockbuster der eskapistischen Schule sein können. Stattdessen ist er ein dumpfer Koloss, ein Kuckucks-Film.
Denn seien wir ehrlich, wenn Atlas erfolgreich genug wird (irgendwelche Netflix-Rekorde werden sicherlich gebrochen werden), wird der Streamingdienst versuchen, ihn in ein Franchise zu verwandeln. Aber warum? Netflix hat quasi (wenn auch ungewollt) bereits ein Franchise aufgebaut - das Franchise der vergessenen, hässlichen Netflix-Blockbuster. Es wird bestimmt aufregend sein, wenn in einem Crossover Damsel, Heart of Stone, Red Notice, Lift und das ganze Snyderzeugs aufeinandertreffen. Content statt Ideen.