Inhalt
In den 1980er-Jahren baute die brasilianische Militärregierung ein riesiges Wasserkraftwerk in Amazonien und schuf damit den Tucuruí-Stausee. Die erzeugte Elektrizität versorgt die energieintensive Aluminiumindustrie, aber die Anwohner*innen des Sees warten noch heute darauf, dass sie wenigstens Solarpanele zur Stromversorgung erhalten. Das Großprojekt war geprägt von Zeitdruck und Überforderung, die Regenwaldgebiete wurden vor der Flutung nicht gerodet und weder Tiere noch Menschen angemessen umgesiedelt.
Kritik
Du planst wie Fernando Segtowick einen poetischen Dokumentarfilm über die von Profitgier und Korruption vorangetriebene Umweltzerstörung in deiner brasilianischen Heimat. Also fährst du mit deiner Crew nach Tucurui am Amazonas. In die einstmals unberührte Natur setzte die Militärregierung in den 80ern einen der weltgrößten Staudämme, dessen generierte Energie die Aluminiumindustrie frisst. Weil das Gebiet des angrenzenden Stausees vor der Flutung nicht gerodet wurde, produziert die sich Unterwasser zersetzende Biomasse Methan, das zu den Treibhausgasen zählt.
Brisante Themen, aber nicht so faszinierend wie der Umstand, dass du darüber deinen ersten Langfilm drehst. Also filmst du, wie du während der Anfahrt mit der Crew lässig besprichst, was du für dein Projekt filmen willst. Zum Beispiel einen Paranussbaum. Deine Mitarbeiter rätseln, ob die hier noch wachsen. Interessante Frage, die nie vertieft wird. Trotzdem landet sie im Film. So weiss das Kinopublikum, dass du immerhin vorhattest, einen Paranussbaum zu filmen, falls ihr keinen findet.
Dir bekannte Anwohner diskutieren die fatalen Auswirkungen des Entlaubungsmittels Agent Orange. Doch statt dich auf die eigentliche Thematik konzentrieren, inszenierst du deinen engen Kontakt zu den Leuten. Die laden dich zu einer musikalischen Veranstaltung ein. Da Musik und Tanz einen positiver Kontrast zu den niederschmetternden Motiven im Fluss treibender Baumleichen abgeben, filmst du ausgiebig die Party. Vor lauter Umweltängsten braucht man nicht Trübsal blasen. Zumal dein Film beim Berlinale Panorama angenommen wurde. Grund zum Feiern!
Fazit
In seinem Langfilmdebüt verliert Fernando Segtowick seinen sozialökologischen Fokus, kaum dass dieser etabliert ist. Bedrückende Aufnahmen einer durch massiven Raubbau zerstörten Urwaldlandschaft verraten das atmosphärische und aktivistische Potenzial einer Inszenierung, die sich über Selbstdarstellung und Beiläufigkeiten beständig weiter von der komplexen Kernthematik entfernt. Statt politische Hintergründe und ökonomische Auswirkungen der Umweltzerstörung auszuarbeiten, untergräbt die Inszenierung die eigenen Ambitionen mit einer trügerisch optimistischen Note. Empfehlenswerter als die unausgereifte Doku ist Paula Sampaios als Inspirationsquelle dienender Bildband.
Autor: Lida Bach