In einem Arbeiterklasse-Vorort von Buenos Aires betreibt die Familie Felpetos ein gut etabliertes Geschäft mit illegalen Wetten. Nach dem Tod des Patriarchen ist das Familienunternehmen in Frauenhand übergegangen. Spiel-Theorie und eine Erkundung der Strukturen des Netzwerks vermischen sich mit persönlichen Erinnerungen und Einblicken in die Landesgeschichte.
Kritik
Was immer man darüber denkt, für welchen Zweck und auf welche Art Hernán Rosselli (Mauro) sein Talent zur Manipulation einsetzt, es lässt sich nicht leugnen, dass er darin ziemlich gut ist. Das hat er gemeinsam mit den zur matriarchalischen Mafia stilisierten Charakteren seiner sensationalistischen Menage aus Scripted Reality Feature und Shockumentary. Die arrangiert nachgespielte Szenen, Fake Found Footage und privates Archivmaterial zu einem filmischen Familienroman, dessen reale Vorbild-Figuren zugleich die Interpreten ihrer fiktiven Alter Egos sind.
Der kriminelle Clan, dessen illegales Spielaktivitäten über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umrissen werden, sind die sieben Mitglieder der Felpetos. Sie betreiben in einem als solchen beschriebenen Arbeiter-Vorort, in dem zumindest ihr Anwesen allerdings verdächtig nach oberer Mittelklasse aussieht, ein lukratives Untergrundgeschäft. Dass dieses nach dem Tod des Patriarchen frauengeführt ist, macht die Ereignisse indes nicht interessanter. Der Reiz der aus dem Blickwinkel von Überwachungskameras, Familien-Videos und Bodycam gefilmten Geschehens liegt in der vermeintlichen Wahrhaftigkeit.
Die suggeriert der auf seine dokumentaristischen Erfahrungen aufbauende Regisseur aus Sicht eines unbedarften Publikums durchaus effektiv. Erst im Finale geht allen Beteiligten die Bodenhaftung verloren und die Illusion der Authentizität kollabiert. Ob die schlussendliche Selbstenttarnung Teil des Konzepts oder unbeabsichtigt ist, bleibt offen. Genauso die Realitätsnähe der Biografien und Profile, deren interessantester Aspekt ihre psychologische Reflexion ist. Eines immerhin dokumentiert das Leinwand-Geschehen: den Drang, gesehen zu werden. Für vermeintliche Gangster reichlich absurd, für Normalo-Nachbarn verständlich.
Fazit
Ist der Umstand, dass Hernán Rosselli mit den Protagonist*innen seiner Mockumentary quasi aufwuchs, ein Indikator eines zumindest figurativen Wahrheitsgehalt? Ein Teil der hier fabulierten Familienlegende? Oder ein Indiz dafür, wie lange die Beteiligten an ihrem Projekt schleifen konnten, ohne dass etwas Überzeugendes dabei herauskommt. Visuell anstrengend, strukturell lückenhaft, inhaltlich unausgegoren und psychologisch vage, ist das Resultat vor allem ein gelungenes Beispiel der Konstruierbarkeit von Realitäten und die profitable Symbiose von Narzissmus, Exhibitionismus und Voyeurismus.
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