Aron Ralston ist ein Abenteurer und ein leidenschaftlicher Bergsteiger. Im Jahre 2004 schloss er mit der Bezwingung aller 59 Viertausender (Einer Gebirgskette) in Colorado sein Herzensprojekt ab. Das interessante an der Geschichte: Aron hat nur noch einen intakten Arm. Wie es dazu kam, dem widmet sich Regisseur Danny Boyle in seinem neustem Projekt 127 Hours. Auf der Biographie Im Canyon: Fünf Tage und Nächte bis zur schwierigsten Entscheidung meines Lebens basierend, erzählt Boyle die Leidensgeschichte von Ralston, als dieser sich in einer Felsspalte den rechten Arm durch einen herabstürzenden Felsbrocken einklemmte. Aufwühlend, mitreißend und höchst geschickt, bringt Boyle dabei die unglaubliche Geschichte von Ralston auf die Leinwand.
Regisseur Danny Boyle ist dafür bekannt, einen recht eigenwilligen Erzähl- und Inszenierungstil zu besitzen. Doch der Erfolg gibt ihm Recht, erst 2009 legte er mit Slumdog Millionär einen Erfolgslauf ohne gleichen hin. Klingelnde Kinokassen und 9 Oscars machten ihn auf einen Schlag zum Erfolgsregisseur. Aber auch in früheren Projekten wie 28 Days Later oder Sunshine, konnte der Brite durch einen hervorragenden Erzählstil überzeugen. In seinem neuen Film 127 Hours, muss sich Boyle allerdings in Sachen Geschichte an die genauen Ausführungen von Aron Ralston halten. Durch eine visuelle Achterbahnfahrt, schafft er es dabei die Konzentration auf einen Ort und eine Figur niemals der Langweile hinzugeben. Schon in den ersten Minuten erkennt man den typischen Stil von Boyle. Split-Screen-Szenen, eine verspielte Kamera, knallig passende Musikuntermalung und ein rasantes Tempo. Eine regelrechte Feel Good-Stimmung wird aufgebaut. Der Zuschauer wird geradezu in das Abenteuerleben von Aron Ralston hineingezogen. Eine unglaubliche Kulisse und ein ständiger Wechsel aus Fern- und Nahsicht kreieren dabei wunderschöne Bilder, die Lust auf eine Reise machen.
Stürzt Aron dann mit dem Felsen in die Spalte, ist diese Stimmung allerdings schlagartig zu Ende. Mit beängstigender Stille präsentiert Boyle die neue Situation. Aron versucht die Lage zu begreifen, ist fassungslos, orientiert sich und bricht in regelrechter Wut aus. Was gibt es für einen Ausweg? Was würde man selbst in so einer Lage machen? Aufgeben, kämpfen, einen kühlen Kopf bewahren? Aron versucht anfangs letzteres und überlegt sich einen Plan. Wasser rationalisieren, Equipment prüfen, einen Weg suchen um Felsen und Arm zu trennen. Die Inszenierung findet hierbei auf engstem Raum statt. Der Zuschauer ist mittendrin, was für Hauptdarsteller James Franco eine große Herausforderung darstellt, die er durch eine fantastische Leistung mit Leichtigkeit zu meistern scheint. Der Überlebenskampf von Aron ist somit regelrecht fühlbar sowie vollkommen real. Zu Recht wurde die Leistung von Franco bereits mit einer Oscar-Nominierung ausgezeichnet.
Damit 127 Hours zu keiner Zeit Längen aufweist, fährt Boyle inszenatorisch alles auf was sein Repertoire hergibt, umso aus jeder Szene das maximale herauszuholen. Kameraschwenks, ein fantastischer Musikeinsatz, Träume, Halluzinationen und Rückblicke auf die Kindheit, gestalten die 127 Stunden von Aron abwechslungsreich. So wird nicht nur von der Hintergrundgeschichte von ihm viel Preis gegeben, sondern auch ein Setting geschaffen, was die räumliche Enge weitestgehend immer offen gestaltet. Besonders die Selbstaufnahmen per Kamera, geben einen guten Einblick in die Psyche von Aron in der extremen Situation. Diese sind durch die wahren Aufzeichnungen inspiriert und prägen sich so durch ihren authentischen Charakter schnell ein. Wenn Aron beispielsweise Selbstgespräche in Form einer Talkshow führt, um sich so für sein Einzelgängertum selbst zu bestrafen, ist dies humorvoll wie traurig zugleich. Ohne diese vielen Ablenkungen jedoch, wäre die Handlung deutlich zu dünn, um sie über einen derart großen Zeitraum spannend aufrecht zu erhalten.
Wer die Geschichte um Aron Ralston kennt, der weiß was schlussendlich im Finale auf den Zuschauer wartet. Wie eindringlich jedoch Boyle diesen drastischen Schritt von Aron in Szene setzt, ist keineswegs etwas für schwache Nerven. Durch die aufgebaute Sympathie ist es umso schwerer mit anzusehen, wie sich Aron unter Höllenschmerzen von dem Felsen befreit. Die Kamera rückt dabei kein Stück vom Geschehen ab und so geht jeder Schnitt direkt ins Mark. Hat sich Aron dann befreit, so ist dies auch eine Befreiung im Allgemeinen. Boyle schafft es dadurch trotz eines vordefinierten Endes, noch in den letzten Minuten zu Begeistern. Daraus ergibt sich im Gesamtbild eine fantastisch traurige, aber ebenso hoffnungsvolle schöne Story, die sich nur Kleinigkeiten vorzuwerfen hat. So bleibt die Figur des Aron Ralston trotz vieler Einspielungen ein kleines Mysterium, was nie ganz geklärt wird. Warum ist der Ingenieur so ein begeisterter Abenteurer? Antworten dazu werden nur am Rande geliefert. Ebenso versäumt es Boyle, anfangs Realismus bezüglich der Schmerzen von Aron zu liefern. Eine eingeklemmte Hand über 127 Stunden hinweg, müssen Schmerzen ohne Ende bedeuten. Die meiste Zeit jedoch nimmt Aron die Situation relativ Klaglos hin.