Bildnachweis: Florent Guillaume / Focus Home Interactive

Videospiel "Vampyr" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Vampyr spielt 1918 im vom Ersten Weltkrieg zerrütteten London. Die Stadt wurde vom Krieg verwüstet und die Spanische Grippe breitet sich rapide unter der Bevölkerung aus. Während sich die Britische Regierung bemüht, das Land wiederaufzubauen, spinnen im Hintergrund geheime Organisationen – angeführt von übernatürlichen Wesen – ihre Fäden und gewinnen immer mehr an Einfluss. Alte Vampirgesellschaften, okkulte Gelehrte und unbarmherzige Vampirjäger – sie alle wetteifern um Macht inmitten eines undurchsichtigen Jahrtausende währenden Konflikts. Und zwischen alldem steht Dr. Jonathan Reid, der nach einem Vampirbiss auf den Straßen erwacht und herausfinden muss, was ihm eigentlich zugestoßen ist und wer dafür verantwortlich ist. 

Kritik

Zombies, Aliens, Roboter oder Mutanten... an ihnen mangelt es in der Videospiellandschaft gewiss nicht. Wer jedoch Lust auf Vampire hat, muss schon etwas länger suchen. Rollenspielern dürfte eventuell noch Vampire: The Masquerade – Bloodlines von Troika Games aus dem Jahre 2004 positiv in Erinnerung geblieben sein, das zwar furchtbar verbuggt war, im Kern aber wirklich gelungenes Spiel. Mit Vampyr gibt es für PS4, Xbox One und den PC nun endlich ein neues RPG, das sich thematisch mit den Blutsaugern befasst. Entwickelt von Dontnod, den Machern des Episoden-Adventures Life is Strange oder auch des Cyberpunk-Adventures Remember Me, übernehmen wir dort die Rolle eines Mannes, der gerade erst durch einen Biss zum unfreiwilligen Untoten wurde. 

Handlungsort ist ein im Chaos versunkenes London im Jahre 1918. Ein schmutziger, gefährlicher Ort, in dem eine Seuche tobt und Vampire ihr Unwesen treiben. Wir beginnen das Spiel im Unwissen darüber, was sich zuvor zugetragen hat. Wer uns gebissen hat und ob und wie die Ereignisse in Verbindung stehen, müssen wir erst herausfinden, spannend erzählt wird die Geschichte in jedem Fall bis zum Ende. Doch zunächst sind wir auf der Flucht vor den Ordnungshütern, was das Spiel in Form eines Tutorials nutzt, um uns die Grundmechaniken näher zu erläutern. Der Schwerpunkt liegt hier noch vor allem auf seinen actionlastigen Part, man erlernt auf verständliche Weise vor allem mit den Kampfsituationen umzugehen. 

Wir rüsten uns mit diversen Nah- und Fernkampfwaffen aus und müssen in Vampyr taktisch und geschickt vorgehen, um gegen die zahlreichen Widersacher zu bestehen. Diverse Kombos können ausgeführt werden, Waffen lassen sich verbessern, Erfahrungspunkte werden im Skilltree verteilt und mit einem ausreichenden Vorrat an Blut können wir eine Reihe von übernatürlichen Spezialfähigkeiten einsetzen. Geht uns das Blut einmal aus, müssen wir entweder Menschen beißen, oder ein paar herumstreuende Ratten leer saugen. Nur so bleibt es möglich, weiterhin auf die coolen Vampirskills zuzugreifen, die sich in defensive und offensive Arten aufteilen. Das Kampfsystem zeigt sich insgesamt als gelungen und macht auch im späteren Verlauf noch immer Spaß. 

Doch in Vampyr wird nicht nur hart ausgeteilt, sondern auch viel gesprochen. Eine Vielzahl an Bewohnern versorgt uns in gut gesprochenen Dialogen mit diversen Quests und hat zudem auch noch sehr interessante Geschichten zu erzählen, die die Spielwelt umso lebendiger machen.  Hier liegt eine der großen Stärken von Vampyr, denn es liegt an uns zu entscheiden, wem wir helfen, oder wem wir das Blut aussaugen. Beißen wir einen der NPCs, erhalten wir dringend benötigte Erfahrungspunkte, die wir für neue Skills benötigen. Dadurch verschlechtert sich aber auch der Gesundheitszustand des Viertels, uns entgehen möglicherweise Quests und wir bekommen weitere Folgen zu spüren wie  ein höheres Aufkommen von Gegnern oder teurere Waren. Diese moralischen Entscheidungen nehmen zudem Einfluss auf den Spielverlauf und sollten daher mit Bedacht getroffen werden. 

Durch all diese Dinge erzeugt Vampyr eine durchgehend gelungene Atmosphäre, die durch den düsteren, dreckigen Look der Stadt noch umso mehr wirkt. Technisch ist das Spiel aber leider nicht ganz auf der Höhe seiner Zeit, die Texturen sind etwas schwammig, die Gesichter der Charaktere wirken ein wenig hölzern und es kommt auch immer wieder mal zu leichten Framerate-Einbrüchen (auf der getesteten PS4 Pro). All das ist gewiss schade, sollte aber den positiven Eindruck der ansonsten doch recht gelungenen Umsetzung, sowohl auf inhaltlicher als auch gestalterischer Ebene, nicht allzu sehr trüben. Auch der gelungene Soundtrack trägt zur schönen Präsentation bei. 


Fazit

Atmosphärisch sehr gelungenes Blutsauger-Rollenspiel mit erzählerischen und auch spielerischen Stärken, das unter leichten technischen Mängel leidet, über die man aber gern hinwegsieht.

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