Bildnachweis: Bildnachweiß: inXile Entertainment

Videospiel "Torment: Tides of Numenera" im Test

von Sebastian Pierchalla

Story

Die neunte Welt befindet sich in einem Zeitalter blühender Technologisierung, als plötzlich die Numenera, uralte Artefakte, zu neuem Leben erwachen und die Welt aus den Angeln heben. Zeitgleich erblickt der jüngste Castoff, ein Spross des unsterblichen „Changing God“, das Licht der Welt. Ohne eigene Erinnerungen ist er in eine Welt geboren, die kurz vor einer kolossalen Wende steht und es obliegt ganz allein ihm, welche Rolle er dabei spielen wird.

Kritik

Während die gesamte Videospielwelt in den letzten Tagen scheinbar nur noch von Zelda: Breath of the Wild redet, sorgte ein anderes Rollenspiel bei Fans älteren Semesters für nicht weniger Vorfreude. Torment: Tides of Numera ist der spirituelle Nachfolger des legendären Rollenspiels Planescape: Torment aus dem Jahre 1999, welches als eines der besten storybasierten Rollenspiele gilt, die es je auf dem PC gegeben hat. Eine isometrische 2D Ansicht, gespart mit der AD&D-Lizenz (Advanced Dungeons&Dragons), welche man aus dem Pen&Paper-Universum kennt und eine ausgeklügelte Geschichte mit unzähligen Handlungsoptionen. Was will man mehr?

Der Schrei nach einem Nachfolger war so groß, dass das amerikanische Studio inXile Entertainment im Jahre 2013 per Kickstarter kurzerhand Spenden suchte, um das Projekt zu realisieren. Dank eines Betrags von 4,2 Millionen Dollar, mehr als das vierfache der gewünschten 900000 Dollar, stand dem Ganzen also scheinbar nichts mehr im Wege.

Nach über 3 Jahren ist das Spiel endlich fertig und die brennende Frage ist nun: hat sich das Warten gelohnt ?

Gleich vorneweg muss man sich darauf einstellen, ein sehr oldschooliges Abenteuer zu erleben. Nur wenige Texte sind vertont und so wird man eine geraume Zeit des Spiels damit verbringen, die endlosen Dialoge durchzulesen. Wer sich von einem Kampf in den nächsten stürzen will, der ist hier fehl am Platze. Lässt man sich jedoch auf die Welt von Numenera ein, so erwartet den Spieler eine unfassbar detailverliebte Spielwelt, in der es von starken Charakteren nur so wimmelt. Die hervorragend geschriebenen Dialoge tun ihr übriges, um der Welt Leben einzuhauchen und vermitteln zeitgleich eine inhaltliche Tiefe, die weit über das moderne Standardrepertoire an Rollenspiel-Klischees hinaus geht.

Als Spieler schlüpft man in die Rolle eines Castoffs, der abgestreiften Hülle eines unsterblichen Gottes, welcher schon seit Jahrhunderten auf der Welt wandert. Doch was tun mit diesem neu gewonnenen Leben als unsterblicher Sprössling, der zum ersten Mal Gefühle, Erinnerungen und Träume erlebt. Wohin in einer Welt, welche hoch technisiert ist und zugleich von altehrwürdiger Magie durchdrungen wird. Die Entscheidung liegt ganz beim Spieler und bei Torment: Tides of Numenera ist dies nicht bloß eine leere PR Phrase, sondern Kern des Spieles. Zwar folgt man grob der eigentlichen Hauptquest, doch der Weg zum Ziel dürfte sich von Spieler zu Spieler massivst unterscheiden, da jede Dialogoption, jede Handlung, jeder Kampf und selbst die äußere Erscheinung des Charakters Einfluss auf die Geschichte nimmt. Die Welt wird dabei nicht in schwarz und weiß gepinselt, sondern bietet die Möglichkeit genau so zu spielen, wie es einem gefällt. Mal besticht man sein Gegenüber, mal umgarnt man es und bei der nächsten Dialogoption bricht man der Person vor einem unter Umständen schlichtweg das Genick.

Graphisch gewinnt Torment: Tides of Numenera sicherlich keinen Blumentopf, doch die isometrische 2D Ansicht ist nach wie vor zweckmäßig für diese Art von Spiel. Etwas mehr Liebe zum Detail in Sachen Menüführung, Inventar und Co. wäre zwar wünschenswert gewesen, aber letzten Endes ist dies nicht der größte Kritikpunkt im Spiel.

Diesen unrühmlichen Titel hat sich nämlich das Kampfsystem des Spieles verdient. Zur Erinnerung: In Planescape: Torment, Baldur's Gate, Icewind Dale und allen anderen Rollenspielen diesen Schlages wurde stets im RTwP System (Real Time with Pause) gekämpft. Man konnte die Kämpfe zwar jederzeit pausieren, dennoch liefen sie in Echtzeit ab, was zwar nicht ganz der Pen&Paper Vorlage entsprach, aber dafür eine gute Dynamik in das Spiel brachte. Dank Werten wie Initiative, Zauberzeit und Moral hatten die Kämpfe eine enorme taktische Tiefe, ohne sich je unfair anzufühlen.

Tides of Numenera sollte ursprünglich das gleiche Kampfsystem übernehmen, jedoch entschied man sich stattdessen für ein rundenbasiertes System. Böse Zungen behaupten, dies sei ein notwendiger Kompromiss gewesen, um das Spiel auch auf der Konsole vermarkten zu können, doch leider stört es den Spielfluss enorm. Besonders größere Ansammlungen von Gegnern neigen dazu einfach das schwächste Mitglied der Party zu überfahren, während man nur hilflos dabei zusehen kann. Auch geht ein großer taktischer Anspruch verloren, da man nicht mehr überlegen muss, ob ein Zauber erfolgreich gewirkt wird, sondern lediglich hofft, dass die Figur bis zu ihrem Zug keine größeren Blessuren erleidet.

Grundsätzlich ist gegen rundenbasierte Kämpfe ja nichts einzuwenden, aber das Kampfsystem von Numenera fühlt sich einfach unfertig an und nervt hier und da mit Bedienkomfort und dem nötigen Tiefgang. In meinem knapp 30 Spielstunden habe ich daher oftmals den diplomatischen Weg bevorzugt, auch wenn dieser etwas weniger Erfahrung für die Party bringt.

Kommen wir zum Schluss noch kurz zum Preis. Bei Steam gibt es den Titel zur Zeit für 45 Euro, auf PS4 und Xbox One für 45-50 Euro. Dafür bekommt man ein Spiel, welches zwischen 40-50, zum teil sogar über 100 Spielstunden an gut geschriebenen Dialogen bietet, verzahnt in eine stimmungsvolle Welt mit einem pragmatischem, jedoch etwas unausgereiftem Kampfsystem. Über den Umfang kann man sich also nicht beklagen. Trotzdem bleibt der Spielspaß dann und wann auf der Strecke, da der pay-off, so wunderbar die vielschichtigen Dialoge auch sind, zum Teil etwas dünn ausfällt.

Fazit

Torment: Tides of Numenera ist leider nicht der Titel geworden, den sich Fans alter PC Rollenspiele erhofft haben. Trotz einer wunderschönen Geschichte hackt es einfach an zu vielen Ecken, um den Spielspaß von damals zu reproduzieren. Torment ist dabei jedoch keineswegs ein schlechtes Spiel, nur eben kein Meilenstein, wie sein Vorgänger.

Fans von Spielen wie Baldur's Gate und Planescape: Torment sollten umbedingt einen Blick riskieren, alle Anderen sollten zumindest auf den ersten Preissturz warten, da diese Art von Spiel sicherlich nicht jedem schmecken wird.

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