Bildnachweis: Terrible Toybox

Videospiel "Thimbleweed Park" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Es ist das Jahr 1987: Im verschlafenen Ort Thimbleweed Park wird am Fluss eine Leiche gefunden. Die beiden FBI-Agenten Angela Ray und Junior-Agent Antonio Reyes ermitteln den mysteriösen Mordfall und kommen dabei einem viel größeren Geheimnis auf die Spur.

Kritik

Es war einmal vor langer Zeit, als Adventures der absolute Hit waren und kommerziell ganz oben mitspielten. Diese Spiele hatten in den 80ern und 90ern ihre Blütezeit, wer damals schon zockte, wird sich gern an solch liebevolle Klassiker wie Maniac Mansion, Monkey Island, Day of the Tentacle, Zak McKracken oder Indiana Jones erinnern. Das Genre ist schon längst ausgestorben, die neue Generation wächst fast nur noch mit actiongeladenen Titeln auf und kam daher mit den oben genannten Perlen vermutlich nie in Berührung. Nostalgiker dürfen sich nun aber freuen, mit Thimbleweed Park gibt es endlich wieder einen Titel, der sich ganz wie früher anfühlt. Zu verdanken ist das Entwicklerlegende Ron Gilbert, der damals bei Lucas Arts als einer der Hauptverantwortlichen an all den oben genannten Titeln, sowie vieler weiterer Klassiker, beteiligt war oder sie gar ins Leben rief. Zusammen mit Gary Winnick, der ebenfalls an den Games beteiligt war, wurde 2014 eine Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen, die innerhalb kürzester Zeit ihr Ziel erreichte und das Projekt für das unabhängige Studio Terrible Toybox ermöglichte. Thimbleweed Park erschien zunächst Ende März 2017 für den PC und die Xbox, wurde nun für die PS4 nachgereicht und ist demnächst auch für den Nintendo Switch und iOS verfügbar.
Im charmanten 8-Bit-Look mitsamt Verb-Interface, das uns die Interaktion mit der Umgebung erlaubt, begeben wir uns nicht nur stilistisch auf eine Reise in die Vergangenheit, auch inhaltlich ist das Spiel in eben jener Zeit angesiedelt, zu welcher solch Spiele noch entwickelt wurden. Zahlreiche Anspielungen auf die 80er finden hier im Minutentakt ihren Platz, wer das Jahrzehnt miterlebt hat, wird sich über zahlreiche sympathische Referenzen erfreuen, die den Geist ihrer Zeit atmen. Ebenso verpassen es die Entwickler nicht, all ihre damaligen Genrekollegen bei jeder Gelegenheit aufs Korn zu nehmen und irgendwo im Spiel unterzubringen. Edna Edison aus Maniac Mansion lässt sich beispielsweise zum Telefonsex anrufen, der örtliche Radiosender nennt sich Kscum, ein Hamster haust in der Mikrowelle und der Mann vom Späteinkauf ist ein Verwandter von Bernard aus Day of the Tentacle. Wer die Spiele alle kennt, für den ist Thimbleweed Park eine Wundertüte an spritzigen Ideen.

Zu Beginn haben wir die Möglichkeit, uns zwischen zwei Schwierigkeitsgraden zu entscheiden. Neulinge können sich am "gemütlichen Modus" probieren, in welchem viele der Rätsel weitaus einfacher zu lösen sind oder gar wegfallen. Für gewöhnlich sollte man sich aber für den "schwierigen Modus" entscheiden, immerhin stellt dieser das eigentliche Spiel dar, wie es angedacht ist. Ein Blick in die Optionen ermöglicht uns noch die Wahl, das Klopapier nach vorn oder hinten zu hängen (!) und schon geht's auf ins Abenteuer, das an eine Mischung aus Akte X und Twin Peaks erinnert. Wir steuern zu Beginn zwei Charaktere, zwischen denen wir frei wechseln können, im späteren Verlauf kommen noch drei weitere hinzu, so dass sich das Figurenkabinett auf insgesamt fünf erweitert. Die drei Neuzugänge bekommen allesamt eine Vergangenheitsepisode spendiert, die sie in die Handlung einführt. Später befinden sie sich in der Gegenwart und sind, wie schon unsere beiden Agenten, stets frei auswählbar. Mehrere Zeit- und Handlungsstränge also, was von seiner Machart stark an Day of the Tentacle erinnert, wenn auch nicht in solch epischen Ausmaß wie damals. Originell verknüpft sind die Stränge dennoch, jeder der Charaktere trägt zum Lösen des Falls bei, hin und wieder ist Teamwork gefragt, um bestimmte Puzzles zu lösen.

Diese sind weitestgehend kreativ und humorvoll durchdacht, hin und wieder aber derart abgedreht, dass die Lösung nicht immer offensichtlich ist. Wer feststeckt, bekommt bei Bedarf immerhin Hilfe in Form einer Hotline, die unsere Charaktere an jedem Telefon im Game anwählen können. Dort erfahren wir, je nach Spielfortschritt, was als nächstes getan werden muss, so dass der Spielfluss im Grunde nie gestört wird und ein lästiges Nachforschen im Internet gar nicht erst nötig ist. 

Wer sich übrigens die Zeit nimmt und das Telefonbuch im Spiel einmal näher anschaut wird feststellen, dass dort eine Vielzahl an Baker (Unterstützer der Kickstarter-Kampagne) ihren Platz gefunden haben. Die meisten von ihnen lassen sich anrufen, was ein kleines, selbstgesprochenes Audio eines Anrufbeantworters abspielt. Und in der örtlichen Bibliothek finden sich über 1000 von Fans selbstgeschriebene Bücher, die allesamt, zumindest in kurzen Abschnitten, angelesen werden können. Alles nicht spielentscheidend, aber durchaus sympathisch, wie die zahlreichen Fans ins Spiel eingebunden wurden.

Je nach Spielweise dürfte man zwischen 10 und 15 Stunden benötigen, um Thimbleweed Park zu beenden. Die Story bleibt dabei bis zum Ende hin spaßig, die Rätsel knackig und der Humor auf gutem Niveau. Für rund 20€ zum Release gibt es das Game zudem zu einem sehr fairen Preis.


Fazit

Mit Thimbleweed Park gibt es endlich wieder ein waschechtes Adventure im klassischen Stil, das nah an seinen Lucas Arts-Vorbildern bleibt und mit abgedrehten Charakteren, gelungenem Humor, zahlreichen coolen Referenzen und einem charmanten Pixel-Look punkten kann.

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