Bildnachweis: © Rockstar Games

Videospiel "Red Dead Redemption 2" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Amerika, 1899. Das Ende der Wild-West-Ära ist angebrochen. Nach einem fehlgeschlagenen Raub in der Stadt Blackwater befinden sich Arthur Morgan und die Van-der-Linde-Gang auf der Flucht. Während Bundesagenten und die besten Kopfgeldjäger des Landes ihnen dicht auf den Fersen sind, muss sich die Gang raubend, stehlend und kämpfend einen Weg durch das erbarmungslose Herz Amerikas bahnen, um zu überleben. Als zunehmende interne Konflikte drohen, die Gang auseinanderzureißen, muss sich Arthur zwischen seinen eigenen Idealen und der Loyalität zu der Gang, mit der er einst aufgewachsen ist, entscheiden.


Kritik

Ganze acht Jahre hat es gedauert, bis Red Dead Redemption 2 nach seinem beliebten Erstling endlich erscheinen sollte. In der Zwischenzeit veröffentlichte Rockstar Games ab 2013 mit GTA V ganz nebenbei auch eins der von Kritikern am meisten gefeierten Spiele und zugleich das kommerziell erfolgreichste Medienprodukt (schließt Filme, Bücher etc. ein) aller Zeiten. Dass die Erwartungen an RDR 2 (von nun an abgekürzt) daher wahnsinnig hoch waren dürfte einleuchten, Rockstar verstand es nur zu gut, sich während der Entwicklung bedeckt zu halten und der Fancummunity geschickt ein paar Brotkrümel hinzuwerfen, nur um die Spannung immer weiter zu erhöhen. Seit dem 26. Oktober 2018 haben PS4- und Xbox One-Spieler nun aber endlich wieder Gelegenheit, sich auf ihr Pferd zu schwingen und in den Wilden Westen hinauszureiten.

RDR 2 ist 1899 angesiedelt und damit etwa zwölf Jahre vor den Ereignissen des ersten Teils. Erzählt wird eine gänzlich neue Geschichte, die damit auch Neulingen die Tür aufhält. Und diese ist ein wichtiger Bestandteil des Nachfolgers und besonders schön ausgearbeitet. In den ersten Kapiteln lässt sich das Spiel zunächst reichlich Zeit, uns gemächlich an die einzelnen Charaktere heranzuführen und setzt damit einen gelungenen Grundstein, nur um im späteren Verlauf mit Wendungen und dramaturgischen Entwicklungen das allgemeine Pacing immer weiter zu erhöhen. All das wird präsentationstechnisch hochwertig verpackt und lässt uns zu den Figuren im Spiel, Hauptcharakter Arthur inklusive, eine Bindung aufbauen, sodass wir deren Schicksal mit Spannung verfolgen.

Nach dem schön inszenierten Einstieg, der uns im Schnelldurchgang einige wichtige Mechaniken näherbringt, schlagen wir mit unserer Bande ein Lager auf und bewegen uns fortan frei in der riesigen Spielwelt. Überall warten Haupt- und Nebenmissionen auf uns, darüber hinaus gibt es unzählige Tätigkeiten, denen wir nachgehen können, das ist man von Rockstar mittlerweile gewohnt. Wer mag, kann sich in dieser Fülle also einfach treiben lassen und tun und lassen, worauf er Lust hat, sei es auf die Jagd zu gehen, einem Pokerspiel beitreten, Domino oder Fiver-Finger Roulette spielen, als Kopfgeldjäger aktiv werden, Banken, Züge und Geschäfte ausrauben, Ausrüstung craften, Waffen modifizieren und vieles mehr. Die Welt von RDR 2 ist äußerst detailiert gestaltet und simuliert noch so kleine Dinge höchst glaubhaft. Beispielsweise erinnern sich NPCs an unsere Aktivitäten auch später noch und begegnen uns daher freundlich oder feindlich gesinnt bei weiteren Aufeinandertreffen. Wer z.B. gerade eine Schlägerei im Saloon hinter sich hat, wird fortan von den Bewohnern des Städtchens als Raufbold beäugt und kommentiert.

Schön sind die Interaktionsmöglichkeiten, die wir mit jedem NPC haben: Mindestens ein freundlicher Gruß oder eine Beleidigung sind immer drin, ausrauben kann man bei Bedarf ebenfalls jeden. Oftmals kommen noch weitere Kommandos hinzu, je nachdem in welcher Situation wir uns befinden. Nach einer Verfolgungsjagd hängt unsere Zielperson beispielsweise an einem tiefen Abgrund, wir dürfen entscheiden, ob wir ihm hinaufhelfen, oder ihn fallenlassen. All das wirkt sich auf unseren Ruf aus, der sich entweder zum strahlenden Helden oder zum fiesen Outlaw entwickelt, was wiederum zur Folge hat, wie die Umwelt auf uns reagiert. Die Welt wirkt äußerst lebendig, die Entwickler haben bei der Gestaltung an unzählige Kleinigkeiten gedacht. Daher löst RDR 2 selbst dann eine starke Faszination in uns aus, wenn wir einfach planlos in der Gegend umherwandern und die Augen offenhalten. 

Richtig spaßig geht es in den vielen Missionen zu, für die sich Rockstar immer wieder etwas Spannendes oder Humorvolles einfallen lässt und die auch abseits der Hauptkampagne stets etwas zu erzählen haben. Das kann auch schon Mal ein ausufernder Saufabend im Saloon mit Kumpel Lenny sein, der mit dem üblichen Gameplay bricht und mit seinem absurd-lustigen Ablauf noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Überall in der Spielwelt stolpern wir darüber hinaus auch in zufällige Situationen hinein, aus denen sich ebenfalls kleine Missionen und neue Geschichten ergeben. Das Missionsdesign ist einfach klasse.

Mit der Zeit können wir mit den passenden Rohstoffen und dem nötigen Kleingeld auch unser Lager immer weiter ausbauen. Dazu gehören zwar viele rein kosmetische Spielereien, aber auch Funktionales ist dabei, wodurch wir unsere Tasche vergrößern können oder eine Schnellreisefunktion freischalten. Letzteres wird aber definitiv nicht jeden Spieler zufriedenstellen, das Schnellreisen funktioniert nämlich nur zu bestimmten Punkten, von denen wir nachher eben doch noch weiterreiten oder -laufen müssen. Daher ist das Reisen in der riesigen Spielwelt mit sehr viel Zeit verbunden, etliche Minuten auf dem Pferd, um von A nach B zu kommen, müssen jedes Mal eingerechnet werden. Natürlich kann man argumentieren, dass das alles so gewollt ist und der Atmosphäre dient, auf Dauer wirkt sich diese Designentscheidung aber doch etwas ermüdend aus, denn auf dem Weg durch die Natur passiert bis auf gelegentliche Zufallsbegegnungen mit anderen NPCs oder Tieren eben doch nicht viel. Hin und wieder haben wir zwar einen Begleiter bei uns, der uns auf der Reise in interessante Gespräche verwickelt, doch auch das lässt uns in diesen Phasen passiv zurück. 

Darüber hinaus ist die Steuerung ein wenig missglückt. Nicht nur fällt sie etwas zu kompliziert aus, auch bewegen wir uns oftmals viel zu schwerfällig, was vor allem in Innenräumen und im Camp der Fall ist. Spiele wie Assassin's Creed Odyssey haben gerade erst prima vorgemacht, wie es auch anders gehen kann, RDR 2 fällt in dieser Hinsicht deutlich zurück. Wer in dem Tempo erst einmal versucht, nach einer gewonnenen Schlacht mehrere Leichen zu durchsuchen oder in Häusern Schubladen und Schränke zu durchstöbern, die darüber hinaus auch nicht immer einfach anzuvisieren sind, wird einiges an Geduld aufbringen müssen. Das gilt übrigens auch für die höchst unübersichtlichen Menüs, in denen man sich auch nach etlichen Stunden noch kaum zurechtfindet. Informationen sind dort entweder ungeschickt platziert und versteckt oder aber gar nicht erst aufgeführt. Ein übersichtliches Questbook wäre beispielsweise wünschenswert gewesen.

All das sind Dinge, die den Gesamteindruck ein wenig schmälern. Bedeutet nicht, dass RDR 2 nicht nach wie vor ein großartiges Spiel ist, nur eben auch nicht das makellose Meisterwerk, wie mancherorts vernommen wird. Einiges kriegt das Game grandios hin, die ein oder andere Sache hätte aber geschickter gelöst werden können. Was aber zu den zweifellosen Vorzügen gehört ist die technisch brillante Umsetzung: RDR 2 sieht schlichtweg fantastisch aus, von den gelungenen (Gesichts-)Animationen, Licht- und Schatteneffekten bis hin zur liebevollen Gestaltung der Welt wirkt alles höchst stimmig und beweist, wie viel Power noch in der aktuellen Konsolengeneration steckt. Auch akustisch gibt es nichts zu beanstanden, sowohl der Soundtrack sitzt, als auch die Vertonung der über 500.000 Dialogzeilen mit rund 1000 Schauspielern ist absolut hochwertig. Angesichts dieser Zahlen dürfte einleuchten, warum eine deutsche Synchronisation kaum machbar wäre, daher blieb RDR 2, wie auch schon zuvor GTA V, komplett im Originalton, jedoch mit deutschen Untertiteln.

Wer sich nicht groß um das Drumherum kümmert, sondern hauptsächlich der Kampagne des Spiels widmet, wird gute 40 Stunden Spielzeit einrechnen können, um die Endcredits zu erreichen. Mit weiteren Nebenaufgaben und der Erkundung der Welt lässt sich die Zahl aber noch deutlich nach oben schrauben, so dass man gut und gerne auch auf 100 Stunden kommen kann. Im November wird übrigens noch ein Multiplayer-Modus nachgereicht, der sicherlich noch eine Menge Spielspaß und Überraschungen mit sich bringt, wenn er ähnlich gut wie in GTA V ausfällt. Bis dahin dürfte man in den Weiten des ungezähmten amerikanischen Westens aber ohnehin genug zu tun haben.


Fazit

"Red Dead Redemption 2" sieht nicht nur umwerfend aus, es begeistert auch durch seine äußerst detailierte Spielwelt, die uns eine Vielzahl an Möglichkeiten bietet, mit ihr zu interagieren. Mit starker Story und kreativem Missionsdesign obendrauf ist der Besuch im Wilden Westen für Konsolenspieler quasi Pflichtprogramm, über den ein oder anderen Schnitzer in Sachen Steuerung oder Menügestaltung sieht man dabei gern hinweg. Das ruhige Pacing ist per se alles andere als schlecht, wohl aber Geschmacksache.

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