Bildnachweis: © Electronic Arts / Bioware

Videospiel "Mass Effect: Legendary Edition" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Als Commander Shepard von der SSV Normandy führt man eine Eliteeinheit durch eine Galaxie in Aufruhr, um die Rückkehr eines gnadenlosen Feindes zu verhindern. Das Ziel des Spielers ist die Gewährleistung der Sicherheit der zivilisierten Völker der Galaxie ... mit allen Mitteln. Denn im Falle eines Scheiterns steht alles Leben auf dem Spiel. 

Kritik

Einst führte für Rollenspieler kein Weg an Bioware vorbei: Mit Baldur's Gate belebten sie 1998 ein tot geglaubtes Genre wieder, über die Jahre lieferte das kanadische Studio mit Spielen wie Jade Empire, Dragon Age: Origins oder Star Wars: Knights of the Old Republic immer weitere Knaller hinterher. Auch die ursprüngliche Mass Effect-Trilogie gehört zweifelsohne zu den ganz großen Erfolgen des Studios und hat ihren Platz tief im Herzen vieler Genrefans – etwas, das dem 2017 erschienenen Andromeda nicht ganz gelingen wollte. Da die ersten drei Titel mittlerweile schon einige Jahre auf dem Buckel haben und auf neueren Konsolenplattformen gar nicht mehr erhältlich sind, veröffentlicht Publisher Electronic Arts mit der Mass Effect: Legendary Edition nun ein technisch aufpoliertes Remaster aller drei Spiele inklusive 40 damals erschienener DLC-Erweiterungen im Bundle, um auch heutige Gamer abzuholen. Inwieweit sich das Vollpreispaket für Kenner und/oder Neulinge lohnt, möchten wir im Folgenden besprechen.

Zunächst ein kleiner Überblick über Mass Effect im Allgemeinen: In Third-Person-Perspektive steuern wir entweder einen weiblichen oder männlichen Charakter namens Shepherd, der gemeinsam mit seiner Crew die Galaxie vor dem Untergang retten soll. Wie aus RPGs bekannt gilt es dazu die Umgebungen zu erkunden, Gespräche mit zahlreichen Charakteren zu führen, haufenweise Quests zu erfüllen, Erfahrungspunkte zu verdienen und auf diverse Fähigkeiten zu verteilen, das passende Equipment für sich und zwei aktive Begleiter zu finden und natürlich auch jede Menge Gefechte mit Feinden auszutragen. Das Abenteuer findet vor einer großen Sci-Fi-Kulisse à la Star Wars oder The Expanse statt und erlaubt uns, es mehr oder weniger in beliebiger Form anzugehen, indem wir selbst bestimmen, welche der vielen Planeten und Raumstationen wir wann anfliegen, um dortige Aufgaben zu erfüllen. Zu entdecken gibt es dabei vieles, vieles davon ist optional und erweitert die Haupthandlung um zusätzlichen Inhalt. Die ganze Trilogie ist für weit über 100 Stunden Spielspaß gut.

Einmal installiert, können wir aus einem Launcher heraus jedes der drei Spiele in beliebiger Reihenfolge starten. So nimmt man seinen Fortschritt entweder direkt in das darauffolgende Spiel mit oder legt beim vorgezogenen Start eines späteren Titels innerhalb eines interaktiven Comics bestimmte Entscheidungen früherer Ereignisse fest. Als Spieler hat man so alle Freiheiten, die Trilogie nach eigenen Wünschen anzugehen. Alle drei Spiele wurden technisch ein wenig verbessert, allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es sich um ein Remaster, nicht aber um ein echtes Remake der Sorte Demon's Souls, Shadow of the Colossus oder Resident Evil 2 handelt. Bedeutet, dass man der Mass Effekt-Trilogie natürlich auch heute noch ihr Alter anmerkt, sowohl grafisch als auch spielerisch. Dementsprechend sollte man auch seine Erwartungen realistisch anpassen.

Wer die Originale kennt oder die Legendary Edition nun direkt mit ihnen vergleicht, wird dennoch ein Upgrade feststellen. Charaktermodelle wurden überarbeitet, Texturen sind nun detailreicher, Beleuchtung und Schatten wirken hochwertiger und optimierte visuelle Effekte hübschen das Ganze an passender Stelle auf. Auch die Auflösung wurde hochgeschraubt, sodass sich das Abenteuer nun in 4K Ultra HD mit HDR-Kompatibilität spielen lässt. Wer ein paar Schnappschüsse schießen will, kann dies im neuen Fotomodus tun. Zudem wurde die Steuerung zwischen den Titeln angeglichen, ebenfalls das etwas verfeinerte HUD. Und der Charakter Editor bietet nun einige weitere Möglichkeiten zur Individualisierung unseres Shepards. Für ein Remaster ist der betriebene Aufwand also durchaus spürbar. 

Doch gerade für den ersten Teil, der immerhin schon fast 14 Jahre alt ist, reicht die Politur nur bedingt aus. Das liegt gar nicht mal an der Grafik, die zwar alt, aber durchaus ansehnlich ist, sondern vielmehr am nicht mehr zeitgemäßen Gameplay. Die KI unserer Begleiter und der Gegner ist unterirdisch schlecht, oftmals wissen die Charaktere nicht, was sie tun sollen, verfangen sich irgendwo in der Umgebung, starren in die falsche Richtung oder reagieren einfach gar nicht auf die Ereignisse um sie herum. Das trübt den Spaß in Actioneinlagen gewaltig. Auch die Steuerung ist sehr fummelig, sei es die eingeschränkte Möglichkeit zum Rennen, das hakelige Deckungssystem oder das umständliche Auswählen von Waffen, Fähigkeiten und Kommandos per Kreismenü, man merkt an diesen schwammigen Details deutlich wie schlecht Mass Effect gealtert ist. Dass hier und da ein wenig nachgebessert wurde, beispielsweise bei der einst katastrophalen Mako-Steuerung (unser Fahrzeug) oder beim ungenauen Anvisieren von Gegnern, ist begrüßenswert, es hätte aber ruhig noch mehr sein dürfen. 

Daher richtet sich der erste Teil wohl in erster Linie an Fans erster Stunde oder an sehr geduldige, frustresistente Spieler, denen solch Unzulänglichkeiten nichts ausmachen. Belohnt werden sie mit einer nach wie vor tollen Geschichte epischen Ausmaßes, die durch unsere getroffenen Entscheidungen stark geprägt wird. Nicht nur innerhalb des ersten Teils, unsere Entscheidungen haben auch weitreichende Konsequenzen auf die Geschehnisse der nachfolgenden Titel. Auch unsere Interaktionen mit den vielen interessanten Charakteren haben sichtbare Auswirkungen auf den weiteren Verlauf, was das Abenteuer so persönlich macht. Daher ist es für die volle Mass Effect-Erfahrung natürlich ideal, mit dem ersten Teil zu starten, wenn man denn kann. Wer sich den Ärger durch die doch recht schwerwiegenden Mängel ersparen will, sollte lieber gleich zum spielerisch besseren zweiten Teil springen. 

Mass Effect 2 ist mit seinen 11 Jahren zwar auch nicht mehr ganz frisch, dafür aber merklich besser gealtert. Das ist vor allem bei der wesentlich besseren KI zu spüren, wodurch unsere Begleiter sich endlich sinnvoll(er) ins Geschehen einmischen und Gegner nicht einfach nur hohle Zielscheiben sind, die wie aufgeschreckte Hühner über das Schlachtfeld rennen. Aber auch das Gameplay ist nun insgesamt runder, während grafisch durch mehr Detailreichtum alles ein wenig hübscher ausschaut. Während der erste Teil der Reihe RPG-lastiger war, fährt der zweite Teil den Action-Anteil hoch. Dabei bewegen wir uns leider auch hier weiterhin durch schlauchige Levels, doch da mehrere Furstfaktoren des ersten Teils beseitigt wurden, lässt sich damit gut leben. Ansonsten punktet Teil 2 natürlich ebenfalls mit seiner starken Story, den liebevollen Charaktere und der Entscheidungsfreiheit des Spielers.

Das 2012 erschienene Mass Effect 3 ist technisch das ausgereifteste Spiel der Trilogie, das im Remaster ebenfalls noch mal aufgepeppt wurde und in der hier veröffentlichten Form richtig gut ausschaut. Hier werden die spielerischen Stärken beider Vorgänger vereint und unsere zuvor getroffenen Entscheidungen tragen Früchte. Doch nicht jeder zeigte sich damals zufrieden mit dem Ausgang des Spiels und somit der gesamten Trilogie, es kam zu kontroversen Diskussionen unter den Fans. Mit dem später nachgereichten Extended Cut veröffentlichte Bioware einen kostenlosen Zusatzinhalt, der durch zusätzliche Filmsequenzen und Epilogszenen die Wogen glätten sollte. Dieses neue Ende ist übrigens auch gleich Teil der Legendary Edition. Ob einem das reicht, muss jeder für sich selbst herausfinden. 

 

Fazit

Die allseits beliebte "Mass Effect"-Trilogie bekommt eine technisch wohlverdiente Politur verpasst und wird so für viele neue Spielern und auch damalige Fans ein gutes Stück zugänglicher. Vor allem auf erzählerischer Ebene ist das Weltraumabenteuer auch heute noch überaus packend und verdient es allein dafür erlebt zu werden. Da es sich aber "nur" um ein Remaster, nicht aber um ein echtes Remake handelt, muss man gewisse veraltete Elemente in Kauf nehmen, die gerade beim ersten Teil sehr störend ausfallen. Wer damit leben kann, wird mit der "Mass Effect: Legendary Edition" gut bedient.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.