Bildnachweis: Warhorse Studios / Deep Silver / Koch Media

Videospiel "Kingdom Come: Deliverance" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Böhmen – Im Herzen Europas gelegen, ist das Gebiet reich an Kultur, Silber und imposanten Burgen. Der Tod seines geliebten Herrschers Karl des IV, stürzte das Königreich in dunkle Zeiten: Krieg, Korruption und Zwietracht zerklüften dieses Juwel des Heiligen Römischen Reiches. Wenzel, einer von Karls Söhnen, wurde zu seinem Nachfolger ernannt. Im Gegensatz zu seinem Vater ist er ein naiver, maßloser und wenig ambitiöser Monarch. Sigismund der Rote Fuchs – Wenzels Halbbruder und König von Ungarn – wittert dessen Schwäche. Gute Absichten vortäuschend reist Sigismund nach Böhmen und entführt seinen Halbbruder. Ohne König ist Böhmen Sigismund ausgeliefert, der das Reich auf seinen Raubzügen plündert und sich dessen Schätzen bemächtigt. Inmitten dieses Chaos verkörpert man Heinrich, den Sohn eines Schmieds. Sein friedliches Leben nimmt ein jähes Ende, als eine Horde Söldner – angeheuert von König Sigismund selbst – sein Dorf niederbrennt. Durch glückliche Umstände ist er einer der wenigen Überlebenden dieses Massakers. Sein Zuhause, seiner Familie und seiner Zukunft beraubt, endet er im Dienste von Herrn Radzig Kobyla, der einen Widerstand gegen die Invasoren formiert. Vom Schicksal in diesen blutigen Bürgerkrieg hineingezogen, kämpft er um die Zukunft Böhmens.


Kritik

Als das tschechische Entwicklerteam Warhorse Studios vor einigen Jahren mit der Idee um ein Rollenspiel aufkam, bei welchem das Szenario auf historischen Ereignissen beruht und welches gänzlich auf Magie und Fantasy verzichtet, fiel die Suche nach Finanzpartnern alles andere als einfach aus. Im Januar 2014 wurde schließlich eine Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen, die insgesamt 300.000 britische Pfund anvisiert hatte. Die Baker zeigten sich begeistert, das Ziel wurde bereits nach 36 Stunden erreicht, am Ende kamen insgesamt 1,1 Millionen Pfund zusammen und damit eine ganze Reihe an weiteren Features, die das Spiel umso größer machen sollten.

Vier Jahre hat die Entwicklung von Kingdom Come: Deliverance gedauert, mit Deep Silver, dem Publishing Label von Koch Media, fand sich in der Zwischenzeit zudem ein Partner, der das Projekt unterstützte. Am 13. Februar erschien das Game nach einigen Verschiebungen endlich für die PS4, Xbox One und den PC und sorgt dabei für reichlich Bewunderung, aber auch ein wenig Frust zugleich.

Das Wichtigste zuerst: Kingdom Come: Deliverance ist gänzlich anders als typische Genrevertreter. Während man in Spielen wie Skyrim epische Heldengeschichten im Fantasy-Kontext erlebt, geht es hier weit bodenständiger zu. Keine Magie, keine Drachen oder Fabelwesen, kein auferstandener Dämon, der die Welt vernichten will, sondern eine realistisch konzipierte mittelalterliche Umgebung mit Burgen, Dörfern und einem darin tobenden Bürgerkrieg. Und der Spieler verkörpert keinen Helden mit Superfähigkeiten, sondern einen einfachen Bauern, der durch unglückliche Ereignisse in diesen Krieg hineingezogen wird und sich langsam nach oben arbeiten muss. 

Dieser Weg ist durchaus mühsam, denn Heinrich, so der Name der Spielfigur, beginnt sein Abenteuer ohne großes Hab und Gut, muss sich in der weitläufigen Welt irgendwie zurechtfinden und grundlegendste Dinge erlernen. Die Verbesserung von Skills verläuft hierbei automatisch, je nachdem was wir besonders häufig tun. Wer viel reitet, verbessert seinen Umgang mit dem Pferd. Wer häufig den Bogen benutzt, landet nach vielen Stunden auch endlich einen Treffer. Und wer viel mit Menschen redet und sich dabei geschickt anstellt, steigert seine Redekunst. Ein System, das viel Zeit erfordert, sich aber auch glaubhaft anfühlt. Darüber hinaus gibt es Fähigkeiten, die wir zunächst einmal von bestimmten Personen erlernen müssen. Heinrich ist anfangs beispielsweise Analphabet. Um die zahlreichen Bücher oder sonstige Hinweise in der Welt verstehen zu können, muss ihm erst einmal jemand das Lesen beibringen.

Kingdom Come: Deliverance verfügt zudem über ein Rufsystem, welches festlegt, wie sich die Menschen uns gegenüber verhalten. Wer der Bevölkerung hilft und höflich bleibt wird dementsprechend anders behandelt als jemand, der für Probleme sorgt. Auch unser Äußeres ist dabei entscheidend, Heinrich fängt mit der Zeit zu stinken an und muss sich pflegen, seine Kleidung nutzt sich nach einer Weile ab und wenn diese auch noch blutüberströmt ist, sorgt das ohnehin für skeptische Gesichter. Oder auch, wenn die Kluft des Feindes getragen wird.

Der Realismus geht so weit, dass das Spiel ein Stück weit den Alltag simuliert. Heinrich muss essen, sonst ist er geschwächt oder stirbt irgendwann sogar. Er muss schlafen, sonst fallen ihm die Augen zu und er kippt um. Blutende Wunden wollen versorgt werden, während die abgenutzte Ausrüstung repariert werden muss. All diese Mechaniken machen Kingdom Come: Deliverance gewissermaßen anstrengender als Genrekollegen, passen sich dem realitätsnahen Konzept aber gut an und machen das Spiel eben auch zu etwas Besonderem.

Diese große, liebevoll gestaltete Spielwelt lebt und atmet und erzeugt damit eine hervorragend gelungene Atmosphäre. Auch unser großer Handlungsfreiraum kommt hier zum Tragen, denn nicht nur gibt es an jeder Ecke Dinge zu entdecken, auch haben wir stets zig Lösungswege, um unsere Ziele zu erfüllen. Auf diese Weise weiß Kingdom Come: Deliverance seine Stärken voll auszuspielen und sorgt für reichlich Faszination. Dass die Geschichte selbst nur durchschnittlich ausfällt ist schnell vergessen, das Spiel sorgt an genug anderen Stellen für reichlich Motivation.

Grafisch macht das Game eine Menge her, wenn auch nicht an jeder Stelle. Die Charaktere wirken insgesamt ein wenig hölzern in ihren Bewegungen und Mimiken und auch könnten Innenräume etwas detailreicher ausgestattet sein, beides lässt sich jedoch verzeihen. Denn wenn man erst einmal die malerischen Landschaften erblickt, die wunderschönen dichten Wälder und die idyllischen kleinen Dörfchen, entfaltet sich die ganze visuelle Pracht. Dafür, dass das Spiel von einem kleinen Team entwickelt wurde und insgesamt nur rund 5 Millionen Dollar gekostet haben soll (zum Vergleich: Skyrim kostete 80 Mio.), darf man hier durchaus ein großes Kompliment aussprechen. Auch der Soundtrack zeigt sich gelungen und die Synchronsprecher (im Deutschen gibt es unter anderem die Stimmen von Chris Pratt, Jessica Biel oder Liam Neeson) leisten großartige Arbeit.

Leider leidet Kingdom Come: Deliverance (noch) an einigen Ecken und Kanten, die den ansonsten so schönen Gesamteindruck ein wenig trüben. Einige Spielmechaniken fallen beispielsweise sehr sperrig aus und können somit zu Frust führen. Das Kampfsystem beispielsweise, das durch das Anvisieren von Trefferzonen, Paraden und Ausweichmanövern zwar gut durchdacht und recht komplex ausfällt, jedoch derart schwer zu handhaben ist, dass die Gefechte oft zur Glückspartie werden. Auch das Ausüben einiger Fähigkeiten wie dem Schlösser knacken ist ungeschickt gelöst. Wollen wir mit einem unserer wenigen Dietriche, die bei Fehlversuchen direkt zerbrechen, ein Schloss öffnen, so müssen wir in einem Minigame den Mechanismus mit viel Feingefühl aushebeln. Leichter gesagt als getan, zumindest auf der PS4 ist es mittels beider Joysticks kaum zu bewältigen, selbst nach mehreren Spielstunden nicht. Und auch das Speichersystem sorgt nicht unbedingt bei allen Spielern für Freude: Gespeichert wird nur automatisch an bestimmten Quest-Abschnitten oder wenn man sich schlafen legt. Wer mittendrin speichern will, muss einen kostbaren und raren Schnaps trinken. Zumindest hat Warhorse Studios an einigen dieser Punkte Besserung versprochen, mit dem bald kommenden Update sollte hoffentlich Abhilfe geschafft werden.

Auch technische Probleme gibt es momentan leider noch einige. In einigen Dialogen bricht beispielsweise der gesprochene Satz mittendrin ab, Texturen werden in der Ferne hin und wieder sichtbar verzögert nachgeladen, Objekte ploppen hier und da auf oder glitchen ineinander, und auch eine Quest (Der Ruf der Nachtigallen) ließ sich beim Testlauf nicht beenden, da Quest-Objekte mittendrin im Nichts verschwanden. Der Day 1-Patch brachte es zum Release auf üppige 25 GB und beseitigte vorab eine Reihe an Problemen, die bis dahin vorhanden waren, viele weitere (dazu gehören die oben genannten) gilt es noch zu beheben. Auch hier haben die Entwickler Besserung gelobt und um ein wenig Geduld gebeten.

Somit fühlt sich der Release des Spiels ein wenig überhastet an, ein bisschen mehr Feintuning vorab hätte dem Endprodukt gutgetan. Spielbar ist Kingdom Come: Deliverance natürlich auch jetzt schon und macht, wenn man ein Auge zudrückt, bereits eine Menge Spaß. Ob man noch ein wenig auf die folgenden Updates wartet oder direkt loslegt, muss jeder für sich selbst entscheiden.


Fazit

"Kingdom Come: Deliverance" ist ein mutiges und ungemein ambitioniertes Rollenspiel, das gegen den Strom schwimmt und sich herrlich frisch anfühlt. Seine Stärken liegen klar in der packenden Atmosphäre, der lebendigen Spielwelt und den Freiheiten, die dem Spieler ermöglicht werden. An einigen Stellen ist jedoch noch etwas Feinschliff erforderlich, noch leidet das Spiel an einigen Bugs und technischen Patzern. Warhorse Studios gab offiziell bereits bekannt sich der Probleme bewusst zu sein und sich ihrer anzunehmen, was man diesem ansonsten überaus gelungenen Projekt nur wünschen kann.

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