Bildnachweis: AMC

"The Walking Dead" - Staffel 7 - Kritik

von Pascal Reis

Fazit

Gerade erst hat die siebte Staffel The Walking Dead ihr Ende genommen und die hitzigen Streitgespräche, die die Foren des Internets aufwirbeln, kennen kein Halten mehr: War es nun die beste oder doch eher die schlechteste Staffel? Verfügte die letzte Episode, The First Day of the Rest of Your Life, womöglich über den besten Jumpscare der Seriengeschichte oder war der Augenblick, in dem ein robuster Metallsarg eine entscheidende Rolle spielt, vollkommen absehbar? In jedem Fall bleibt die Serie, traut man dem allgemeinen Aufsehen im World Wide Web, nach wie vor diskussionswürdig. Und so lange es sich lohnt, über ein Format zu sprechen, sich auszutauschen, Emotionen zu investieren und Argumente aufzubringen, scheint es doch immer noch eine klaren Daseinsberechtigung unterlegen, nicht wahr?

Nun, das sollte man eigentlich glauben, doch was die Verantwortlichen mit der siebten Staffel The Walking Dead abgeliefert haben, ist eine absonderliche Frechheit. Distanziert man sich einmal vom ausprägten Fandom, welches die Zombie-Serie immer noch mit abstrusen Superlativen beweihräuchert, so scheint der AMC-Selbstläufer inzwischen an einem Punkt angekommen zu sein, an dem die Macher nicht einmal mehr die Motivation aufbringen können, zu verheimlichen, dass es hier eigentlich nichts mehr zu erzählen gibt. Wiederholt wurde sich schon in der Vergangenheit (zu Recht) darüber eschauffiert, dass The Walking Dead den Zuschauer mit den immer gleichen erzählerischen wie dramaturgischen Mittel bei Laune zu halten versucht. Szenenabläufe wurden konfektioniert, das Schicksal der Charaktere stand nur äußerst selten wirklich auf dem Spiel: Zu viel war transparent und formelhaft.

Immerhin aber verstand es The Walking Dead, diese Charaktere, ihre Sehnsüchte, ihre Ängste, organisch greifbar zu machen und ihre individuellen Lebenswirklichkeit einnehmend zu bebildern. In Staffel 7 thront nun allerdings das große Desinteresse über allem und jedem. Keine Frage, die erste Episode, die noch einmal vor Augen führt, mit welchem Monstrum wir es mit Negan (Süffisant: Jeffrey Dean Morgan) zu bekommen werden, hat vollkommen zu Recht Seriengeschichte geschrieben. Hier wurde eine markterschütternde Bestialität aufgebracht, die veranschaulichte, dass The Walking Dead A) noch lebendig ist und B) die Akteure dem Zuschauer in Wahrheit alles andere als egal sind. Tragischerweise aber folgten auf dieses einschneidende Erlebnis noch 15 weitere Episoden, in denen aus erzählerischer wie inszenatorischer Sicht Not und Elend gegeneinander antreten.

Wo sind nur die Zeiten geblieben, in denen sich The Walking Dead die nötige Ruhe genommen hat, um sich als psychologische wie gesellschaftliche Studie verdient zu machen und die Veränderungen innerhalb der Extremsituation analysierte. Vom apokalyptischen Planspiel, hervorragend ausbalanciert zwischen ultrabrutalem Survival-Horror und seifiger Telenovela, ist wenig übriggeblieben. Die hiesige Spiegelung unserer zeitgenössischen Gesellschaftsnormen bleibt ein weitestgehend ungenutzter Ansatz, stattdessen werden die Lebenslinien der Charaktere krampfhaft begleitet, aber nicht mehr grundiert. Ihre Worte scheinen ohne Gewicht, sollen aber, wie im Finale, unheimlich bedeutungsvoll anmuten, und ihre Handlungen scheinen ohnehin viel zu berechnet, als dass man diesen hier wirklich noch einen Funken irrationaler Impulsivität abringen könnte. Und wenn das allgemeine Agieren nicht hölzern ist, dann ist es unsinnig - ein weiteres eklatantes Defizit der Staffel.

Logikpuristen sind bei The Walking Dead schon immer an der falschen Adresse gewesen, in Staffel 7 nun wachsen die Unstimmigkeiten aber zusehends über sich hinaus, weil offenkundig die Konzentration abhanden gekommen ist, Rücksicht auf Kohärenz und Entwicklung zu nehmen. Die erzählerischen wie inszenatorischen Mittel jedenfalls scheinen ausgebrannt, die einnehmende Zugkraft aus dem horizontalen Konstrukt entweicht - es soll nur noch weitergehen, weil der Rubel eben rollen muss. Und wenn dies der einzige Grund ist, The Walking Dead weiterlaufen zu lassen, dann mag das aus marktwirtschaftlicher Sicht noch irgendwo nachvollziehbar sein (auch wenn die Einschaltquoten einen klaren Negativtrend verheißen lassen), aus künstlerischer Sicht aber muss man sich inzwischen mit dem Gedanken anfreunden, dass der wahre Sieg wohl darin liegt, einfach aufzugeben. Sowohl für die Serie, als auch für den Zuschauer.

Es ist unheimlich tragisch, mit welcher Rigorosität sich The Walking Dead hier selbst zu Grabe trägt. Behandelte man einst noch in jeder Staffel eine individuelle Säule im Stadien-Modell der Trauer (vor allem natürlich Leugnen, Zorn, Verhandeln und Depression sind tonangebend gewesen) und hat die neue Weltordnung auch als Plattform psychotischer Machtphantasien begriffen, die auf die Gruppendynamik unserer Protagonist ein- und austrat, so hat Staffel 7 nun nicht einmal mehr das Interesse, das augenfällige Leitmotiv der Serie auf seine Bedeutungsvielfalt abzuklopfen: Nämlich das Aushandeln von Menschlichkeit in einer Welt, die sich jener offenkundig vollständig entledigt hat. The Walking Dead ist zu einem konfusen Brei geronnen, in dem Charaktere, Biographien und Handlungsorte willkürlich miteinander verquirlt werden, um irgendwann in eine neue Eruption der Gewalt zu gelangen.

Kein Wunder also, dass man sich als Zuschauer vor allem in Lethargie windet, wenn man bemerkt, dass The Walking Dead nicht einmal mehr Überlegungen dahingehend anstellt, ob es leichter ist, das Messer in das Fleisch zu rammen oder es wieder herauszuziehen. "Es geht nicht mehr um das Überleben, es geht darum, sich alles wieder zurückzuholen.", heißt es einmal in der ersten Hälfte der Season. Vielleicht ist dies auch die Parole, die sich die kreativen Köpfe im Hintergrund der Serie einverleiben sollten, denn die Qualität, die The Walking Dead einst besaß, ist verlorengegangen. Verloren in der Hilflosigkeit, ein Szenario narrativ zu betten. Dass dies aber noch kein Grund ist, alle Hoffnung endgültig fahren zu lassen, sollte klar sein, allerdings muss zwangsläufig eine Rückbesinnung auf die alten Stärken stattfinden.

Technischer Part

Dass die siebte Staffel von The Walking Dead nun von Twentieh Century Fox Home Entertainment (Veröffentlichung: 09. November) vertreiben wird, setzt keinen Qualitätsverlust der Publikation voraus. Ganz im Gegenteil, das Sounddesign ist wunderbar natürlich gestaltet, die Bildauflösung satt und tiefenscharf. Das Bonusmaterial indes kann sich ebenso sehen lassen: Es gibt ganze sieben Audiokommentare mit dem Hauptcast zu finden, ein Making Of, Entfallene Szenen und die Features Innerhalb von The Walking Dead, Eine größere Welt, Brechen & Neu Aufbauen, In Memorian, Ein neues Kapitel der Angst, Die Autoren, Die Wichtigsten Streuner und Krieger-Frauen. Für Fans gibt es also einiges zu entdecken!

Fazit

"The Walking Dead" hat ein eklatantes Problem: Die Serie ist an einem Punkt angekommen, an dem sie keine inszenatorischen und erzählerischen Mittel mehr findet, um das hiesige Endzeitszenario adäquat auszustaffieren. Nach der furiosen ersten Episode wähnt sich die siebte Staffel der Zombie-Serie vor allem in Konfusion, Unstimmigkeit und der Verzweiflung, das eigene künstlerische Scheitern zu verschleiern. Mit Staffel 8 muss dringend eine Rückbesinnung auf die Zeiten stattfinden, als man aus der Stille noch Kraft zog und sie nicht einfach nur als leise empfunden hat. Bis das soweit ist, bleiben die verärgernden und frustrierenden Erinnerungen an eine Staffel, die in vieler Hinsicht vor allem stümperhaft und fahrlässig war.

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