Die Toten. Wir kommen einfach nicht von ihnen los. Wenn wir sie nicht mit Feiertagen oder Bräuchen ehren, so spinnen wir um sie die absurdesten Geschichten, deren Höhepunkt gewiss deren Wiederkehr als Zombies ist, also als Kreaturen des Bösen, die sich am Fleisch der Lebenden laben. Mit „The Walking Dead“, der Serie des US-Kabelsenders AMC, hat die aktuell grassierende, mediale Zombiewelle ihren aktuellen Höhepunkt gefunden und dabei eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Diese Spuren sind so tief, dass, wenn man die Prämisse von „The Returned“ beschreibt, eigentlich nach jedem zweiten Satz noch einmal betonen sollte, dass es sich nicht um klassische oder moderne Zombies handelt. Da Moviebreak aber bekanntlich nur intelligente Leser hat, sollte es wohl reichen, es einmal ganz klar aufzudrücken: „The Returned“ ist keine Zombieserie.
Ein beschauliches Bergstädtchen, irgendwo in Frankreich. Die Luft wirkt frisch, die Leute freundlich, die Architektur pendelt zwischen klassisch und modern. Ein Ort aus dem Bilderbuch. Doch wie jede Stadt hat auch diese ihre Schattenseiten. Erst vor vier Jahren verunglückte ein Schulbus und riss über 30 Schüler in den Tod. Kurz vor der Einweihung der Gedenkstätte kehrt Camille (Yara Pilartz), die während des Unfalls starb, von den Toten zurück. Ohne Erinnerung an den Unfall oder eine einzige Schramme steht sie plötzlich in der Küche ihrer Mutter und macht sich ein Sandwich. Der Beginn von dutzenden mysteriösen Ereignissen, denn Camille ist nicht die Einzige, die zurückkehrt. Auch ein kleiner Junge, ein Psychopath und ein Selbstmörder kehren wieder ins Leben zurück.
Was die französische Serie von Canal+ so besonders macht, ist dass sie sich nicht nur ausschließlich auf die Frage des Wie und Warum konzentriert, sondern sich auch ernsthaft und ohne falsche Scheu dafür interessiert, wie es ist, wenn ein geliebter Mensch, der auf tragische wie plötzliche Weise starb, Jahre später auf einmal wieder auftaucht. Camille ist dafür ein gutes Beispiel. Als sie starb war sie 15, ihre Zwillingsschwester Léna (Jenna Thiam) ist, als Camille wiederkehrt 19. Die Eltern der beiden, deren Ehe Camilles Tod nicht überstanden hat, können ihr Glück kaum fassen ihre verlorene Tochter endlich wieder in die Arme schließen zu können, übersehe dabei allerdings, dass ihnen Léna längst entwichen ist. Ein großes Thema von „The Returned“ ist die Verarbeitung von Einsamkeit. Vor allem die wiedergekehrten Toten sind es, die sich in der Welt der Lebenden, die sich ohne sie weiterentwickelt hat, zurecht finden müssen. Währenddessen müssen sie Angehörigen der Wiederkehrer auf meist bitterste Art und Weise erkennen, dass ihr altes Leben endgültig vorbei ist. Ob im neuen dennoch Platz für den ehemals verstorbenen Liebsten, Freund oder Angehörigen ist?
Diese Frage wird von Charakter zu Charakter verschieden behandelt. Denn „The Returned“ geizt nicht gerade mit Figuren und Schicksalen und recht schnell wird klar, dass das kleine, idyllische Bergstädten in Frankreich eine Menge Geheimnisse und versteckte Geschichten besitzt, die nun, mit der Rückkehr der Toten nach und nach ans Licht des Tages gezerrt werden. Das ist von Regisseur Fabrice Gobert einfach umwerfend gut umgesetzt. Er erschafft mit „The Returned“ eine unglaublich stimmungsvolle Serie, die genau die richtige Balance aus Mysterydrama, Spukgeschichte und Gesellschaftsportrait findet und dabei auch keine Furcht vor scheinbar zu aufgesetzten Wendungen und Charakteren findet. Im Gesamten betrachtet fügt sich jedes Puzzleteil grazil ins große Ganze hinzu. Das Ergebnis ist eine Mysteryserie, die getragen wird von ihrer Idee und Umsetzung. Dabei sind Gobert plakative Schocks und Gruselfratzen weitestgehend egal. Umhüllt von den sphärischen Klängen der schottischen Post-Rock-Band Mogwai und eingefangen in klaren Bildern entwickelt „The Returned“ eine nicht brachiale aber dennoch unwiderstehliche Sogkraft des Geheimnisvollen. Dies geschieht mit einer schleichenden aber niemals selbstgefälligen Geschwindigkeit. Wenn man so will, kann man „The Returned“ als Serie für Genießer beschreiben.
Zur Blu ray: Die Extras bieten Interviews und kleinere Featurettes sowie die Pilotepisode des Krimiserie „Crossing Lines“ mit William Fichtner und Donald Sutherland. Ein wenig mehr Hintergrundinfos wären zwar toll gewesen, dennoch überzeugt die Blu-ray, vor allem auch deshalb, weil Bild und Ton wirklich einen ausgezeichneten Eindruck machen.
Fazit: Wer den schnellen wie aggressiven Kick des Horrors sucht, ist hier definitiv fehl am Platz. „The Returned“ ist eine grandios konzipierte und produzierte Serie, deren Atmosphäre schlicht und ergreifend umwerfend gut ist. Als Zuschauer hat man immer das Gefühl, dass im Hintergrund etwas lauert. Etwas Unsichtbares, so mystisch wie und unantastbar wabert es durch die kleine Bergstadt. Ist es Gut oder ist es Böse? „The Returned“ kümmert sich um diese Frage, geht dabei aber auch Wege, die man von solch einer Art von Serie nicht erwarten würde. Eine absolute Empfehlung. Das geplante US-Remake steht eigentlich jetzt schon auf verlorenem Posten.