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"Rising Tide" - Add-On zu "Civilization: Beyond Earth" im Test

von Tobias Kiwitt

Mit dem neuesten Teil der bekannten "Civilization"-Reihe "Beyond Earth" konnte Entwickler Firaxis zwar nicht an die Qualität des fünften Teils anschließen, aber immer noch ein zufriedenstellendes Spiel abliefern. Dennoch blieben viele Wünsche offen und das Spiel wirkte insgesamt unfertig. Höchste Zeit also für ein Add-On.

Hier geht's zu unserer Kritik des Grundspiels.

Nichts für Landratten: Eine komplett ausgebaute Wasserstadt

Unter dem Titel "Rising Tide" wird erstmals in der Geschichte von "Civilization" das offene Meer als Siedlungs- und Ressourcenquelle erschlossen. Schwimmende Städte sind eine schon sehr alte Idee (bereits der griechische Dichter Homer entwarf sie in seiner "Odyssee"). Nun entstehen in "Rising Tide" nicht nur schwimmende Städte, sondern gleich ganze schwimmende Landschaften oder Kleinstaaten, denn jedes Wasser-Geländefeld ist fast gleichwertig mit einem Land-Geländefeld, der Übergang zwischen Land und Meer wird fließend (unbeabsichtigter Wortwitz). Es können Farmen, Generatoren, ja sogar Akademien oder Biobrunnen auf jedem beliebigen Wasserfeld errichtet werden, ganz zu schweigen von den zahlreichen speziellen Wasser-Modernisierungen. Denn das Wasser wurde zu einem extrem wichtigen Rohstofflieferanten mit großen Mengen an Ressourcen, sowohl strategischen- als auch Luxusgütern, die unter der Wasseroberfläche nur auf die Bewirtschaftung warten. Dabei unterscheiden sich Wasserstädte in einigen Punkten deutlich von Städten auf dem Festland, denn sie können sich bewegen. Während diese Bewegung zu Beginn des Spiels auf Standard-Geschwindigkeit noch ca. sechs Runden pro Feld dauern kann (die Bewegung ist eine Stadt-Produktion, heißt die Stadt kann nichts anderes produzieren, während sie sich bewegt), verringern Spezialisierungen und eine höhere Produktion diese Zeit auf bis zu eine Runde. Dadurch wird die Stadt zu einer Art trägen, marinen Militäreinheit, der eine große taktische Bedeutung zukommt. Der große Nachteil von Wasserstädten ist, dass diese nur neue Geländefelder erlangen können, indem man sie auf unbeanspruchtes Territorium bewegt oder Felder mit Energie kauft. Es gibt kein Kulturwachstum, was eine ganz andere Strategie für Wasserstädte verlangt.

Hybrid-Affinitäten in der Diplomatieübersicht

Das in "Beyond Earth" neu eingeführte Affinitäten-System wurde weiter ausgebaut und um Hybrid-Affinitäten erweitert, was dringend notwendig war. Damit einher gehen viele neue Beförderungen für die spezialisierten Einheiten. Ebenfalls stark überarbeitet wurde die komplette Diplomatie – an sich eine noch größere Neuerung als die Wasserstädte. Erstmal wurde eine Diplomatie-Währung eingeführt, mit der sich entweder persönliche Eigenschaften für das eigene Staatsoberhaupt oder Abkommen mit anderen Zivilisationen kaufen lassen. Dabei handelt es sich immer um einen Handel. Der eine Handelspartner erhält Vorteile u.a. in Form von Kultur, Energie, Wissenschaft oder militärischen Boni im Tausch für Diplomatie, die das Gegenüber wiederum in eigene Abkommen umsetzen kann. Dabei schalten die persönlichen Eigenschaften einerseits Boni für die eigene Zivilisation frei und ermöglichen gleichzeitig neue Abkommen mit anderen Staatsoberhäuptern. Dadurch hat sich das ganze Diplomatie-Fenster verändert. Die oft nervigen Nachrichten (meist Beleidigungen) anderer Staatsoberhäupter erscheinen nicht mehr im großen Diplomatie-Fenster und unterbrechen die Verarbeitung der Runde für die KI, sondern gehen wie ein Tweet oder eine SMS als Kurznachricht ein. Dabei zeigt ein Pfeil auch immer, ob die angesprochene Situation die Beziehung verbessert oder verschlechtert hat. Wobei sich die Beziehung in Respekt und Angst aufteilt und je nach Wert einen anderen Beziehungsstatus ermöglicht, der wiederum die Effektivität von Abkommen beeinflusst. Bei verschlechterten Beziehungen kann es ohne Vorwarnung zum Krieg kommen, was bisher leider etwas undurchsichtig und zuweilen auch nicht ganz logisch erscheint. Überhaupt fehlt eine ordentliche Übersicht über den Beziehungsstatus zwischen allen Staatsoberhäuptern, da man häufig unabsichtlich Krieg auslöst, indem man sich vorschnell verbündet. Und insgesamt bleibt die KI im Vergleich zu anderen Strategiespielen ziemlich dumm, was auch im Vorgänger schon ein Problem war.

Grundlegend überarbeitetes Diplomatiesystem

Das ist ein generelles Problem des Grundspiels, das auch in der Erweiterung trotz Verbesserungsbemühungen noch besteht. Optisch ist das Ganze einerseits zwar sehr atmosphärisch und eindrucksvoll, aber als Strategiespiel sehr unübersichtlich. Das fängt bei der Karte an, die schon im Grundspiel schwer zu erkennen war und jetzt für die Ausweitung der Staatsgebiete auf die Ozeane einer grundlegenden Überarbeitung bedurft hätte. Die blieb aber leider aus. Es wäre ein viel größerer Kontrast nötig, um das Staatsgebiet einiger Zivilisationen (z.B. die Nordsee-Allianz) vom Rest zu unterscheiden und auch die Transparenz der Karte müsste dauerhaft fehlen und nicht nur, wenn man mit dem Cursor auf der Minikarte ist. Ein mindestens ebenso großes optisches Problem war das Technologienetz. In nur einer einzigen Farbe war es äußerst unübersichtlich. Jetzt hat man Farben entsprechend der Affinitäten eingefügt, die aber nur bedingt Abhilfe schaffen. Das eigentliche Problem besteht noch immer in den blau-weißen Symbolen der Technologien, die sich alle einfach viel zu ähnlich sehen. Kein Vergleich zu den aussagekräftigen und einprägsamen Symbolen der Technologien aus "Civilization V". Aber dennoch muss man auf der anderen Seite auch die visuelle Gestaltung loben, denn die Planeten, die Aliens, die Einheiten und ganz besonders die Tiefsee sehen großartig aus. Jedoch nicht ganz auf dem Level von "Anno 2070" (inkl. Add-On "Die Tiefsee"), das im Bereich Tiefsee-Optik die Messlatte sehr hoch gelegt hat. Visuell bringen auch die beiden neuen Planetentypen "Urzeitlich" und "Eisig" Abwechslung. Dazu kommen Planetenquests, die jedem Planetentyp eine weitere individuelle Komponente verleiht.

Der "Urzeitlich"-Planetentyp

Ein großer Nachteil gegenüber "Civilization V" ist der geringe Wiederspielwert. Jedes Mal, wenn man eine neue Welt, eine neue Zivilisation, einen neuen Sieg gespielt hat, probiert man etwas anderes aus und die Motivation, dieselbe Kombination noch einmal zu spielen, hält sich in Grenzen, was auch der etwas geringeren Schwierigkeit geschuldet ist. Dafür bietet die Erweiterung einige Neuerungen, die wieder viel zu entdecken bieten.


Fazit: Gespalten. Das Add-On kann einige Fehler des Grundspiels ausbügeln, andere bleiben leider unberührt. Das Diplomatie-System ist vielversprechend, müsste aber besonders der Übersicht halber noch ausgebaut werden, auch die KI macht weiterhin Probleme. Somit ist das Ganze optisch leider immer noch sehr unübersichtlich. Auf jeden Fall gibt es in der Erweiterung viel Neues zu entdecken und noch einige zusätzliche Spielstunden obendrauf.

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