Der beliebteste Marvel Netflix-Held war er ja nie. Daredevil und Jessica Jones waren vielschichtiger, der Punisher gnadenloser und Iron Fist hatte immerhin Kung Fu im Gepäck. Doch Season 1 von Luke Cage hatte, trotz all der Kritik, durchaus einige Vorzüge zu bieten, die die Serie wirklich einzigartig im Marvel-Universum machten. Und das bezog sich nicht nur darauf, dass hier ein afro-amerikanischer Held im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Gerade atmosphärisch durfte Luke Cage stets überzeugen. Der Mikrokosmos Harlem wirkte greifbarer, echter, ja lebendiger als das New York der anderen Netflix-Helden. Gepaart mit dem tollen Soundtrack und jeder Menge Style and Flow evozierte Luke Cage einen ganz eigenen Vibe, einen im Heldenuniversum einzigartigen Rhythmus. Nur Story und Hauptfigur blieben da etwas auf der Strecke und ließen die Tiefe anderer Marvel Netflix Figuren vermissen. Am 22. Juni erscheint nun die zweite Season von Luke Cage auf Netflix. Ein Grund, Harlem's Hero noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Die zweite Staffel von Luke Cage setzt diesen positiveren Trend nun glücklicherweise fort. Sowohl inhaltlich, inszenatorisch als auch atmosphärisch führt die Season das weiter, was Staffel 1 (und inhaltlich The Defenders) offen ließen und geht dabei sogar ein gutes Stück weiter in die dringend benötigte Tiefe. Gerade inszenatorisch entwickelt sich die Serie weiter, die Macher spielen mit kreativen Kamerafahrten und -winkeln und schaffen es mitsamt des tollen Soundtracks einen faszinierenden audiovisuellen Teppich zu weben, der den Zuschauer gefangen nimmt und direkt in die heiße Atmosphäre Harlems transportiert. Denn was auch Staffel 2 von Luke Cage wieder ganz ausgezeichnet macht, ist Harlem in aller Pracht als faszinierendstes New Yorker Viertel aufleben zu lassen. Der Schauplatz der Serie wirkt hier viel mehr als bei seinen düsteren Pendants wie ein pulsierendes Stück Erde, das unserem Helden nachvollziehbar am Herzen liegt und dessen Rettung den Zuschauer daher viel deutlicher packen kann.
Von dieser facettenreichen Darstellung dürfen auch die Nebenfiguren zehren, seien sie nun alt oder neu. Vor allem Misty Knight (Simone Missick - A Taste of Romance), Hernandes „Shades“ Alvarez (Theo Rossi - Sons of Anarchy) und Mariah Stokes (Alfre Woodard - Annabelle) dürfen mit ihren inneren Dämonen ringen, werden in ihren Grauzonen vertieft und in den 13 Episoden ausführlich weiterentwickelt. Schwarz-weiß Malerei war sowieso noch nie ein Problem der Serie und so kann man auch in Season 2 beobachten, dass fast jeder Charakter, egal ob gut oder böse, eine nachvollziehbare Motivation erhält und Sympathie beim Zuschauer erwecken darf. Hervorgehoben werden soll hier außerdem Mustafa Shakir (The Night Of) als Antagonist Bushmaster, der vor allem durch seine jamaikanischen Wurzeln sowie sein intensives Schauspiel zu einem der Glanzlichter der zweiten Staffel avanciert und mehrfach die interessante Frage aufwirft, was eigentlich Gerechtigkeit bedeutet.
Fazit
Trotz den Marvel-Netflix-typischen Füllermomenten, die das Format irgendwie auf 13 Episoden strecken sollen sowie dem aufgesetzten und so gar nicht harmonischen Humor, stellt Season 2 von "Luke Cage" eine deutliche Qualitätssteigerung zur ersten Staffel dar. Die Macher setzen nachdrücklich auf die atmosphärischen Stärken der Serie, bauen diese durch ein gutes Gespür für tolle inszenatorische Momente aus und verleihen auch ihren Hauptfiguren deutlich mehr Facetten als zuvor. Cast und Crew scheinen sich hier endlich auf das vorhandene Material eingegroovt zu haben. Davon gerne mehr.