Bildnachweis: © WUZI-Verlag

"Jetzt auf Video - Als das Kino nach Hause kam": Interview mit Autor Florian Wurfbaum

von Mike Kaminski

Kennt ihr noch die guten alten Zeiten, zu denen man das Haus verlassen musste, um sich einen Film auszuleihen?

Voller Vorfreude wanderte man am Wochenende in die hiesige Videothek, in der Hoffnung eine brandneue Perle zu entdecken oder einfach nur um stundenlang Film-Cover zu durchstöbern und sich mit gleichgesinnten zu unterhalten. Inhaltsangaben wurden akribisch studiert, um am Ende die wichtigste aller Fragen zu beantworten: Welcher Film wird ausgeliehen?

Falls sich Menschen jüngeren Semesters jetzt fragend an den Kopf fassen sollten, ihr habt richtig gelesen. Man ist früher doch tatsächlich losgezogen, um sich den Film seiner Wahl physisch gegen Gebühr nach Hause zu holen. Wind und Wetter haben dabei keinerlei Rolle gespielt, denn die Gefahr, dass das Stück der Begierde bereits vergriffen sein könnte, war allgegenwärtig. In Zeiten von Streaminganbietern mag das völlig absurd klingen, jedoch wird es bei sehr vielen Filmliebhabern bei dem Wort „Videothek“ warm ums Herz. Um dieser Ära ein Denkmal zu errichten, haben es sich zwei unerschrockene Film-Enthusiasten zur Aufgabe gemacht, ein Buch über die wohl beste Zeit vieler Filmfans zu verfassen.


Florian Wurfbaum und Jörg Bauer sind die Autoren von „Jetzt auf Video: Als das Kino nach Hause kam“, ein Buch welches ab sofort bei Cinestrange Extremevorbestellbar ist und am 1. März 2024 erscheinen soll. Es erzählt von den Anfängen der Videotheken in den 1970ern, dem Höhepunkt Ende der 1980er und dem langsamen Fall der Entertainment-Giganten in den 1990ern. Im hauseigenen WUZI-Verlag 100% Independent produziert, voller Filmliebe auf 400 Seiten sowie 1000 Bildern und Artworks. Und wer könnte besser über diese Zeit berichten, als diese zwei Filmliebhaber, die in den letzten Jahren jede freie Minute in ihr Buch-Projekt gesteckt und sich auch sonst mit jeder Faser ihres Herzens dem Thema Film verschrieben haben. Florian Wurfbaum ist einer der Köpfe hinter dem  Entertainment Blog, der vor allem bei Actionfans hoch im Kurs steht. Jörg Bauer kommt aus dem Bereich Home Entertainment und war als Produktmanager unter anderem bei Kinowelt und Koch Media (heute Plaion) für viele DVD-Produktionen verantwortlich.

Wir haben Florian Wurfbaum eingeladen, um uns einige Fragen zu seinem Buch und zur guten alten VHS-Zeit zu beantworten.


MB: Hallo Florian, schön, dass du neben all deinen Projekten Zeit für uns gefunden hast. Die wichtigste Frage vorneweg, warum ein Buch über Videotheken?

Florian Wurfbaum: Sehr gerne und danke für euer Interesse. Hinter der Idee des Videothekenbuchs stecken zwei Punkte. Zum einen wollen wir per nostalgischer Liebeserklärung an eine zunehmend vergessene Zeit erinnern. Damals haben die Videotheken und deren Macher den Medienmarkt und Filmkonsum revolutioniert und werden somit als Geburtsstätte der heutigen Nerdkultur gesehen. Zum anderen wollen wir auch hinter die Kulissen der Videotheken schauen und lassen dabei die damaligen Macher aus der Branche zu Wort kommen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das vor allem zu Beginn für eine wilde Zeit mit unglaublichen Geschichten war. Hier kommen alle zu Wort: Label-Chefs, Videothekenbesitzer, aber auch konsumierende Videofreaks. Mit diesem Gesamtpaket möchten wir diese glorreiche Zeit mit Hintergrundwissen, unterhaltsamen Anekdoten und viel Retro-Charme wieder aufleben lassen und für spätere Generationen konservieren.

MB: Ihr habt 3 Jahre in die Entwicklungszeit eures Buchs gesteckt. Allein die Recherche stelle ich mir unglaublich umfangreich und mitunter auch anstrengend vor. Gab es zwischendurch Zweifel?

Florian Wurfbaum: Natürlich gab es auch mal Zweifel. So waren wir zeitweise unsicher, ob wir das Ganze neben unseren Haupttätigkeiten und privaten Verpflichtungen in der gewünschten Form zu Ende bekommen. Denn abseits der aufwendigen Recherche haben vor allem die Terminsuche mit den Interviewpartnern und die Klärung der verschiedenen Bildrechte viel Zeit in Anspruch genommen. Hier war es aber von Vorteil das Buch als unabhängiges Projekt ohne großen Zeitdruck in Angriff zu nehmen, da uns niemand diesbezüglich im Nacken saß.

MB: Das Hardcover-Buch gibt es ab sofort zum Vorbestellen und die Vorbesteller-Frist gilt bis zum 14. Januar 2024. Gedruckt wird auf Vorbesteller-Basis. Warum war es euch wichtig, das Projekt 100% unabhängig zu gestalten?

Florian Wurfbaum: Wir wollten uns von niemandem reinreden lassen und dem Projekt auch den nötigen Zeitrahmen zum Entwickeln geben. So konnten wir auf die Verfügbarkeit mancher Interviewpartner warten und das Projekt ohne großen Zeitdruck stetig und sinnig erweitern. Außerdem war das Interesse an dem Buch-Projekt bei größeren Verlagen recht verhalten, da das Thema für diese schwer greifbar bzw. vermarktbar schien.

MB: Im Buch habt ihr viele Gäste, die über die damalige Zeit berichten. Unter anderem Regisseur Dennis Gansel oder auch Synchronlegende Uwe Schier. Haben euch diese Gespräche einen neuen Blick auf die damalige Zeit gegeben?

Florian Wurfbaum: Absolut, es war eine wahre Freude zu sehen, wie die Interviewpartner mit funkelnden Augen über die damalige Videothekenzeit sprachen. Dabei sind auch viele unglaublich spannende Anekdoten und Sichtweisen zum Vorschein gekommen, die man nicht für möglich hielt. Vor allem auch was für eine „Wild West“-Mentalität zu Beginn dieser Zeit in der Branche herrschte und wie herrlich unbedarft man an die Sachen herangegangen ist. Das ist heute so (leider) nicht mehr möglich.


MB: Ihr widmet euch auch der FSK und dem Thema Jugendschutz. Damals für viele Filmfans ein leidiges Thema, oder?

Florian Wurfbaum: Ja, der Jugendschutz und die damit verbundene Zensur war damals ein echtes Ärgernis. Mit dem Einzug des Internets ist das heute alles Geschichte, aber mein Gott, was habe ich damals auf mich genommen, um aus Österreich einen 131-Titel zu bekommen oder diese bei Filmbörsen unter dem Tisch zu tauschen. Da riskierte man nicht selten eine Strafanzeige, aber die Filme waren es definitiv wert.

MB: Gab es aus der damaligen Zeit auch Dinge, die dir negativ in Erinnerung geblieben sind? Mir fällt spontan die Strafgebühr ein, sollten man einen Film vor der Rückgabe nicht zurückgespult haben.

Florian Wurfbaum: Ach, da gab es einiges: Die bereits erwähnte Zensur, Strafgebühren und die oftmals bescheidene Bildqualität der Verleihkassetten. Denn diese wurden zuvor schon oftmals durch hunderte Videorekorder gezogen und zeigten dadurch eben Verschleiß.

MB: Viele von uns bekamen durch ihre Eltern Zugang in die Welt der Videotheken. Erinnerst du dich, was dein erster selbst geliehener Streifen auf VHS war?

Florian Wurfbaum: Der Film, der unseren Videorekorder der Marke Fisher eingeweiht hat, war RAMBO 2: DER AUFTRAG (1985). Den Stallone-Kracher hatte aber, aufgrund meines jungen Alters von 10 Jahren, meine Mutter für mich ausgeliehen. Bei meinem ersten selbst getätigten Ausleihvorgang habe ich das Eddie Murphy-Doppelpack AUF DER SUCHE NACH DEM GOLDENEN KIND (1986) und BEVERLY HILLS COP II (1987) mit nach Hause genommen und natürlich bin ich seitdem auch großer Murphy-Fan.

MB: Wie oft warst du in der Woche in der Videothek zu finden und gibt es für dich ein Genre, welches du absolut mit den Videotheken verknüpft, vielleicht sogar dessen Erfolg davon abhängig macht?

Florian Wurfbaum: Ich war in meiner Hochzeit Anfang der 90er Jahre praktisch täglich in der Videothek anzufinden, um auf keinen Fall einen neu eingegangenen Titel zu verpassen. Mit der Videothek verbinde ich schon sehr stark das Genre-Kino, und hier haben es mir vor allem die Action- und Horror-Filme angetan. Ich darf bis heute keinen Action-Streifen der alten Recken um Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und Jean-Claude Van Damme verpassen, egal wie schlecht die Vorzeichen auch sind.


MB: In der heutigen Zeit sind Videotheken so gut wie komplett von der Bildfläche verschwunden. Einige wenige Publisher, vorwiegend aus den Staaten, veröffentlichen noch aus Liebhaberei auf VHS. Kaufst du noch VHS bzw. wie viele Kassetten hast du noch in deiner Sammlung?

Florian Wurfbaum: Heutzutage kaufe ich kaum mehr VHS, wobei die Arbeit am Videothekenbuch JETZT AUF VIDEO tatsächlich dazu geführt hat, dass ich mir zuletzt wieder öfters Videotapes gekauft habe. So musste ich mir zum Beispiel wegen des mega-schick gezeichneten Cover-Artwork die VHS vom MIAMI VICE-Pilotfilm ins Regal holen. Insgesamt habe ich aber nur noch ungefähr 30 Original-Videokassetten in meiner Sammlung. Dabei handelt es sich vorwiegend um Warner Home Video-Titel wie MAD MAX (1979), GREMLINS – KLEINE MONSTER (1984), ROCKY IV (1985), oder DIE CITY-COBRA (1986). Dies liegt an dem einheitlichen Cover-Design der Verleihfirma, welches ich seit Kindertagen liebe.

MB: Bestimmt gibt es ein ganz persönliches Highlight aus deiner Zeit als Videotheken-Gänger. Welches ist das?

Florian Wurfbaum: Ein großes Highlight war als ich mit meiner Mutter Mitte der 80er Jahre ohne großen Plan zu unserer Stamm-Videothek gegangen bin und völlig unverhofft gerade zwei neue Titel ins Videothekenregal gestellt wurden. Es waren die Action-Bretter AMERICAN FIGHTER (1985) mit Michael Dudikoff und THE PROTECTOR (1985) mit Jackie Chan. Meine Mutter musste natürlich sofort die beiden Schlüsselanhänger unter den Verleihkassetten an sich nehmen, sodass ich noch am selben Abend in den Genuss der beiden Filme kam. Das war pure Freude und Glückseligkeit, die ich am nächsten Tag natürlich mit jedem auf dem Schulhof teilen musste.


Jetzt auf Video: Als das Kino nach Hause kam“ erscheint beim WUZI Verlag und ist bis zum 14. Januar 2024 bei Cinestrange Extreme vorbestellbar.

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