Bildnachweis: © DingDongs Spiele-Regal

Horroktober 2022

von Constantin Wieckhorst

Manche verbinden Gesellschaftsspiele vermutlich in erster Linie mit der Kindheit, als man gegen Eltern oder Großeltern die Partie Mensch ärgere dich nicht oder die Runde Halma zu Ende spielen musste. Doch der Brettspielemarkt gibt natürlich weit mehr her als die „klassischen“ Spiele. Einige Brettspielumsetzungen orientieren sich gar an der zeitgenössischen Film- bzw. Popkultur und handeln von Zombies, dem Cthulhu Mythos, todbringenden Aliens und vielem mehr. Gerade für FilmliebhaberInnen sind in den letzten Jahren einige durchaus interessante Titel erschienen. Teilweise handelt es sich dabei um Kickstarter- bzw. Crowdfunding-Projekte, aber auch renommierte alteingesessene Unternehmen wie beispielsweise der Ravensburger Spieleverlag sind längst auf den Hollywood-Zug aufgesprungen.

Das Schöne an Gesellschaftsspielen ist dabei nicht nur, dass man gemeinsam und interaktiv etwas erlebt, sondern auch, dass man nicht vom WLAN-Signal abhängig ist. Selbst ein Stromausfall vermag es nicht, einem den Spaß zu verderben. Einen Titel, der im Hinblick auf das anstehende Halloween wie die Faust aufs Auge passt, soll euch nun näher vorstellt werden. Und zwar geht es um das Spiel Horrified.

Beschreibung

Bei Horrified handelt es sich um ein kooperatives Brettspiel, bei dem es die SpielerInnen mit den aus den klassischen Monsterfilmen der Universal Studios bekannten Kreaturen aufnehmen müssen. Gemeinsam versucht man in einem bemitleidenswerten Städtchen die vom Zufall gesteuerten Monster wie etwa den Invisible Man oder Dracula aufzuhalten. Das im Jahr 2019 erschienene Spiel ist dabei auf eine Anzahl von ein bis fünf SpielerInnen ausgelegt und ab einem Alter von 10 Jahren aufwärts empfohlen.

Materialqualität

Kaum hat man den Deckel des äußerst ansprechenden Spielekartons abgenommen, springt einem direkt eine in großen Lettern verfasste Warnung ins Auge. Diese ist, wie auch der komplette Rest des ca. 55 Euro teuren Spiels in Englisch gehalten. Das liegt daran, dass das Horrified von Ravensburger North America stammt und nicht, wie man meinen könnte, aus Deutschland. Mit halbwegs vernünftigem Schulenglisch sollte man vermutlich in der Lage sein, die beiliegende 15-seitige Spielanleitung und sonstige Angaben auf den Spielkarten etc. weitestgehend zu verstehen. Die Anleitung selbst ist im Übrigen sehr schön gestaltet, übersichtlich und sinnvoll unterteilt. Das Spielbrett misst im ausgeklappten Zustand rund 50 x 50 Zentimeter. Im Karton befinden sich vier Bögen aus dicker Pappe, aus welchen man die vorgestanzten Spielelemente herauspressen muss. Dies geht sehr einfach von der Hand und sollte daher eigentlich zu keinerlei Beschädigungen der Teile führen.
Während der Großteil an Materialien wie etwa die 17 menschlichen Figuren oder die 60 farblichen Gegenstandsplättchen aus gut fünf Milimeter starkem Karton gefertigt sind, bestehen die sechs Monster-Steckbriefe mit den zu erfüllenden Aufgaben sowie sämtliche Spielkarten aus weitaus dünnerem Material. Hierbei von Pappe zu sprechen wäre eigentlich fast schon zu viel des Guten. Festeres Papier träfe es da schon eher. Dennoch sind sie optisch und das gilt für sämtliche Spielmaterialien, ein regelrechter Hingucker. Egal ob das wunderschön gezeichnete Spielbrett, ansprechenden Monster-Steckbriefe oder die übersichtlich gestalteten Aktionskarten alles wirkt stimmig und detailverliebt gestaltet. Ein wahrer Augenschmaus.
 Nicht minder ansprechend sind die  sieben einfarbigen, hübsch gearbeiteten Monsterfiguren, die aus (flexiblerem) Plastik gefertigt wurden. Sie wirken allerdings ein wenig zerbrechlich, da z. B. die Handgelenke des Wolfmans oder herunterhängende Bandagen der Mumie doch recht dünn sind. Allzu grob sollte man mit den Figuren daher vermutlich nicht umgehen. Ansonsten enthält das Spiel noch drei Würfel und aus Pappe gefertigte Elemente wie einen sogenannten Terror- sowie Frencymarker und auf die jeweiligen Monster abgestimmte Items.
Nett: In der Anleitung findet sich sogar der Hinweis, dass es sich eigentlich nicht um Frankenstein, sondern um Frankensteins Monster handelt (ein Fehler, der sonst häufig gemacht wird).    

Gameplay

Das Spiel ist schnell vorbereitet. Spielbrett aufklappen, "Terrormarker" aufstellen, die 10 zu rettenden BürgerInnen an den Rand stellen, Helden-Vorteilskarten sowie Monster-Aktionskarten mischen sowie ablegen und zu guter Letzt 12 zufällige Gegenstandsplättchen aus dem beiliegenden Beutel ziehen bzw. auf den darauf vermerkten Arealen platzieren. Nun zieht jede mitspielende Person noch eine Heldenfigur sowie eine Helden-Vorteilskarte. Jetzt ist es an der Zeit, sich zu entscheiden, gegen welche und gegen wie viele Monster auf einmal man antreten möchten. Hierbei lässt sich aus sechs verschiedenen Monstern wählen (Frankensteins Monster und Frankensteins Braut gehören zusammen). Je mehr Monster, desto schwerer. Doch auch die Wahl der jeweiligen Kreaturen hat Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad, denn diese sind im Hinblick auf ihre auf den Steckbriefen aufgeführten Mini-Games unterschiedlich komplex angelegt. Außerdem verfügt jeder Antagonist über individuelle Fähigkeiten. So kann die Creature from the Black Lagoon beispielsweise als einzige Figur Wasserwege nutzen und der Wolfman kann mit seiner Spezialfähigkeit gleich mehrere Personen auf einmal angreifen.

Wer zuletzt Knoblauch aß, leitet die erste „Heldenphase“ ein und führt seine Aktionen aus. Die zur Verfügung stehende Anzahl selbiger ist auf den Heldenmarken vermerkt. Zur Auswahl stehen Fortbewegung, Gegenstände aufsammeln, Gegenstände tauschen, BürgerInnen zu sich holen, das Nutzen der individuellen Spezialaktion oder einen Schritt in den monströsen Mini-Games weiterzukommen. Außerdem können vorhandene Helden-Vorteilskarten ausgespielt werden. Hat man die Heldenphase beendet, zieht die Person, die eben an der Reihe war, eine Karte vom Stapel der Monster-Aktionskarten und führt die drei dort aufgeführten Phasen durch.

So gibt die Monster-Aktionskarte an, ob und wie viele (zufällige) Gegenstände neu auf dem Spielbrett platziert werden. Als Nächstes folgt eine Spezialaktion die teilweise an bestimmte Monster gebunden ist. Beispielsweise kann es passieren, dass der Invisible Man zu dem Feld mit den meisten Gegenständen wandert und diese vernichtet. Sollte die Spezialaktion ein Monster betreffen, welches nicht auf dem Spielbrett ist (weil bereits vernichtet oder aber gar nicht ausgewählt), so wird sie ignoriert. Es kommt aber auch vor, dass ein Bewohner auf dem Spielbrett platziert werden soll. Es empfiehlt sich, deren Rettung schnellstmöglich in Angriff zu nehmen, da ihr Tod den „Terrorlevel“ erhöht und man der drohenden Niederlage einen Schritt näher ist. Außerdem winken für eine Rettung die bereits erwähnten Helden-Vorteilskarten. Als Letztes ist auf der Monster-Aktionskarte noch angegeben, welche Monster Aktionen in Form von Fortbewegung und Angriff ausführen dürfen und wie viele davon. Trifft ein Monster dabei auf eine Helden- oder Bewohnerfigur, werden Trefferpunkte und Spezialaktionen durch Würfeln bestimmt. Ist ein Monster abgebildet, das es in der Partie nicht oder nicht mehr gibt, so wird es erneut ignoriert. Statt eines Monsters kann jedoch auch der „Frenzymarker“ abgebildet sein. Dann führt das Monster Aktionen aus, welches selbigen zu dem Zeitpunkt innehat. Dies kann dazu führen, dass ein Monster innerhalb einer Monsterphase zwei Mal dran ist.

Wurden alle Punkte der Monster-Aktionskarte abgearbeitet, so wird diese abgelegt und gründet einen neuen Stapel der „verbrauchten“ Karten. Als SpielerIn ist man die meiste Zeit damit beschäftigt, die eigene Figur über das Spielbrett zu jagen, um BürgerInnen zu retten und benötigte Gegenstände einzusammeln, mit welchen wiederum die Mini-Games der jeweiligen Monster bestritten werden. Beispielsweise gilt es mit ihnen Draculas Särge zu zerstören, einen Heiltrank für den Wolfman zu brauen, per Boot die Höhle der Creature from the Black Lagoon zu erreichen und Frankensteins Monster nebst seiner Braut Menschlichkeit zu lehren. Das mag nun vielleicht etwas simpel klingen, in Wahrheit ist es allerdings doch etwas anspruchsvoller.

Denn nicht selten werden die geplanten Züge und Vorhaben innerhalb der Monsterphasen gestört oder gänzlich zu Nichte gemacht, was dann ein gemeinsames Umdenken erfordert. So kommt es vor, dass Dracula einen in seinen Bann zieht, was dazu führt, dass eine Heldenfigur auf dessen Feld gestellt werden muss. Frankensteins Monster und Frankensteins Braut wollen wiederum, sofern man sie gewählt hat, auch noch auseinandergehalten werden, da ein Zusammentreffen der beiden den „Terrorlevel“ erhöht. Sogar Fortschritte innerhalb der Mini-Games können während der Monsterphasen sabotiert werden. Da die Gegenstände auch zur Abwehr von Monsterangriffen eingesetzt werden, muss man manchmal abwägen, ob man diese lieber verbraucht oder sich freiwillig besiegen lässt. Man ist dann nicht etwa tot, sondern landet im Krankenhaus und der „Terrorlevel“ steigt…dafür hat man aber noch seinen evtl. wichtigen Gegenstand oder ist seinem Zielort nun näher als zuvor.

Sieg & Niederlage

Ziel des Spiels ist es, die Monster, welche das Städtchen heimsuchen, aufzuhalten. Um dies zu bewerkstelligen, gilt es, die auf jede Kreatur individuell zugeschnittene Aufgabe (Mini-Game) zu meistern. Erst dann hat man die Möglichkeit, die Kreaturen beispielsweise durch den Einsatz einer ausreichenden Anzahl an gelben Items endgültig zu besiegen. Dies sorgt in Verbindung mit der freien Auswahl an Monstern für reichlich Abwechslung. Sollte der sogenannte Terrormarker jedoch aufgrund von zu vielen getöteten Bewohnern oder aber zu oft verletzten Helden das Maximum erreichen, so hat man die Partie verloren. Gleiches gilt, wenn die SpielerInnen zu lange gebraucht haben und der Stapel mit Monster-Aktionskarten erschöpft ist. Ein vorzeitiges Ausscheiden von einzelnen MitspielerInnen gibt es im Übrigen nicht. Entweder gewinnen alle oder man geht gemeinsam unter. 

Schwierigkeitsgrad & Spieldauer

Bei Horrified lässt sich der Schwierigkeitsgrad durch die jeweilige Auswahl an Gegnern (Komplexitätsstufe einfach bis schwer) sowie deren Anzahl (2 bis 4) variieren. Wir haben zu zweit insgesamt sieben Partien mit immer wieder neuen Gegnerkonstellationen gespielt. Die Spieldauer hängt von den ausgewählten Monstern sowie der Anzahl an MitspielerInnen ab. Zu zweit braucht man je nach Anzahl und Komplexitätsstufe der Monster ca. 35 bis 60 Minuten.

Wiederspielwert

Der Wiederspielwert von Horrified ist tatsächlich ungemein hoch. Dies liegt vor allem daran, dass jeder Antagonist sich etwas anders spielt. Jedes Monster hat individuelle Fähigkeiten, die teilweise auch aus den Monster-Aktionskarten resultieren, und muss auf unterschiedliche Art bekämpft werden. Um zu gewinnen, ist es insbesondere bei mehr Monstern von allergrößtem Nutzen, wenn man sich abspricht und gemeinsam die kommenden Züge vorausplant. Einen „Taktikkracher“, bei dem alles bis ins kleinste Detail durchdacht werden will, sollte man allerdings nicht erwarten. Ein weiterer (riesiger) Pluspunkt ist, dass man das Spiel gut zu zweit spielen kann. Denn nicht jeder verfügt über eine Vielzahl williger Familienmitglieder oder Freunde, die regelmäßig Bock auf Spieleabende haben. Es ist sogar möglich, das Spiel allein zu spielen. Natürlich ist es allein nicht ganz so toll, aber es ist immerhin noch vernünftig spielbar. Dadurch hebt sich Horrified deutlich von anderen ähnlich gearteten Spielen ab. Außerdem ist es einfach immer wieder aufs Neue herrlich, die aufwendige Gestaltung der Spielmaterialien zu bewundern.  


Fazit

Horrified ist ein äußerst empfehlenswertes Koop-Spiel für bis zu fünf SpielerInnen, welches insbesondere mit einer hochwertigen Verarbeitung und einem durchdachten Gameplay zu überzeugen weiß. Hier ist insbesondere bei mehr Monstern, Zusammenarbeit und ein gewisses Maß an Taktik sowie vorausschauendem Handeln gefragt. Der Wiederspielwert ist durch die gegebene Abwechslung enorm hoch und weswegen Horrified mit Sicherheit nicht nur einmal im Jahr für die Halloween-Party rausgekramt wird. Es besteht sogar die Möglichkeit, das Spiel alleine zu bestreiten. (Horror-)Filmfans, insbesondere jene, die sich auch gerne mit entsprechenden Merchandise-Artikeln umgeben, dürften dabei allein schon aufgrund des „Universal Monster“-Themas ins Schwärmen geraten. Da Horrified von dem amerikanischen Ableger des Ravensburger Spieleverlags stammt, gibt es keine deutsche Ausgabe. Das Spiel schlägt mit ca. 55 Euro zu Buche, was gemessen am Spaßfaktor allerdings tatsächlich zu verschmerzen ist (zumal andere Spiele dieser Art sogar deutlich teurer sind). Die Monsterfiguren sind schön gearbeitet, scheinen allerdings nicht die stabilsten zu sein. Grob anfassen ist also nicht. Auch einige der Spielmaterialien wie z. B. die Aktionskarten hätten gerne aus etwas dickerer Pappe gefertigt sein dürfen. Schlussendlich ist dies jedoch meckern auf hohem Niveau und so gibt es für das Spiel Horrified eine glasklare Kaufempfehlung!

Spielt ihr gerne Brettspiele und habt ein paar tolle Tipps am Start? Dann immer raus damit!

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