Bildnachweis: © Netflix

"Godless" - Mini-Serie - Kritik

von Thomas Repenning

Wohl kaum ein Genre ist so vielseitig, facettenreich und im Kern so nah an Themen wie Freiheit, Kampf und Hoffnung wie der Western. Kein Wunder also, dass sich selbst heute noch regelmäßig Regisseure und Autoren dem rauen, staubigen, gefährlichen und scheinbar unendlichem wilden Westen widmen. Und nachdem Die Coen-Brüder mit True Grit – Vergeltung ein totgesagtes Genre zurück ins Leben holten, folgten danach unzählige Beiträge die schnell klarmachten: Noch ist lange nicht alles erzählt. Im goldenen Zeitalter der Serien durfte somit der geneigte Zuschauer ebenfalls auf einige Überraschungen im TV-Bereich hoffen. Egal ob Westworld, Hell on Wheels, The Son, Damnation oder Longmire – Enttäuschungen gab es wenig. Mit Godless wagte sich schließlich auch der Streamingdienst Netflix an das Thema und bot mit Showrunner Scott Frank (Ruhet in Frieden) und Produzent Steven Soderbergh (Logan Lucky) zwei große Namen, die zudem mit einem großen Cast, einem ordentlichen Budget sowie einem Versprechen nach einer regelrecht klassischen Geschichte ausgestattet waren. Und so klingt Godless auf den ersten Blick wie ein Western der alten Schule: Eine gnadenlose Jagd durch die Prärie, eine Stadt voller Furcht, ein schweigsamer wie mysteriöser Outlaw (Jack O'Connell) und ein biblischer Kampf auf Leben und Tod. Doch hinter Godless verbirgt sich noch weit mehr.

Dies lässt sich bereits in den ersten Minuten von Godless ausmachen: Während Licht, Schatten, Gewalt und Güte die Ouvertüre sind, breitet sich danach schnell eine Szenerie aus, die mit wahrhaft starken wie vielschichtigen Charakteren ausgestattet ist. Da wäre der gläubige wie rachsüchtige Bandenchef Frank Griffin (Jeff Daniels in der Rolle seines Lebens), der mit seinen Taten ganze Landstriche in Angst und Schrecken versetzt, aber auch getrieben von der Angst der Sterblichkeit langsam dem Wahnsinn verfällt, oder eben sein Gegenspieler Roy Goode (Jack O'Connell), der zwischen Flucht und Kampf wandelt und von seiner Vergangenheit heimgesucht wird. Doch auch abseits davon, bietet die Serie von Scott Frank jede Menge Figuren, die nicht nur die sehr ruhigen wie einprägsamen Folgen der Mini-Serie gekonnt tragen können, sondern auch den Zuschauer immer wieder auf Abenteuer mitnehmen, die begeistern können. Egal ob der fast blinde Scherriff Bill McNue (Scoot McNairy), seine taffe Schwester Mary Agnes (Merritt Wever) oder die kämpferische Rangerin Alice Fletcher (Michelle Dockery). Der komplette Cast ist nicht nur bemerkenswert, sondern liefert auch eine fantastische Performance ab, die noch lange nachwirken wird. Doch hier startet Godless erst.

Denn nachdem die Figuren in Stellung gebracht wurden, beginnt die eigentliche Jagd der Figuren: Sei es nach Liebe, nach Geld, nach Frieden, nach Rache oder nach einem Ausweg aus der Finsternis. Dies ist nicht nur unglaublich spannend, sondern findet mit der Stadt La Belle auch einen Mittelpunkt, der erzählerisch intensiver kaum sein könnte. Und hier beginnt dann Godless auch langsam seine Wandlung: Wo zu Beginn noch klassische Motive die Serie bestimmen, wird danach die Geschichte immer mehr durch offensive wie progressive Elemente aufgewertet. So ist La Belle eine Mienenstadt ohne Männer, was zwangsläufig die Frauenfiguren ins Zentrum stellt. Diese wiederrum sind keine wandelnden Klischees (auch wenn die Serie solche noch bedient), sondern kämpferische, aufopferungsvolle und auch teils tragische Charaktere mit Vergangenheit, die sich von nichts und niemanden etwas vorschreiben lassen. So durchbricht die Serie gekonnt die eigentliche patriarchische Schallmauer, die sonst viele Western umgibt. Hier können endlich auch Frauen im Fokus stehen, die eigenständig agieren, leiden, bluten und sterben. Alleine dafür verdient Godless größten Respekt. Wenn nämlich Mary Agnes die Liebe ihres Lebens in der ehemaligen Prostituierten und aktuellen Lehrerin Callie Dunne findet, oder die Künstlerin Martha (Christiane Seidel) ihr Leben in die eigene Hand nimmt und sich sogar gegen einen Pinkerton stellt, wirkt dies zu keiner Zeit aufgesetzt oder erzwungen, sondern im Fluss der Geschichte. Wahrhaft gelungen.

Doch auch dies gehört zur Wahrheit: Der friedvolle Horizont, der vom eisernen männlichen Einzelgänger gesucht wird, ist ebenso zu finden, wie der Scherriff, der nach der eigenen Männlichkeit sucht um doch noch wieder die Liebe zu finden. Die Mischung macht es eben und da kann Godless zumindest deutlich mehr vorweisen, als viele vergleichbare Produktionen. Abseits davon erzählt Godless aber auch regelrecht klassische Konventionen: So ist das Kapital verlogen, trügerisch und sexistisch (in Form des großen Minenkonzerns) und die Presse wird durch den schmierigen A.T. Grigg (Jeremy Bobb) zum Lügenblatt, welches einzig auf die Auflage schaut – und damit sogar Leben in Kauf nimmt. So bleibt die gezeigte Szenerie anarchistisch, wo Gerechtigkeit eben nur herrscht, wenn die Leute es in die eigene Hand nehmen und sich ihre Freiheit erkämpfen. Natürlich dabei mit einem ebenso klassischen wie imposanten Finale, welches in bester Tradition eines Wild Bunch oder Alamo steht. Was in Godless aber ebenso fasziniert ist die wunderschöne Inszenierung, die nicht nur weite wie kraftvolle Landschaften beinhaltet, sondern auch tolle Kamerafahrten und Figureneinstellungen, die das Geschehen noch deutlich untermalen und verstärken. Doch wo Schönheit ist, da ist aber auch das Hässliche nicht weit: Dies wird in Form von Frank Griffin grandios in die Serie eingebaut.

Wenn Frank seinen abgeschossenen Arm umherträgt oder in seiner scheinbar von Gott bestimmten Gnade als Erlöser auftritt, ist dies ebenso beeindruckend wie letztlich der Showdown zwischen Vater und Sohn (metaphorisch zumindest). Hier wird die Serie ihren Namen dann auch mehr als gerecht. Der biblische Kampf wird zur Frage nach dem Sinn. Und während Frank an das Schicksal glaubt, ist für Roy die Waffe die Erlösung. Beide straucheln aber mit ihrem Glauben und bewegen sich so auf den Pfad ihres unausweichlichen und epischen Duells. Der Rest hingegen sucht nach Gott oder baut – wie die Stadt La Belle – seinen eigenen Tempel. Hier zeigt Godless dann auch eine weitere Stärke: Die Idee sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und einfach etwas Neues zu erschaffen. Eine neue Liebe (gegen jede Widrigkeit), seinen eigenen Traum oder gar eine neue Welt, und zwar abseits des Bekannten. Die bittere Grausamkeit die Godless dabei Zuschauer offenbart, hat eine starke Gewichtung: Das stetige Gefühl des Verlustes wird ebenso transportiert, wie die Hoffnungslosigkeit an sich. Und so bieten manche Folgen auch eine unangenehme Tragik, die allerdings die Charaktere noch mehr formt.

Fazit

Godless ist eine atemberaubende Reise, welche gekonnt zwischen einer ungemeinen Progressivität sowie gar schon fast klassischen Konvention hin und herwechselt. Die (Frauen)Figuren sind stark, vielschichtig und unabhängig und die Geschichte steckt voller Brutalität, Freiheit, Rache, Liebe und dem eigentlichen Sinn allen Wahnsinns auf Erden. Western-Fans werden hier ebenso glücklich wie Neulinge, die eine ruhige aber auch actionreiche Serie suchen. Bitte mehr davon Netflix.

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