Weil ich mir immer etwas Mühe gebe, die „etwas andere“ Liste zu erstellen, habe ich mich gefragt, was die besten Schauspieler ausmacht. Ganz unmittelbar ist das natürlichein Gefühl der Vorfreude: Wenn Schauspieler X an Projekt Ymitarbeitet und man sich nur deswegen Interesse daran hat, dann ist das ein solider Anhaltspunkt für einen guten Schauspieler. Gefühle sind aber ein ganz mieser Maßstab, also habe ich weiter überlegt, worauf dieses Gefühl gegründet ist und damit von vorne herein eine Menge ausgeschlossen:
Eine aktive Karriere: Diese Liste bevorzugt ganz klar noch lebende Schauspieler. Es ist schwer, über den Legendenstatus eines Marlon Brando oder Charlie Chaplin zu diskutieren und wenn man so etwas einfließen lässt, wäre die ganze Liste schon voll. Solche Leute verdienen ihre eigeneListe.
Eine gute Rollenwahl: Je länger so eine Karriere geht, desto größer dieWahrscheinlichkeit, dass man eine unglückliche Richtung einschlägt und so etwas schädigt das Vermächtnis. Früher war für mich Robert De Niro einer der absolut größten, weil er einen in jeder Rolle davon überzeugt hat, dass er der Typ ist und nicht der Schauspieler. Mittlerweile macht er aber überwiegend lascheKomödien und ich verspüre keinerlei Interesse mehr, wenn ich von einem seiner neuen Filme höre.
Hingabe: Für seine Figuren tatsächlich Leidenschaft zu entwickeln und nur für die Wirkung kleine und stimmige Details an ihnen herauszuarbeiten – das sindHerzstücke einer guten Performance. Ein absolutes Negativbeispiel dafür ist Bruce Willis: So ungefähr nach The Sixth Sense hat er aufgehört, sich einen Scheißdreck um irgendwas zukümmern und entsprechend haben wir seit Ende der 90er nur vereinzelt mal passable Performances von ihm gesehen.
Reichweite: Ein wirklich guter Schauspieler sollte sich nicht in die Ecke von Typecasting drängen lassen, sondern neue Herausforderungen suchen undunterschiedliche Rollen spielen. So ein Kriterium hilft einem außerdem dabei, einen guten Schauspieler von einer beliebten Figur zu trennen. Vereinzelt hat Samuel L. Jackson schauspielerische Fähigkeiten gezeigt, aber seien wir ehrlich: In 85% seiner Filme spielt er ziemlich denselben (lauten) Typen. Ich mag ihn, aber großes Schauspiel ist das nicht.
10. Paul Dano
Paul Dano ist mit 34 Jahren noch relativ jung und ist mit seinem knabenhaften Aussehen vielleicht nicht für die allergrößte Blockbusterkarriere vorbestimmt, allerdings war er schon an einer beeindruckenden Menge anerkannter Filme wie There Will Be Blood, Little Miss Sunshine und12 Years a Slave beteiligt und hat durch seine Performances in Swiss Army Men und Okja von sich reden gemacht. Aus dem Jungen wird noch was!
Ehemals vor allem aus den dänische nKomödien von Anders Thomas Jensen (Dänische Delikatessen,Adams Äpfel,Men & Chicken) bekannt, hat Mads Mikkelsen den Sprung nach Amerika gemacht. Durch seine Rolle als Hannibal hat er in den letzten Jahren sogar so etwas wie einen Durchbruch in Hollywood geschafft, was meines Erachtens nach vor allem bedeutet, dass er an unterrepräsentierten Rollen wie Galen Erso (Rogue One) oder Kaecilius (DoctorStrange) verschwendet wird. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit wünsche ich mir immer noch, dass er mal als Roland Deschain für den Dark Tower gecastet wird.
Irgendwie ist mir immer noch ein Rätsel, wie Whitaker es strotz seiner eher dicklichen Statur und seinem Karl Dall Auge so bedrohlich zu wirken, wenn er es drauf anlegt: Damit ist jetzt nicht nur sein Idi Amin in Der letzte König von Schottland gemeint, sondern auch seine physischeren Rollen wie Ghost Dog.
7. Ben Kingsley
Ein ziemlich guter Beweis für Kingsleys Können sind seine Rollen in Gandhi und Sexy Beast. Beide sind auf ihre Art so intensiv, dass sie einem nochlange nachhängen, könnten aber unterschiedlicher gar nicht sein.
6. Tom Hardy
Hardy hätte sich schon längst fürActionfilme á la Dark Knight Rises oder Mad Max Fury Road typecasten lassen können, sucht aber immer wieder nach neuen Herausforderungen wie seinen Rollen in Bronson und Legend und hat scheinbar keine Angst, dafür auch „Rückschritte“ zumachen und weniger Geld zu verdienen. Zudem spricht es für seine Arbeitsmoral, dass er in den letzten fünf Jahren zwölf Filme und zwei Serien gedreht hat. Der Typ ist echt eine Maschine.
5. John Goodman
Man muss einfach vor einem Mann Respekt haben, der seine Karriere mit hinterletztem Trash wie C.H.U.D. (Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers) begann, sich dannü ber als Sitcom-Vater in Roseanne und Komödien wie The Big Lebowski langsam aber beständig mit zu einem anerkannten Schauspieler in etwas experimentelleren Filmen wie Red State und 10 Cloverfield Lane etabliert hat und allein dieses Jahr in vier Sommerblockbustern zu sehen ist. Der Typ ist echt absolut unnachgiebig.
Es ist zwar nicht richtig, dass jeder als Schauspieler Karriere machen kann, wenn er nur gut genug aussieht, aber ein Vorteil ist es allemal. Wenn einem dieser Vorteil fehlt, muss man doppelt so hart arbeiten und kriegt nicht mal die Hälfte der Anerkennung. Ich nenne das den Steve-Buscemi-Typus.Paul Giamattis Arbeit ist das beste an Cosmopolis, trägt Filme wie Sideways und American Splendor und ist der Grund, warum ich mir dringend Billions ansehen will. Er ist ein verdammt guter Schauspieler, der zu wenige Möglichkeiten bekommt und in großen Filmen fast ausschließlich als trotteliger Schurkewie Rhino in Amazing Spider-Man 2 oder Hertz in Shoot 'emUp gecastet wird.
Schon in seinen ersten Rollen war Edward Norton richtig stark. Trotz einer gewissen Neigung zu dualen Charakteren (Primal Fear, Fight Club, Leaves of Grass, IncredibleHulk, etc.) hat er eine ziemlich beeindruckende Karriere und ist sich trotzdem nicht zu schade, ganz kleine Rollen wie in Moonrise Kingdom zu übernehmen oder für einen albernen Fake Trailer einen Brückeninspekteur zu mimen.
Ob er nun den widerwärtigen Amon Goeth in Schindlers Liste darstellt,das bemitleidenswerte Monster Francis Dolarhyde in Roter Drache oder den oberflächlichen aber absolut charmanten Concierge Gustave H. in Grand Budapest Hotel: Ralph Fiennes nuancierten Performances ist es zu verdanken, dass diese Charakterebeim Zuschauer komplexe Empfindungen hervorrufen und so überhaupt in ihren Filmen funktionieren.
1. Gary Oldman
Jahrelang skandierten Fans von LeonardoDiCaprio, dass es ein Unding sei, dass der Mann noch keinen Oscarbekommen hatte. Die Forderung war vielleicht berechtigt, aber der bei weitem größere Oscar Snub ist Gary Fucking Oldman.
Selbst wenn seine Filme nicht immer Weltklasse-Niveau haben: Seine Performance ist ausnahmslos großartig.
Neben charismatischen Schurkenrollen wie Emanuel Zorg in Das fünfte Element, Drexl in TrueRomance und Stansfield in Leon – der Profi war der Typauch noch Sid Vicious, Ludwig van Beethoven, Graf Dracula, Comissioner Gordon und Lee Harvey Oswald und er hat die Rollen alle gerockt! Der Typ hat nicht einfach nur die relativ seltene Fähigkeit Akzente und Dialekte wirklich gut hinzukriegen – er hat so ziemlich jede seiner Rollen mit einer charakteristischen Sprechweise ausgestattet, die er für andere Rollen nicht wieder verwendete.
Es ist einfach ein Testament für einengroßartigen Schauspieler, wenn Filmfans eine Rolle an nur einem einzigen, ganz gewöhnlichen Wort erkennen: