Inhalt
Westeros, rund 200 Jahre vor dem Tod von König Robert Baratheon: Der gütige König Viserys Targaryen (Paddy Considine) herrscht über die sieben Königreiche. Er erklärt seine Tochter Rhaenyra (Emma D'Arcy, jung: Milly Alcock) zur Thronfolgerin - obwohl noch nie eine Frau auf dem Eisernen Thron saß und er mit seiner zweiten Frau Alicent Hightower (Olivia Cooke, jung: Emily Carey) auch noch Vater mehrere Söhne geworden ist. Nicht nur Alicents Vater Otto (Rhys Ifans), als "Hand des Königs" Viserys' engster Berater, hält seinen Enkel Aegon für den würdigeren künftigen König. Obwohl Rhaenyra und Alicent sich einst nahestanden, werden sie nach Viserys Tod zu erbitterten Gegnerinnen.
Ersteindruck
Drei Jahre nach der umstritten aufgenommen und vielfach diskutierten finalen Staffel der HBO-Erfolgsserie Game of Thrones steht die Prequelserie House of the Dragon in den Startlöchern. Getreu des Titels gibt es in dieser vordringlich Einblicke ins Haus der Targaryen-Dynastie: weißhaariges Ränkeschmieden, familiäres Intrigieren und jede Menge Drachen. Bereits ein Blick in den Trailer verriet und ein Ersteindruck bestätigt, dass sich das Spin-Off in Sachen kinoreifer Optik und detaillierter Ausstattung nicht vor der Mutterserie verstecken muss. Darüber hinaus verdeutlicht die erste Folge etliche Parallelen aber ebenso narrative Unterschiede zur ehemals gefeierten Ursprungsserie, deren einstige Stärken wie auch wiederkehrende Schwächen sich in der dreiundsechzig minütigen Pilotepisode „The Heirs of the Dragon“ andeuten.
Bereits im atmosphärischen Cold-Opener, der nicht weniger als den Grundstein für den in dieser Staffel ausgewählten Teil der Targaryen-Historie legt, verliert die Serie keine Zeit, eine Vielzahl an Charakteren und Orten zu etablieren. Zwar beschränkt sich House of the Dragon überwiegend auf die titelgebende Königsfamilie und fokussiert die altbekannte Hauptstadt Königsmund zunächst als zentralen Handlungsort, bietet jedoch nicht weniger Input, um sich in der fiktiven Welt zurechtzufinden. Neben der zügigen Exposition der Figuren, Namedropping für die Fans und der Andeutung außerhalb Königsmund existierender Gefahren stellen sich außerdem die familiären und politischen Konfliktherde ein. Besonders prominent: die eingeschränkte Rolle der Frau, die in zahlreichen Dialogen von den unterschiedlichst dem Patriarchat unterworfenen weiblichen Charakteren reflektiert und mitunter bitter kommentiert wird.
Einfach ist es nicht, den durch ihre grausame und ungerechte Welt geprägten Figuren, allen voran den männlichen, etwas abzugewinnen, wohl aber sie schon nach kurzer Zeit bei ihrem Intrigenspiel und ihrer zwielichtigen Einflussnahme zu beobachten. Das zeigt sich wie bereits bei Game of Thrones nicht nur oberflächlich, sondern oft in unkommentierten Blicken oder ausgewählten Worten, die, wenn man nicht mit der Vorlage vertraut ist, nach der Episode wie gewohnt zur Deutung einladen. Möglich wird das auch durch die überzeugenden Darsteller*innen und die fortgeführte Grauzeichnung vieler Figuren, die zwar kein fragwürdiges Verhalten oder getroffene Entscheidungen rechtfertigt, die jedoch häufig eine Form der Nachvollziehbarkeit ermöglicht. Egal mit welchem (Bei-)Namen oder welcher Eigenschaft Figuren gebrandmarkt scheinen, ihre Ambivalenz zu erkunden, wird die Serie in ihrem weiteren Verlauf hoffentlich nicht vernachlässigen.
Symbolisch aufgeladen sind neben einzelnen Figuren auch etliche Szenerien, die durch ihre örtliche oder narrative Verbindung zu den Geschehnissen aus Game of Thrones insbesondere für Fans ganz eigene Dimensionen entfalten. Stellenweise wirkt House of the Dragon fast bemüht, sich in Verbindung mit Game of Thrones zu bringen, wenn plötzlich geheimnisumwobene Weissagungen zur Sprache kommen, die in dieser Zeit beinah deplatziert scheinen. Hinweggetröstet über flache Verweise wird das Publikum mit bildgewaltigen Aufnahmen, die bei der Kinopremiere der ersten Folge wohl erst recht ihre vollständige Wirkung entfalten konnten. Miguel Sapochnik (Finch) führt den Stil, mit dem er in Game of Thrones Episoden-Highlights wie „Die Schlacht der Bastarde“ oder „Die Winde des Winters“ inszenierte, fort und auch Ramin Djawadis Score darf die Arme der Zuschauer*innen wieder mit Gänsehaut bespielen.
Und wie ist es mit der Gewalt? Hat House of the Dragon aus berechtigter Kritik an Game of Thrones und dessen sexualisierter Gewaltdarstellungen insbesondere gegenüber Frauen gelernt? Aus Gewaltszenen zum Selbstzweck oder zur bloßen Schockierung? Schwer einzuschätzen nach nur einer Folge, in der jedoch bereits an mehreren Stellen daran erinnert wird, wie gewaltvoll und grausam die Welt Westeros ist und in der auf den Male-Gaze zugeschnittene Sexposition noch nicht ganz aus dem Weg geräumt scheint. An anderer Stelle ist da eine deutlichere Entwicklung zu beobachten, die sich in Sachen Inszenierungsaufwand zusehends von der ersten Staffel Game of Thrones abhebt und etwa ein Turnier in seiner der Geschichte angemessenen Größe und Popanz die anfängliche Erdung der Vorgängerserie missen lässt.
Vorab-Fazit
"House of the Dragon" schließt nahtlos an die Bildgewalt und den Detailreichtum der Mutterserie an, bietet reichlich Stoff für mehrschichtiges Intrigenspiel, ein gestrafftes Pacing und ähnliches Kritikpotential wie sein Vorgänger. Der Erzählrhythmus ist hoch, genau wie die Informationsdichte, die gerade Neueinsteigenden das Kennenlernen nicht einfach machen dürfte. Ist der Sog einmal entfacht, setzt auch diese Serie ihren Kurs, ein episches Fantasy-Spektakel zu werden, welches durch die Konzentrierung auf eine Königsfamilie vermutlich nicht die thematische und visuelle Vielfalt seiner Ursprungsserie erreichen wird, das Intrigieren jedoch fast noch deutlicher in den Vordergrund stellt als "Game of Thrones" selbst.