Bereits am vergangenen Freitag, dem 19.7.2019, erlag Rutger Hauer im Alter von 75 Jahren für Außenstehende überraschend und unvorbereitet einer bisher nicht genauer veröffentlichten, schweren Erkrankung. Zunächst wurden Meldungen über sein Ableben auf Twitter als Fake-News dargestellt, wofür auch die Tatsache sprach, dass selbst seriöse Nachrichtenportale darauf nicht eingingen und erst Tage danach dort vereinzelnd darüber berichtet wurde, wobei eine gewisse Ungewissheit wohl immer noch im Raum schwebte (erste seit dem 24.7. gilt die Todesmeldung als offiziell bestätigt). Nun, einen Tag nach der Beisetzung in seiner niederländischen Heimat gilt es als unumstößlich: Der fabelhafte Rutger Hauer weilt nicht länger unter uns. Erstaunlich, angesichts seiner noch bis zuletzt nach außen offen zur Schau gestellten, physisch wie psychisch stabilen Konstitution. Aber Genaueres wird halt nur das private Umfeld über das überraschende Dahinscheiden einer unterschätzten Ikone sagen können. Ein Europäer, der auszog, um Hollywood zu erobern und der um Haaresbreite davor stand, dieses in kürzester Zeit sogar zu verwirklichen.
Geboren am 23.1.1944 in Breukelen in der Provinz Utrecht verdiente sich der junge Rutger seiner Sporen erst durch harte, ehrliche Arbeit, bevor er der Tradition seiner Eltern folgte und Schauspielunterricht nahm. Mit Erfolg. Ein erstes, festes Engagement wurde die Besetzung in der niederländischen Fernsehserie Floris – Der Mann mit dem Schwert, bevor er auf Paul Verhoeven traf und sie gemeinsam ihre internationale Erfolgsgeschichte begannen. Türkische Früchte war 1973 die erste Zusammenarbeit und bis heute in aller Munde. Drei gemeinsame Filme später landeten beide in den USA, aber nicht sofort gemeinsam. Sein US-Debüt gab Hauer als Gegenspieler von Sylvester Stallone in Nachtfalken (1981), in dem er allein durch seine markante, diabolische Präsenz selbst einem Sly trotz dessen legendären Fummeltrienen-Auftritt zu Beginn mühelos die Show stahl. Gesegnet mit einer nicht zu erlernenden Leinwandpräsenz und diesem natürlichen Charisma, was ihn sofort für höhere Aufgaben empfahl. Und sie sollten auf dem Fuße folgen.
Den direkten Anschluss bildete die Rolle des rebellischen Replikant Roy in Ridley Scotts zunächst verschmähten, später zurecht geadelten Geniestreichs Blade Runner, der Hauer trotz „nur“ einer Nebenrolle schon unsterblich gemacht hätte. Inklusive einer denkwürdigen Monologzeile, die wahrscheinlich jeden Nachruf zieren wird. Schicksal. In der Folgezeit schwankte es immer zwischen ganz großem Durchbruch und Problemfall. Denn obwohl ihm theoretisch grandiose Projekte angeboten wurden und er natürlich sofort mitwirkte, der Erfolg war nicht zwingend gegeben. Nicolas Roegs Eureka entpuppt sich als krachender Flopp, auch Sam Peckinpahs letzter Film Das Osterman-Weekend wurde (viel zu) harsch kritisiert. Selbst die Wiederzusammenführung mit Paul Verhoeven bei dem Mittelalter-Edel-Exploiter Fleisch & Blut wurde weitestgehend in der Luft zerrissen, obwohl das genau diese Art von Film war, die das Genre – und Hollywood – mal dringend gebraucht hatte. Eine Reihe wunderbarer Arbeiten, neben dem romantischen Märchen Der Tag des Falken nur gekrönt durch sein Paradestück: „Say four words: I want to die!“
Mit Hitcher, der Highway Killer erreichte Rutger Hauer erstmals den Gipfel als Leading Character in einer US-Produktion. Und obwohl sie „nur“ aus dem Hause Cannon kam, aber heute kaum noch damit verbunden wird. Was stellvertretend für die Einzigartigkeit dieses Masterpiece des Horrorfilms steht. Sein Peak, danach ging es leider deutlich bergab. Stetig beschäftigt, aber wahrscheinlich musste er sich der Gretchenfrage stellen: Will ich ein selten gebuchter, Foreign-Nebendarsteller in hochwertigen Produktionen sein, oder lieber konstant sicheres Geld als Zugpferd in relativ lukrativen B-Movies einstreichen? Der Rest ist leider Geschichte. Ab da war Rutger Hauer in der Regel ein immer noch gerne gesehener Gastgeber in oftmals halbgaren, aber selten richtig schäbigen B-Movies wie Blinde Wut, Die Jugger – Kampf der Besten, Wedlock, Split Second oder Surviving the Game. Sie alle adelte er tatsächlich allein durch seine Anwesenheit. Die späten 90er, sie waren wirklich dürftig, da konnte auch der inzwischen verblichene Starkult nichts mehr retten.
Mit einer kleinen, aber auffälligen Nebenrollen in George Clooneys Regiedebüt Geständnisse - Confessions of a Dangerous Mind startete er so was wie eine Cameo-Alters-Offensive. Tauchte spartanisch, aber immer auffällig in Filmen wie Batman Begins oder Sin City auf, aber dabei blieb es auch. Die Hauptrollen waren nicht mehr der Rede wert. Mit Kurzauftritten in Valerian – Die Stadt der tausend Planeten oder The Sisters Brothers beendete er heimlich, still und leise eine Karriere, die so viel mehr zu bieten im Stande gewesen wäre. Aber so wie sie war, immer noch einen ehrenvolle Verbeugung wert ist: Gute Reise, alter Weggefährte. Legende…zumindest für mich. Und ihn kurz vor seinem Tod nochmal persönlich getroffen zu haben, stimmt mich umso glücklicher. „All those moments will be lost in time, like tears in the rain. Time to die.“