Für die ARD war es mit Sicherheit einer der größten Coups ihrer jüngeren Geschichte: Die Verpflichtung des deutschen Vorzeigeschauspielers und Erfolgsgaranten Til Schweiger für den Hamburger „Tatort“. Bereits früh nach dieser Meldung türmten sich die Gerüchte und vor allem Aussagen der Involvierten. Schweiger wollte auf den traditionellen Vorspann verzichten und versprach mehr Action, Explosionen und Tote als man es sonst vom altehrwürdigen „Tatort“ gewohnt ist. Der Vorspann blieb unangetastet, aber in Sachen Body Count und Krawall-Faktor hielt Schweiger Wort.
Gleich sein erster Einsatz als Hamburger Kommissar Nick Tschiller war vollgestopft mit rabiaten Schusswechseln und zerschossenen Körpern. Das sollte aber erst der Anfang sein, denn nachdem der zweite „Tatort“ mit Schweiger fertig war, kamen den Verantwortlichen die Idee eine Trilogie zu machen. Als wäre dieses Unterfangen in der Historie des „Tatort“ nicht genug, sollte der dritte Teil, also der Trilogie-Abschluss, nicht bloß im TV gezeigt werden, sondern im Kino. Dieses Privileg hatte zuvor nur Götz George, der in den 1980ern als Horst Schimanski für Furore sorgte. Anders als der Schimanski-Kinoausflug erwies sich „Tschiller: Off Duty“ allerdings als kapitaler Flop. Mag sein, dass der Film im Heimkinobereich wenigstens sein Budget wiedereinspielt, im Kino jedenfalls war er davon meilenweit entfernt.
Das und die unausweichlichen Hämrufe gegenüber diesem „Tatort“-Großprojekt und Schweiger selbst ändert aber nichts daran, dass Schweigers Kommissar nun zur Ausstattung des „Tatort“ gehört und auch wenn Schweigers Polemiken, die er gerne und häufig dem Format entgegenbrachte, nicht sonderlich elegant waren, trafen sie doch für viele den richtigen Kern. Denn auch wenn jeden Sonntagabend ein großes Millionenpublikum zuschaut, gibt es nichtsdestotrotz doch auch ein Publikum, die den „Tatort“ für zu piefig halten. Kommissar Tschiller sollte für diese Zuschauer sein und wer die regulären TV-Ausstrahlungen oder Mediathek-Deadlines verpasst hat, bekommt nun die Chance alle vier bisherigen Tschiller-Einsätze zu sehen und zwar auf DVD und Blu-ray. Für unsere Rezension stand uns die Blu-ray-Box zur Verfügung.
Bereits sein zweiter mit dem Titel „Kopfgeld“ erweist sich als noch härter aber damit auch noch redundanter. Der Ehrgeiz Actiongrößen - oder besser gesagt gegenwärtig populäre Actionfilme wie etwa „96 Hours – Taken“ - in Deutschland Konkurrenz machen zu wollen – und dann auch noch als TV-Produktion – verschlingt fast sämtliche andere Aspekte. Was übrig bleibt ist eine dumpfe Ansammlung von lieblosen Genre-Verbeugungen und eine wirklich ungemein unangenehme Tendenz zum blanken Rassismus. Denn hier ist außer Tschillers Buddy Yalcin wahrlich jeder Nicht-Kaukase eine Bedrohung und Bedrohungen werden bei diesem „Tatort“ nur auf eine Art und Weise behandelt: Mit der Waffe. Gut, über diese Hässlichkeit ließe sich vielleicht hinwegsehen, wenn „Kopfgeld“ wenigstens irgendetwas besäße was ein gewisses Maß an Interesse weckt. Aber Abseits seiner Actionszenen erweist sich der Film als ziemlich bräsige Talfahrt, im Dunst größerer und vor allem besserer Vorbilder.
Mit „Der große Schmerz“ beginnt dann die „Tschiller: Off Duty“-Trilogie und ja, Schlagerstar Helene Fischer spielt wirklich mit und sie spielt nicht etwa sich selbst oder eine Musikerin sondern eine mysteriöse Auftragskillerin namens Leyla. Das geht allerdings ziemlich in die Hose. Hier soll jetzt nicht auf Frau Fischer herumgetrampelt werden, aber im darstellerischen Bereich liegt ihr markantestes Talent mit Sicherheit nicht. An ihr liegt es aber nicht alleine, dass „Der große Schmerz“ ähnlich in die Binsen gegangen ist wie „Kopfgeld“.
Genau wie dieser liegt es erneut wieder an diesem verdammten Versuch aus einer Actionmücke einen Elefanten zu machen. Um Action um jeden Preis, keine Kompromisse und wenn die Kugel erstmal in den Beton einschlagen und die Stuntmänner durch die Gegend fliegen, ist es eben auch vollkommen egal, dass die Geschichte, ihre Figuren und das Pacing leider ziemlich verkorkst ist. Und ja, genau die gleichen Kritikpunkte lassen sich auch auf den zweiten Teil der Trilogie anwenden, die den schnieken Titel „Fegefeuer“ trägt und in dem Nick Tschiller diesmal sogar mit Terroristen zu kämpfen hat – natürlich in maskuliner, härtester Ernsthaftigkeit.
Die Blu-ray: Alle vier Episoden des Hamburger „Tatort“ mit liegen in der Box als Director’s Cut vor und sind im Gegensatz zu den TV-Fassung ungekürzt und um jeweils bis zu 6 Minuten länger. Bild und Ton sind makellos und wenn mal wieder die Schusswaffen zum Einsatz kommen, darf die heimische Soundanlage auch mal wieder die Nachbarn piesacken. Extras findet man so gesehen leider keine, allerdings gibt es eine fünfte Blu-ray in der Box, die auch das klare Highlight ist. Darauf befindet sich nämlich die erweiterte, knapp 77minütige Episode der ARTE-Reihe „Durch die Nacht mit…“.‚
In diesem Format werden zwei Prominente bei einer nächtlichen Tour durch eine Großstadt begleitet. Die Sendung wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. In der Folge, die es auf die Blu-ray geschafft hat, geben sich natürlich Schwieger und sein Kollege Yardim die Ehre. Die Freunde besuchen u.a. gemeinsam eine Sprachschule (einer muss ja mal was gegen Schweigers Nuscheln machen) und testen sich auf ihre WG-Tauglichkeit. Wirklich verdammt sehenswert, egal was man von den Tschiller-Filmen hält. Die Box kommt von Warner Home Entertainment und ist ab sofort im Handel erhältlich.‚
Fazit: Klare Sache! Wer mit Ti Schwieger als Hamburger Action-Kommissar etwas anfangen kann, macht hier wenig verkehrt. Zuschauer, die noch keinen Teil der Reihe gesehen haben, sollten aber vielleicht lieber auf eine Wiederholung im TV warten, die es sicherlich geben wird, spätestens dann, wenn „Tschiller: Off Duty“ im Free TV läuft.