DIE TOP FILME 2021:
1. Memoria
Weil wir zuhören sollten.
2. Licorice Pizza
Weil niemand gern erwachsen wird (oder es bereits ist).
3. Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Weil uns keine Wahl bleibt als schwimmen zu lernen.
4. Herr Bachmann und seine Klasse
Weil wir manachmal alle wieder in die 6te Klasse müssten.
5. Red Rocket
Weil wir im Kapitalismus letztendlich alle splitterfasernackt darstehen.
6. Evangelion 3.0 + 1.0 Thrice Upon A Time
Weil wir die Welt nicht neu bauen, sie aber besser machen können.
7. Drive My Car
Weil mit jemandem eine Zigarette zu teilen besser sein kann als jede Therapiestunde.
8. Inside
Weil wir immer gegen die Einsamkeit antreten müssen.
9. The Worst Person in the World
Weil das Leben manchmal nur in Kapitel geteilt einen Sinn macht.
10. The Green Knight
Weil der Tod besser ist als ein Leben in Schande.
DIE FLOP FILME 2021:
1. Bad Luck Banging or Loony Porn
Publikumsbevormundendes, unerträglich prätentiöses Dödelkino in Form einer erweiterten Power-Point Präsentation. Absolutes Nicht-Kino.
2. Eternals
Überlanger Esoterikkitsch, welcher in seinem selbstgratulierenden Diversity-Fishing und seiner aufgeblähten Langeweile nichts von Menschen, geschweige denn von "Übermenschen", versteht. Bei Disney ist das aber nicht überraschend.
3. Don't Look Up
Die plöden, plöden Republikaner vermasseln mal wieder alles und die Leute hängen ja nur an ihren Smartphones. Wie ein christlicher Propagandafilm für Liberale. Adam McKay, kehr zu Will Ferrell zurück!
4. Songbird
Kino für Covid-19 Leugner und Impfgegner. Rette sich er kann!
5. Halloween Kills
Alles was am gegenwärtigen Horrorkino nervt. Trauma hier, Trauma da, "damals vor 40 Jahren", Hysterie und dazu erzwungene tagesaktuelle Politikanspielungen. Dieser Michael Myers ist ne Schnarchnase.
MOST WANTED FILME 2022:
Crimes of the Future
The Way of the Wind
MEIN SERIENJAHR 2021:
Mhm, gab es nicht wirklich. Ich habe dieses Jahr eine (1) Serie geschaut und das war Master of None: Moments in Love, welche ich mir mehr oder weniger als Film an einem Stück gegeben habe. War aber sehr schön.
Fazit:
Wie soll man nach so einem turbulenten Jahr ein Fazit ziehen? Kino in Deutschland war bis zur Hälfte des Jahres durch Covid-19 auf Eis gelegt. Ich persönlich bin seit Ende August in den Vereinigten Staaten in einem Auslandsjahr aus welchem ich das beste machen will. Hier stehe ich vor einer geografisch und kulturell neuen Welt für mich. Die Welt selbst muss sich aber auch neu finden.
Dazwischen gibt es ja noch die Liebe meines Lebens, das Kino, pathethisch ausgedrückt. Nachdem der Lockdown Mitte des Jahres gelockert wurde und wir alle wieder etwas Leben spüren konnten, so wurden wir geflutet mit all den verzögerten Filme der vorherigen Monate. Und was waren das für Filme? Weiterhin ganz viel MCU-Unsinn und etlich viel Remake/Sequel/Reboot-Wahn. Beides Trends, welche sich in den letzten Jahren immer verschlimmert haben. Nur scheint jetzt der Eindruck vorzuherrschen, dass uns als Publikum die kritische Distanz zu beiden Strömungen fehlt. Stattdessen ergötzen wir uns umso schamloser an Nostalgie und fehlgeliteter Dankbarkeit obgleich der wohltuenden Bestätigung und der sanften Berieselung nach den harten Corona-Monaten.
Wir befinden uns hier in einem interessanten ideologischen Moment, den alle Medienprodukte scheinen immer mehr ineinander zu verschwimmen. Was mit dem verbundenen Universum des MCU begann hat sich inzwischen auf fast alle Bereiche gedehnt. Der mit Abstand wichtigste, wenn auch keineswegs beste, Film des Jahres, Space Jam: A New Legacy, prophezeit ein Zeitalter, in dem aus allen Warner Bros Produktionen nur noch eine einzige, intergalaktische Suppe geworden ist. Ob es Kino oder Streaming ist spielt da keine Rolle mehr, es ist nur noch ein leeres Spektakel in denen IPs wie Masken beim Karneval über die Leinwand tanzen oder als leere Hologramme einem simulierten Basketballspeil zujubeln. Das logische Endpunkt einer kapitalistischen (Re)produktionsschleife, die sich selbst auffrisst. Es wäre ein zutiefst zynischer Film, steckte in ihm nicht eine verzweifelte Selbsterkenntnis: Zu Beginn spricht LeBron James dem gesamten Publikum aus der Seele, wenn er anmerkt, das niemand ihn digital in anderen Medienproduktionen eingefügt sehen will. Der Film selbst scheint dies zu ignorieren, denn folglich kriegen wir die Looney Tunes (in Kombination mit LeBron) in Matrix, Mad Max und anderen Warner Bros Filmen digital eingefügt zu sehen.
Space Jam: A New Legacy begreift sich jedoch soweit selbst als Missgeburt einer neuen Geschäftsstrategie. So sehr der Film LeBrons Statement in all seinen restlichen Minuten auch zu ignorieren versucht, so hat der Film immer noch mehr Self Awareness als bespielsweise ein Film wie Free Guy, welcher so etwas wie den Fox/Disney Gegenpart als schamloses IP-Fest gibt. Während sich Space Jam: A New Lagacy noch selbst verabscheut ist Free Guy so dermaßen naiv, das er seinen eigenen Widerspruch nicht versteht: Als Antagonist fungiert Taika Waititi als fieser Gaming Mogul, der am liebsten aus jeder Idee ein ganzes Franchise erbauen will. Die Helden dieses Filmes kämpfen also im Sinne der Originalität und der neuen Ideen. Die bittere Ironie hier ist, das Free Guy keine Minuten vergehen lässt, ohne einen mit Marvel, Fortnite und anderen Anspielungen aus bekannten Werken zu bombardieren. Es ist der mit Abstand zynischste Film des Jahres, weil er das Publikum nur mit wiederverwendeten Ideen bombardiert, es aber dennoch mit der Erkenntnis entlässt, auf der Seite der Kreativität zu stehen.
Man kann hier argumentieren, das es sch bei beiden Filmen um belanglose Blödelkost handelt, aber diese Filme machen etwas vollständig explizit, was dieses Jahr auf großer Ebene sich durch alle Blockbuster zieht: Das Verschwimmen aller Filme, aller Ideen, in eine großer Soße aus Businessstrategien und Algortihmusunterhaltung. Die Krönung zu all dem bot dieses Jahr zu Ende Spider-Man: No Way Home als die endgültige Wiederverwertung von allen Filmen um den allseits geliebten Spinnenmann. Ein Film, der die Tobey / Andrew, wie auch die MCU-Fans nun alle unter ein Dach bringt und ein weiteres, unerträgliches Loblied auf den Zusammenhalt singt. Man ergraut sich vor dem vielleicht "letzten" Star Wars-Film (wann auch immer der erscheinen wird) als dementsprechendes Equivalent, der alle Prequel-/Original-/Sequel-Fans zusammenbringen soll. Fast wie eine perfekt kalkulierte Reaktion zu No Way Home, aber eigentlich für das gesamte Jahr, veröffentlicht Lana Wachowski eine Woche später Matrix Ressurections. Hier ist aus der Realität innerhalb der Simulation ein Videospiel, ein einziges Produkt geworden, vonproduziert Neo, dem Auswerwählten, für den das reale nur noch ein ferner Traum ist. Das Profane, das Reale, das was wirklich mal etwas bedeutet hat, wurde so lange wiederverwendet, modifiziert, angepasst, bis daraus nur noch eine einzige Trivialität geworden ist. Dieser Film spricht verglichbar zu unserem aktuellen, kulturellen Moment, wie es das Original 1999 tat.
Schade ist nur das es ein Film bleibt, der nie darüber hinaus kommt. Am Ende sieht Lana Wachowski nur die unzerstörbare Liebe als Flucht aus der Simulation. So ehrlich und gut gemeint das alles ist, es ist dieselbe Binsenweisheit mit der uns Disney, Warner Bros oder auch die unendliche Stangenware an, aus Umfragen und Algorithmusberechnungen erzeugten, Netflix-Produktionen bei Laune und bei Schlaf halten. Wie entkommen wir also dieser ewigen Simulation?
Vielleicht liegt die Rettung ja im Banalen? Wenn ich auf meine Lieblingsfilme dieses Jahr blicke, so erkenne ich die Macht der kleinen Gesten und Momente. Die Bedeutung des Alltags und der Menschen, die diesem immer wieder begegnen. Kein besseres Beispiel fällt mir hier ein, als Dieter Bachmann (aus Herr Bachmann und seine Klasse), der seinen Schüler*Innen so viel mit auf den Weg gibt, ohne selbst ein Genie oder sogar ein herausragendes Individuum zu sein, sondern einfach, weil jemand seinen Job machen muss und es ihm lieber ist, wenn er ihn macht als irgendjemand anderes. Herr Bachmann ist für mich nicht mehr oder weniger der größte Kinoheld des Jahres. Daneben gibt es Antihelden wie Mikey Saber (Red Rocket), der die moralisch verwerflichsten Taten begeht um endlich aus seiner Armut zu entkommen. Dazwischen wandeln neutrale Pole wie Julie (The Worst Person in the World) oder Alana (Licorice Pizza), die perfekt das Gefühl verkörpern, mit Mitte 20 bereits alles falsch im Leben gemacht zu haben. Beides keine Figuren, die sich vor uns erst beweisen müssen, die aber direkt zu uns sprechen. Groß ist auch die Liebesgeschichte zwischen Jakob und Cornelia (Fabian oder der Gang vor die Hunde), die es nur einen Moment lang in der Geschichte eines Landes gab. Was Dominik Graf's Film so großartig macht, ist seine Fähigkeit, dieser Liebe auf unprätentiöse Art und mit zärtlichsten Gesten so viel emotionales Gewicht abzugewinnen, sodass uns die Geschichte von Jakob Fabian, als der vielleicht letzte, ungesungene Idealist eines Deutschlands vor dem alles zerfressenden Faschismus, und eine Zeit, in der noch alles möglich schien, uns als pochende Erinnerung in unser Heute mitgegeben wird.
Vielleicht müssen wir auch lernen, empfänglicher zu sein für eine neue Art des Schauens oder eher, auch des Zuhörens. Wir werden unser Sehnen nach dem Bekannten und Vertrauten wohl nie abschütteln können, aber ich bin mir nicht so sicher, ob das zwingend etwas schlechtes sein muss. Im Idealfall finden wir etwas, was wir lange vergessen haben, nach dem wir uns aber unterbewusst die ganze Zeit gesehnt haben. Mein Lieblingsfilm dieses Jahr, Memoria, handelt von so einer Erinnerung, einem, wie die Protagonistin Jessica betont, "rumble from the core of the earth". Was als Ruf einer, vielleicht persönlichen Krise, beginnt, endet als Reise in das Geheimnis des Universums.
Ich will das hier nicht prätentiöser machen, als es bereits ist. Mich hat das Kinojahr 2021 unterm Strich einfach nur gelehrt, das wir aufmerksamer sein müssen und nach solchen Erinnerungen suchen müssen.
2022 wird kommen. Wir müssen nur bereit sein.