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"Black Mirror" - Staffel 4 - Kritik

von Patrick Reinbott

Story

Diese Sci-Fi-Anthologieserie spielt in einer bizarren hochtechnologisierten Zukunft, in der die größten Innovationen der Menschheit auf ihre dunkelsten Instinkte treffen.

Kritik

Stößt auch ein großartiger Satiriker und Kreativkopf hinter beklemmend präzisen Science-Fiction-Dystopien wie Charlie Brooker (Dead Set) einmal an seine Grenzen? Nachdem die von ihm kreierte Serie Black Mirror zunächst über zwei Staffeln fürs britische Fernsehen produziert wurde und aus jeweils drei Episoden bestand, die gemäß dem Anthologie-Format wie eigenständige, voneinander unabhängige Kurzfilme funktionieren, übernahm der Streaming-Dienst Netflix nach den ersten beiden Staffeln die Produktion sowie den Vertrieb der Serie. Die dritte Staffel, die aufgrund eines deutlich gesteigerten Budgets gleich sechs Episoden umfasste, stellte hinsichtlich des Wechsels hinter den Produktionskulissen sogleich einen qualitativen Siegeszug dar. Brooker, der wieder fast alle Drehbücher der Serie im Alleingang schrieb und mit wechselnden Regisseuren verwirklichte, schien weiterhin ungebremst darin zu sein, der Menschheit auf höchst originelle, vielfältige Weise einen düsteren Spiegel vorzuhalten und sie mit den fatalen Konsequenzen moderner Technologien zu konfrontieren, die sich längst gegen den Nutzer gewendet hat. Mit Spannung und Vorfreude durfte man sich daher auf die vierte Staffel freuen, die wieder sechs Episoden umfasst und von Netflix wie gewohnt komplett am 29. Dezember 2017 zum Streaming bereitgestellt wurde.

Umso ernüchternder ist die Erkenntnis, dass Black Mirror in dieser vierten Staffel erste Abnutzungserscheinungen und enttäuschende Fehlschläge aufweist. Könnte es daran liegen, dass der Blick in soziale Netzwerke oder auf das allgemeine Weltgeschehen im Jahr 2017 bereits genügend deprimierende, nachdenklich stimmende oder bedenkliche Auswirkungen entfaltete? Recht stimmig beginnt die neue Staffel zumindest noch mit der ersten Episode USS Callister. In dieser spielt ein wieder einmal glänzend aufgelegter Jesse Plemons (Breaking Bad) den introvertierten, schüchternen Programmierer eines beliebten Online-Multiplayer-Spiels der Firma Callister Inc.. Wenn er sich nicht im Büro der Firma, die er entscheidend mit aufgebaut hat, hinter der Tastatur verkriecht und vom eigentlichen Geschäftsführer belächelt und benachteiligt wird, kompensiert er sein vereinsamtes Dasein zu Hause mit einer eigens modifizierten Version des von ihm entwickelten Spiels.

In dieser virtuellen Welt, die unübersehbare Parallelen zum Inneren sowie der Besatzung des Enterprise-Raumschiffs aus Star Trek aufweist, mutiert Robert Daly zu Captain Daily, der seine Crew in intergalaktische Abenteuer führt, um sich am Ende als Held feiern zu lassen. Was der Zuschauer und mit ihm eine neue Mitarbeiterin von Callister Inc. erst später erfährt: Die Mitglieder der Raumschiff-Crew sind virtuell geschaffene Abbilder realer Mitarbeiter der Firma, die der frustrierte Programmierer für seine größenwahnsinnigen Allmachtsphantasien missbraucht. Als Meditation über parallele Identitäten, die sich in einer virtuell geschaffenen Welt sowohl ihres künstlichen Daseins als auch ihrer Vorbilder aus der echten Welt gewahr sind, verweilt USS Callister aber leider zu sehr an der Oberfläche. Anstelle eines philosophisch tiefgreifenden Diskurses über multiple, identische Persönlichkeiten in unterschiedlichen Realitätsebenen nutzt Brooker sein Szenario lediglich für einen zwar trickreich eingefädelten, aber letztlich vorhersehbaren Thriller-Plot, in dem die Opfer des schier übermächtigen Programmierers ihren gottgleichen Herrscher mit seinen eigenen Waffen schlagen wollen.

Auch die zweite Episode Arkangel, die von Schauspielerin Jodie Foster (Panic Room) inszeniert wurde, krankt an einer grundlegend interessanten Ausgangslage, die kaum originell vertieft wird. In seinem Drehbuch greift Brooker den modernen Kontrollwahn sogenannter Helikopter-Eltern auf, die so sehr um das Wohl ihrer Kinder bedacht sind, dass sie diese am liebsten auf Schritt und Tritt verfolgen würden. In Arkangel wird dieses Bedürfnis durch eine Technologie ermöglicht, die es Eltern gestattet, Kinder rund um die Uhr über einen kleinen Bildschirm zu überwachen und deren Erlebnisse direkt durch die Augen des Kindes zu verfolgen. Erweitert wird diese Technologie zusätzlich um die Funktion, einen speziellen Jugendschutzfilter zu aktivieren, der potenziell bedrohliche, verstörende, pornographische oder gewalttätige Dinge zu zensieren, so dass das Kind diese nur in verpixelter, gedämpfter Form wahrnimmt. Am Beispiel einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Tochter spielt Brooker sein Konzept in einer von Zeitsprüngen geprägten, viele Jahre umfassenden Geschichte durch und findet für die brisanten Fragestellungen rund um den Konflikt zwischen freiem Willen und äußerer Einflussnahme zu einem wenig überraschenden Höhepunkt, der nichts als Pessimismus hinterlässt und Entwicklungen erneut in ein mittlerweile berechenbares Black-Mirror-Raster eingliedert. 

Einen absoluten Tiefpunkt stellt die dritte Episode Crocodile dar. Nimmt man der Handlung dieser Episode die technologische Komponente einer Verhörtechnik, mit der die Erinnerungen des Befragten nicht nur abgerufen, sondern konkret visualisiert werden können, bleibt von Crocodile nichts weiter als ein handelsüblicher Thriller-Plot, den man in dieser Form schon unzählige Male zu sehen bekommen hat. Im Mittelpunkt befindet sich eine Frau, die gemeinsam mit einem Freund einen tödlichen Unfall verursacht und die Tat mit anschließender Fahrerflucht sowie heimlich beseitigter Leiche vertuschen will. Nachdem sie von dem Verbrechen auch noch 15 Jahre später verfolgt wird und ihr damaliger Freund von drastischen Schuldgefühlen geplagt wird, durch die dieser einen anonymen Brief mitsamt Geständnis verfassen will, eskalieren die Ereignisse in mörderischen Dimensionen, in denen Unschuldige geopfert sowie Sünden der Vergangenheit zurück an die Oberfläche gespült werden und unglückliche Zufälle letztlich als zynische Pointe am Ende fungieren.

Versöhnlicher stimmt hingegen die vierte und beste Episode der vierten Staffel. Hang the DJ erinnert an San Junipero aus Staffel 3, eine Episode, die aufgrund ihrer ungeahnten Emotionalität womöglich die beste Episode der gesamten Serie markiert. Diesmal stürzt sich Brooker gemeinsam mit Regisseur Tim Van Patten (Boardwalk Empire) in die chaotischen Dating-Wirrungen der Moderne, indem er eine abgeschirmte Welt etabliert, in der Singles über eine App, die in etwa mit einer fortschrittlicheren Version von Tinder vergleichbar ist, unentwegt mit einem Partner verkuppelt werden. Eine pikante Funktion stellt hierbei die zusätzliche Möglichkeit dar, sich anzeigen zu lassen, wie lange die Beziehung hält. Durch einen ablaufenden Countdown werden die Partner dazu angestiftet, sich ganz am Ende der Zeit umgehend wieder zu trennen und weiter darauf zu hoffen, dass sie irgendwann ihrem perfekten Partner begegnen, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen werden. Mit berührendem Optimismus, der den bitteren Zynismus sowie hoffnungslosen Pessimismus gängiger Brooker-Erzählungen überstrahlt, erzählt Hang the DJ anhand zweier Menschen, die wie füreinander bestimmt sind, von einem leidenschaftlichen Aufstand gegen das System, bei dem stürmische Romantik und der Drang nach ehrlicher Liebe diktatorische Normen zu überkommen vermag. Ein bisweilen vergnüglicher, aber schließlich sehr sinnlicher Höhepunkt.

In kunstvollen Schwarz-Weiß-Bildern hat David Slade (Awake), der unter anderem schon in Bryan Fullers verstörend-brillanter Serie Hannibal als Regisseur eigene Akzente setzen durfte, die fünfte Episode der Staffel inszeniert. Metalhead ist blanker Survival-Horror, in dem eine Einbrecherin von einem hundeähnlichen Roboter-Vierbeiner gejagt wird, der nicht nachgibt, ehe er sein Ziel getötet hat. Der konventionelle Plot, der Erinnerungen an große Science-Fiction-Vorbilder wie Terminator hervorruft, wird dabei einzig und allein durch Slades stilsichere Hand für bemerkenswerte Impressionen aufgewertet. Über unterschiedliche Einstellungsverhältnisse, bei denen sich bedrohliche Weitwinkel-Aufnahmen mit beklemmenden Close-ups abwechseln, erzeugt der Regisseur in erster Linie über die dichte Atmosphäre innerhalb eines weitläufigen, komplett ausgestorben wirkenden Endzeit-Settings die nötige Anspannung, um die reduzierte, simple Handlung konstant in Bewegung zu halten.

Als Abschluss kredenzt Brooker dem Zuschauer ein ausgelassenes Meta-Verwirrspiel, in dem ein abgelegenes Museum irgendwo in der Wüste zum Schauplatz skurriler Attraktionen wird, die allesamt ihre eigene Geschichte beherbergen. Als Ansammlung von Anthologie-Geschichten innerhalb einer Serie voll von Anthologie-Geschichten konzentriert sich der Drehbuchautor für Black Museum vor allem auf den Aspekt der Bewusstseinstransplantation. In drei unterschiedlichen Geschichten, die zumeist wieder in bizarren oder absurden Höhepunkten gipfeln, springt die Handlung wahllos von einem übereilt angerissenen Szenario zum nächsten, bis ganz am Schluss durch eine Wendung wieder einmal der Blick auf ein möglichst überraschendes Gesamtbild freigelegt werden soll. Zwischen redundanten Aussagen und einem konstruiert wirkenden Finale versinkt auch diese sechste und letzte Episode der vierten Staffel in schick anzusehender Mittelmäßigkeit und könnte gleichzeitig als verzweifelter Meta-Hilferuf seines Schöpfers gedeutet werden, der hier eigene Ideen minimal variiert recycled.

Fazit

Falls der Abschluss einer insgesamt extrem durchwachsenen, nur mit wenigen herausragenden Lichtpunkten durchzogenen Staffel als Kompass für kommende Episoden gewertet werden darf, steht „Black Mirror“ womöglich eine Zukunft bevor, die pessimistischer ausfällt als Charlie Brookers Dystopien selbst. Trotz einer mit Abstrichen gelungenen ersten Episode und der vierten Episode, die einen betörend emotionalen Höhepunkt darstellt, ist diese vierte Staffel eine herbe Enttäuschung und vor allem im Vergleich zur großartigen dritten Staffel ein merklicher Qualitätsabfall.

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