Den diesmaligen Vorwurf des Gewaltvoyeurismus kann man nicht einfach so abstreiten, aber ebenso wenig lässt er sich bekräftigen. Man muss hier differenzieren zwischen dem tatsächlichen Ergötzen an Gewalt und dem Erdrücken jeglicher Gesellschaftskritik durch das schiere Maß der gezeigten Bluttaten. Die Gewalt in „Hostel“, die den Film fast schon in ein legendäres negatives Licht stellt, hat sicherlich damals geschockt (tut es gar heute noch) und zusammen mit dem Film „Saw“ eine neue Welle des sogenannten „torture porn“ losgetreten. Aber das ist ein wenig seltsam, denn von Gewaltpornografie, als der Lustgewinnung durch Gewalt, ist „Hostel“ durchaus weit entfernt. Die Gewalt ist hier etwas Niederes, etwas Dreckiges. Andererseits kann man den anderen Vorwurf, dass der Ekel die potenzielle gesellschaftskritische Schreckenssatire unterdrückt, nicht so einfach verneinen.
„Hostel“ hat sich mit der Zeit einen Namen gemacht. Wenn man sich so nach Filmen umhört, die man nienienie unter keinen Umständen sehen sollte, fällt der Name des Filmes oft. Und das liegt natürlich einzig und allein an den Gore-Effekten, die auch den renommierten „Holy Sh!t“/„Jump-From-Your-Seat“-Preis bei den Scream Awards bekommen haben. Diese Splatter-Momente sind es, die den Film ausmachen und in diesen muss man über den Vorwurf der Gewaltpornografie nachdenken. Die Linie zwischen der reinen Darstellung von Gewalt und der Ergötzen an der gleichen ist eine dünne und sie wird von zwei Komponenten beeinflusst. Ihrem Platz in der Geschichte und dem Hintergrund des restlichen Films.
Die Prämisse des Filmes ist durchaus als gesellschaftskritisch anzusehen (zumindest wäre es dankbar, dass der Mensch als Monster, der kannibalistische Kapitalismus, das Buñuel’sche Messer im Augapfel der Gesellschaft dargestellt werden soll). Das Problem ist jedoch, dass Regisseur Eli Roth den „Grundbausteinen“ des Splatter-Genres erliegt und die Gewichtung zwischen nüchterner Entlarvung und dem Inszenieren von Körperzerstörung im Close-Up in Schieflage gerät. „Hostel“ ist da, um zu schocken - und das gelingt dem Film. Das liegt jedoch an der straffen Inszenierung von Roth. Die Gewaltspitzen ekeln bloß; würde man sie rausschneiden, die Wirkung auf den Zuschauer wäre von gleicher Intensität. Aber sie sind da und das aus (k)einem Grund: dem des Schauwertes.
Denn in solchen Momenten erliegt Eli Roth dem Blutdurst und der Faszination des Ekelhaften und interessiert sich nicht mehr für jegliche kritisch-anprangernde Zwischen- und Untertöne sondern lässt seiner Fantasie und Greg Nicoteros („The Walking Dead“) Talent freien Lauf. Der Tiefgang scheint uninteressant, fast schon vergessen und jegliche Gesellschaftskritik wird nur zum vordergründigen Alibi. Hervorgekramt um kritische Stimmen zu besänftigen, die sich über die „sinnlose“ Gewalt beschwerten. Neben den Gore-Effekten, die in diesem Film Priorität Nummer 1 sind, gibt es noch einen weiteren Aspekt des Films, der das Werk von einer Gesellschaftskritik entfernt und zu einem schwarz-weißen reißerischen Streifen hinschiebt: Offiziell handele es sich um reiche Menschen, die Fremde für Geld foltern und töten. Jegliche Peiniger sind in diesem Film jedoch degenerierte Hinterwäldler, keine Allerweltsmenschen. Roth erliegt einmal mehr der Gefahr der vereinfachten Schauwerte-Darstellung.
Spricht man „Hostel“ von jeglicher Verantwortung gegenüber seines Hintergrundes ab, so bleibt sicherlich ein heftiger und saftig inszenierter Ritt durch dreckige Flure und dunkelste Kammern übrig, mit Splatter-Effekten, die man sich nicht vorstellen möchte. Als Genre-Beitrag also solide. Aber wieso sollte man deshalb mindernde Umstände geltend machen? Nur, weil er ein bestimmtes Genre bedient, kommt ein Film nicht mit weniger Anspruch davon. Dass der Anspruch hier auch noch zunächst angekündigt wird und dann aber in all dem Blut nicht mehr aufzufinden ist, das ist dann ganz einfach ein grober Fehler, der der Gier nach Gore geschuldet ist. „Hostel“ findet seine Splatter-Momente toll, aber feiert der Film sie? Ergötzt er sich an ihnen? Nein, die Gewalt erzeugt nämlich zu keiner Zeit Befriedigung, sondern stets Abscheu.