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Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 22

von Pascal Reis

Ein verwahrlostes Haus im Wald, drei naive Mädchen auf Campingausflug und jede Menge falscher Finten, die das unvermeidliche praktisch heraufbeschwören. Nach einem stimmigen Einstieg zum Kennenlernen der Mutter (eine Sequenz, die traurigerweise wahrscheinlich schon die beste des Films ist) flüchtet sich Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt für eine halbe Stunde in banale Nebensächlichkeiten. Der Versuch unser zentrales Dreiergespann einzuführen scheitert jedoch spektakulär, denn die Momente des Kennenlernens sind peinliche Minuten voller Fremdscham, die absolut nichts zur Zeichnung der Charaktere beitragen. Vielmehr führt Regisseur Charles Kaufman die Zuschauer mit einigen stümperhaften Tricks an der Nase herum, was jedoch nur bedingt funktioniert und das spannungsarme Drittel keinesfalls retten kann. Bis zu dieser Stelle rechtfertigt der Film wohl kaum eine Diskussion und sicherlich rührt sein Skandalgehalt aus den typischen und recht radikalen Genreelementen der zweiten Hälfte. Denn jedem bewussten Zuschauer sollte nach diesem Einstieg klar sein, wohin die Reise geht.

Seine noch immer anhaltende Indizierung rechtfertigt Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt freilich nicht mehr. Die dramaturgisch sehr simple, aber gewohnt wirkungsvolle Rape and Revenge Struktur lockt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor und die Gewaltspitzen sind oftmals eher peinlich amüsant als schockierend und abstoßend. Seinen Skandal und damit verbunden den Kultstatus in heimischen Gefilden hat sich der Film damals also durchaus erarbeitet, nur wer sich im 21. Jahrhundert noch ernsthaft schockiert zeigt, der hat bisher wohl sehr wenig Genrebeiträge gesehen. Am fragwürdigsten ist wohl die oberflächliche und klischeehafte Darstellung der jungen Protagonistinnen im Kontrast zu den durchaus memorablen Figuren der Gegenseite. Während man die Gesichter der Mädchen längst vergessen hat, so hat man die kaltblütig berechnende Fratze der titelgebende Mutter noch eindringlich vor Augen – oder zumindest das krankhaft rückständige und verrückte Gebärden ihrer beiden Söhne. Abseits aller Gewaltspitzen führt wohl diese falsche Gewichtung des Zuschauerinteresses und damit verbunden möglicherweise auch derer Sympathien zur größten Fragwürdigkeit des Films.

Etwas wirklich Interessantes hat der Film leider nicht anzubieten, denn erzählerisch ist er ebenso belanglos wie auf formaler Ebene auch. Als (un)freiwillig komischer Trash kann man dem Werk (je nach persönlichen Vorlieben) vielleicht etwas abgewinnen, doch einen relevanten Beitrag zum Weltkino markiert die Troma Produktion keinesfalls – einen gelungenen oder auch nur unterhaltsamen leider noch viel weniger. Am meisten gibt es tatsächlich bei der Mutter zu holen, denn als kontrollierende und denkende Kraft über ihren gewaltbereiten und unmoralischen Söhnen ist sie mit Sicherheit der gefährlichste und auch interessanteste Charakter des Films. Spätestens seit Alfred Hitchcocks Psycho ist die Mutterfigur als Überich der freudschen Psychoanalyse auch eng mit dem triebhaften Verhalten ihres Nachwuchses verknüpft und so entstehen in diesem Spannungsfeld auch oftmals ödipale Konflikte. Wirklich geltend macht Regisseur Charles Kaufman diesen potentiellen Diskurs freilich nie, denn dafür ist der Film viel zu stark an reißerischer Gewalt und plumpen Exzess interessiert.

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