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"A Young Doctor's Notebook" - Die komplette Serie - Kritik

von Oliver Koch

Story

Ein junger Student beendet sein Studium, doch ausgelernt hat er noch lange nicht. Im Gegenteil: Die wahre Lehrstunde beginnt erst, als er 1917 - nach seinem Medizinabschluss an der Universität von Moskau - in ein winziges Dorf geschickt wird, um dort als einziger Arzt für eine der abgeschiedensten Provinzen Russlands zu fungieren.


Kritik

Wenn ein Elternteil bei einer großen Familienzusammenkunft eine alte Geschichte aus der Kindheit auspackt, die auf eine unvergessliche, peinliche Situation hinausläuft, so wird einem die Naivität und Blauäugigkeit aus längst vergangenen Tagen regelrecht vor Augen geführt. Diese grundlegende, einem jeden bekannte Situation wurde für die britische Fernsehserie A Young Doctor’s Notebook auf eine kreative Art umfunktioniert und zur Prämisse der schwarzhumorigen Mini-Serie gemacht: Der russische Arzt Vladimir Bomgard (Jon HammMad Men) findet im Jahre 1937 sein altes Tagebuch, wodurch er in Erinnerungen zu schwelgen beginnt. Die Geschichte, die auf der Kurzgeschichtensammlung von Michail Bulgakow basiert, wird demnach in Rückblenden erzählt, in der der junge Doktor (Daniel Radcliffe -  Jungle) mit seinem älteren Ich konfrontiert wird und sich zwischen seinen sachdienlichen Ratschlägen und piesackenden Umtrieben durch den Alltag eines russischen Doktors im Jahre 1917 kämpfen muss.

Die Erzählung setzt dabei mit der Ankunft des jungen Bomgard in dem fiktiven Dorf Muryevo an. Nach seinem erfolgreichen Medizinstudium an der Universität von Moskau soll er in die Fußstapfen des großen Mediziners Leopold Leopoldovich treten, um als einziger Arzt seine Dienste für die umliegenden Dörfer anzubieten. Das Problem dabei: Der junge Doktor ist als jahresbester Absolvent mit den theoretischen Grundlagen der Medizin vertraut, doch hat er selbst noch nie einen praktischen Eingriff verübt. Sprich, sein frischer Enthusiasmus trifft auf die harte Realität und droht an dieser zu zerbrechen. Was dabei herauskommt ist eine Hyperbel der Schwarzhumorigkeit. Denn der junge Doktor ist sich selbst zu eitel, um den beiden Krankenschwestern und dem ulkigen Feldscher sein mangelndes Maß an Erfahrung zu offenbaren. Stattdessen stürzt er sich mit sein Unwissenheit in eine wahre Fettnäpfchenparade.

Und genau diese Momente sind es, die A Young Doctor’s Notebook seinen eigenen, abgedrehten Charme verschaffen. Wenn der junge Bomgard etwa versucht einem von Zahnschmerzen geplagten Patienten den Schmerzen verursachenden Übeltäter aus der Kauleiste zu ziehen und dem armen Dorftölpel dabei den Zahn samt unterliegendem Kieferknochen herausbricht, so ergötzt man sich als Zuschauer zum einen an der Absurdität des Moments und der Engstirnigkeit des Doktors, zum anderen erschreckt man aber auch vor der Abscheuligkeit der Szenerie. Denn eins ist die Mini-Serie nicht und zwar zimperlich. Und wenn dann noch das ältere Ich des Doktors die Machenschaften in dem Absurditätenkabinett, was man Krankenhaus zu nennen vermag, verfolgt und sich gleichzeitig fragt, wie er damals bloß mit einer derartigen Einfältigkeit agieren konnte, so fügt er sich in die Rolle des heimlichen Beobachters und spickt zu Gunsten der Zuschauer die Geschehnisse mit seinen bissigen Kommentaren.

Hinzu kommen die gut getakteten Gags sowie das amüsant flapsige Zusammenspiel von Hamm und Radcliffe, die für den messerscharfen und präzisen Humor sorgen. Es wird immer wieder mit dem Prinzip der Serie gespielt, indem die ältere Version Bomgards sein früheres Ich warnt, provoziert oder belächelt, aber auch sich seiner Selbst bewusst wird. Sein junges Ich ist selbstverständlich auch eine Art Spiegelbild. Zwar verändert man sich mit dem Alter, doch manche Angewohnheiten und Eigenschaften trägt man ein Leben lang mit sich. Durch diese Ebene der Selbstreflexion gewinnt die sonst so klamaukige Serie einen ernsten Ton, der sich dann mit dem Thema der eigene Identität und Selbstwahrnehmung auseinandersetzt – zumindest so lange, bis die nächste skurrile Aktion diesen ernsthaften, tranceartigen Zustand zerstört. Die einzelnen Folgen, die meist nur etwas mehr als 20 Minuten andauern, sind immer wieder kleine Gradwanderungen zwischen Komik und der Tristesse der damaligen Zeit. Wenn man bedenkt, dass die literarische Vorlage größtenteils auf den Erfahrungen Bulgakows basieren, so möchte man schmunzeln und weinen zugleich.   


Technisches zur Blu-Ray

Dank polyband ist das schrille Krankenhausdrama ab dem 25. Januar 2019 auch auf Blu-Ray erhältlich. Die Blu-Ray überzeugt mit einem gestochen scharfem Bild (16:9 - 1.77:1) und auch der Ton (Deutsch DTS-HD 5.1, Englisch DTS-HD 5.1) hinterlässt einen astreinen Eindruck. Die zwei Discs beinhalten natürlich die komplette Serie, sowie einen zwölfminütigen Behind the Scenes-Bonusclip plus Trailershow.



Fazit

Mit einem unverbrauchten Setting und einem brillanten Schauspiel-Duo bereichert „A Young Doctor’s Notebook“ nicht nur die BBC-Vita, sondern generell die Serienlandschaft.  Die britische Mini-Serie ist ein kurzweiliger Spaß voller Irrwitz und Wahn, der sich durch groteske Situationen und gewieftem Humor ins Hirn brennt. Eine kleine, aber durch und durch feine Perle der TV-Unterhaltung.

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