Ein Blick auf die Zusammenfassungen der beiden Vorgänger auf Wikipedia genügt, um sich ein Bild vom Schrecken zu machen, der in den Tiefen von Netflix‘ cineastischen Ozean schlummert. 365 Days: Noch ein Tag ist per se eine Erotik-Musikstrecke im Sepia-Sonnenuntergangs-Hochglanz, der eine Leidenschaft oder gar Chemie zwischen den Hauptcharakteren Laura, Massimo und Nacho sowie allen weiteren Darstellern maximal abdämpft. Die Softporno-Sequenzen ersaufen regelrecht in den permanenten Lichtbrechungen und werden dabei von einer Playlist übertönt, die man in einer Nachtstrecke auf Deluxe Music unter der Woche zu sehen und hören bekommen würde und konsequent runtergerattert wird. Verse wie „Fuck society, feel my gravity“ und „la-la-la, lovesick“ bilden die Spitze des lyrischen Eisbergs, der innerhalb von Sekunden im Dauerlicht dahinschmilzt.
Emotionen möchten niemals richtig aufflammen, wenn mimische Betonwände sämtliche Anmachfloskeln zu Schrott verwandeln. Die Gesten von Massimo und Nacho (Michele Morrone und Simone Susinna) prallen ständig auf Lauras (Anna-Maria Sieklucka) angepissten, verbissenen Blick, sodass dieser unharmonische Umstand am liebsten kompromisslos weggevögelt wird, während im Hintergrund Musik, Licht und Schnitt eine furchtbare Mélange ergeben. Eine Bild-Ton-Schere findet auch noch ihren Weg in den Film und im Zwiespalt der zerstreuten Leidenschaft entwirft die Protagonistin ganz nebenbei eine Modekollektion, die im Clublichtgewitter auf einer Modeschau im portugiesischen Lagos untergeht. Vogelperspektiven, 180-Grad-Fahrten und Totale bilden dazu ein meist überdrehtes, visuelles Gerüst, das den gesamten Raum einfangen kann, nur im Zusammenspiel mit dem wilden Schnitt eine wohlmögliche Bindung zwischen den Darstellern überhaupt nicht zur Geltung kommen lässt.
SUV-Werbung an den Küstenstraßen Siziliens, italienischer Foodporn und Erotik mit Darstellern, die ihre Sätze mit gebrochenem Englisch dahinwürgen – all dies wird mit EDM-Ramsch in eine vorhersehbare Handlung verpackt, die obendrein in Superzeitlupe voranschreitet. Nachdem sich dieser 113-minütige Postproduktions-Orgasmus ereignet hat, kann man sich von diesem Werk in den Tiefen des Streaming-Ozeans endlich verabschieden, wieder auftauchen und an Land gehen. Ein filmischer Alptraum-Tauchgang.