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memorylab

Kritik von memorylab

Gesehen: September, 2022

Im römischen Stadtteil San Giovanni spitzt sich die Lage zu. Der Eigentümer eines Apartmentkomplexes forciert die Räumung von circa 150 Familien aus verschiedenen Kulturen, die sich in den Wohnungen eingelebt haben. Der polizeiliche Räumungsdienst rund um den Chef Aguila (Marco Falaguasta) bereitet sich mit physischen Trainingseinheiten und Teambuilding-Maßnahmen auf diesen Großeinsatz vor. Doch einer der Polizisten namens Daniel (Germano Gentile), der eine afrikanische Herkunft hat, steht vor einer inneren Zerreißprobe. Denn seine Mutter und sein Bruder Patrick (Maurizio Bousso) leben in diesem Komplex und hat sich geschworen, ihnen kein Haar zu krümmen, falls dieser Moment eintreten sollte.

Ein Stadtteil und eine Räumung, die die Fraktionen Polizei und Hausbesetzer miteinander kollidieren lässt. Der Protagonist Daniel pendelt dabei zwischen beiden Seiten. Zum einen muss er seinen Job erfüllen, andererseits möchte er auch mit seiner Familie eine Wohnalternative kommunizieren, damit sie der gewaltsamen Räumung entrinnen können. Es steht und fällt mit ihrer Entscheidung und auch das Familiengefüge bringt Daniel ins Wanken, wenn es heißt: Gegen den Job oder gegen seine eigenen Wurzeln? Sicherlich muss das Thema Polizeigewalt gegenüber Migranten und Hausbesetzern sehr ernsthaft betrachtet werden, aber die Inhaltsmenge von Il legionario könnte man auch in 30 Minuten abarbeiten.

Denn eigentlich ergibt sich durch die verhärteten Fronten eine unabdingbare Konsequenz, um die Regisseur Hleb Papou im mittelgroßen Stil herumlaviert: Daniels Frau ist schwanger, sein Bruder Patrick hat Beziehungsprobleme und seine Mutter ist zu sehr an ihre bisherige Wohnung angebunden. Die Risiken sind hier klar gegeben mit Daniels Familienzuwachs, dem er am liebsten unversehrt beiwohnen möchte, und der unklare Wohnstatus seiner Verwandten, doch ersteres ist kaum in Betracht zu ziehen durch die überlegene Ausrüstung der Polizisten und letzteres verläuft durch ihre Starrköpfigkeit im Sande.

Noch weniger verwunderlich ist die unsympathische Zeichnung beider Seiten. Während im Polizistenkreis rassistische Konversationen freien Lauf gelassen wird, ein Familienkult den Kollegen eingetrichtert wird und der Einsatz von Gewalt ein empörendes Allzweckmittel ist, geben sich die Hausbesetzer hartnäckig und loten eine juristische Option in Form einer Mietenzahlung an den Hausbesitzer aus, damit sie einen Wohnanspruch vortäuschen können. Diplomatische Ansätze wie die von Daniel werden schnell ad acta gelegt und die Feindseligkeit wird komplettiert mit der Lösung eines Problems im Apartmentkomplex und den daraus verstärkten Ressentiments.

In 80 Minuten schafft es Papou den ungemütlichen Ist-Zustand darzustellen und expositorisch aufzublähen, aber keines der Schicksale berührt wirklich, wenn nur die Konsequenzen ausgemalt und die Hintergründe nicht ausgeleuchtet werden. Wie viele Hausbesetzer leben in Rom und in Italien generell? Wie viele Räumungen finden jährlich statt? Wie hoch ist der Anteil von Migranten in den besetzten Häusern? Wie viele Fälle von Polizeigewalt gegenüber Migranten geschehen in diesem Zusammenhang? Sind die Alternativen ein schlechter Kompromiss für Migranten und welche Optionen haben sie? Haben die Behörden zuvor entsprechende Angebote den dort lebenden Familien vorgestellt? All diese Fragen hätte man recherchieren und im Abspann oder im ersten Akt einblenden können.

Wenn diese Fragen kein Gehör im italienischen Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik finden sollten, wäre dieser Film eine Gelegenheit gewesen, eine Debatte rund um den Wohnstandard von Migranten, dem Einsatz von Polizeigewalt in Italien loszutreten. In dieser Form ist Il legionario ein kurzweiliger Sozial-Thriller, in denen die Weichen schnell in Richtung Dilemma ausgelegt werden, das Drama sich durch Redundanzen in den Gedankengängen ermüdet und die Aufmerksamkeit allenfalls durch die kräftige Musik am Leben gehalten wird.

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