Das amerikanische Episodendrama „The Place Beyond the Pines“ (2012) ist ein geradezu epischer Film über menschliche Taten, Entscheidungen und die daraus resultierenden Konsequenzen. Er zeigt auf einzigartige Weise eine Welt voll von nacktem Realismus und ungeschöntem, menschlichen Schicksal.
Die Hauptrollen spielen Ryan Gosling, Bradley Cooper und Eva Mendes, als ob sie speziell für sie geschrieben worden wären. Bradley Cooper liefert als von Selbstzweifeln geplagter Cop die beste Leistung seiner bisherigen Karriere ab. An seiner Seite kann Ryan Gosling nach „Drive“ (2010) erneut als Einzelgänger glänzen, der nach außen hin vollkommen abgeklärt wirkt, aber in sich einen Sturm der Gefühle verbirgt.
Der Regisseur Derek Cianfrance, der von seinem letzten Film „Blue Valentine“ (2010) noch in guter Erinnerung geblieben ist, schrieb zusammen mit Ben Coccio und Darius Marder auch das Drehbuch. Eine Story, die sowohl detailliert auf die Intensität von Beziehungen eingeht, als auch einen großen Bogen zur folgenden Generation spannt und somit eine Erzählung über Väter und Söhne ist. Insgesamt beschäftigt sich der Film mit so vielen verschiedenen Themen, dass es verständlich ist, wenn man ihn keinem Genre klar zuordnen kann. „The Place Beyond the Pines“ beinhaltet Elemente eines Liebesdramas, eines Thrillers, eines Actionfilms und einer Charakterstudie. Das groß ausgelegte Drehbuch teilt den Film in drei Episoden, die voneinander abhängig sind und aufeinander aufbauen.
Die erste Episode zeigt die kaputte Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, wobei der Mann ein umherziehender Einzelgänger und die Frau ein gefühlvoller Familienmensch ist. Der Mann hat kein bestimmtes Ziel in seinem Leben, bis er beschließt, von nun an nur noch für seine Frau und seinen Sohn da zu sein. Doch er kann ihnen keine Sicherheit bieten, was ihn in tiefe Verzweiflung stürzt. In der ersten Episode führt Verzweiflung den Menschen zu unmoralischem Handeln. Die zweite Episode handelt von einer anderen Familie, anderen Taten und anderen Konsequenzen. Ein Mann muss damit fertig werden, dass er jemanden erschossen hat. So führt die zweite Episode den Menschen von Selbstzweifeln zu moralischem Handeln. Die dritte Episode lässt die Schicksale, die in den beiden vorigen Teilen gezeigt wurden, emotional mit aller Wucht aufeinander prallen.
Die erste Dreiviertelstunde kann man ohne zu zögern als einen filmischen Geniestreich bezeichnen. Danach lässt er künstlerisch und stilistisch leicht nach, was wohl an der Tatsache liegt, dass das Drehbuch so umfangreich und genreübergreifend ist. Insgesamt lässt der Film zwar nach, doch begibt er sich damit lediglich vom Niveau eines Meisterwerkes auf das eines eindrucksvollen, überdurchschnittlichen Kinoerlebnisses. Als Gesamtwerk überzeugt „The Place Beyond the Pines“ auch gerade aufgrund seiner Originalität. Als Regisseur und Drehbuchautor muss man sich erst einmal trauen, den Stoff für drei verschiedene Filme in einem einzigen zu behandeln und dabei mehrere Genres miteinander zu verknüpfen.
Durch gewaltige Bilder wird eine einzigartige natürlich-dramatische Stimmung erzeugt, die den Zuschauer auch Stunden später noch nicht wieder loslässt. Die Kameraführung passt sich kreativ an die Stimmungen und Situationen an. So werden Trauer und Schmerz in großartigen, weitläufigen Standbildern gezeigt. Wohingegen in einer folgenden Szene sich die grenzenlose Verzweiflung des Hauptcharakters in aggressiven, verwackelten Bildern entlädt. Manche Aufnahmen von Ryan Gosling erinnern stark an „Drive“, in dem er eine ähnliche Rolle spielte. Nur wundert man sich, dass er auf einmal so viel spricht. Die beeindruckende Kamera wird durch einen gigantischen Soundtrack unterstützt, der sowohl hypnotisierend als auch zutiefst berührend das Geschehen emotional untermalt.
So ist „The Place Beyond the Pines“ ein brillanter Film über Schuld und Sühne, aber gleichzeitig auch ein filmisches Experiment, das die Genregrenzen auf die Probe stellt. Man kann den Film jedem empfehlen, der Lust auf großes Kino hat, denn er enthält für jeden Geschmack den gerechten Anteil.