Daniel Brühls Regiedebüt ist eine Art Kammerspiel, welches in einer Berliner Eckkneipe spielt. Mein erster Gedanke war, ob es dieselbe Kneipe aus dem Film “Herr Lehmann” ist. Der zweite, dass das Setting an sich eher düstert ist. Kneipen sind nun nicht dafür bekannt, hell erleuchtet zu sein, daher passt es gut. Jedoch auch in Daniels (Daniel Brühl) Wohnung, herrscht eine düstere Atmosphäre. Alles ist grau und steril, was aber auch zum Lebensstil des Schauspielers passt.
Nach und nach bekommt das Publikum Einblicke in Daniels Leben, sodass das sterile und triste Apartment immer mehr Sinn ergibt. Da “Nebenan” noch in der Corona-Zeit gedreht wurde, gibt es wenig Settings, die jedoch sehr gut gewählt sind. Da die Handlung am Vormittag spielt, ist es auch logisch, dass die Kneipe wenig besucht ist, jedoch merkt man hier auch noch die Pandemie, anhand der Abstände, die die Darsteller*innen einhalten. Außerdem kommt der Film “Nebenan” mit einem sporadischen Soundtrack aus. Hier und da sind mal aggressivere und auch leise Klänge zu hören, die wunderbar in die Handlung einfließen und sie umschmeicheln. Moritz Friedrich und Jakob Grunert treffen immer genau den richtigen Ton. Auch die Kameraarbeit von Jens Harant kann sich sehen lassen. Mit hell und dunklen Kontrasten, sowie diversen Lichtspielen, versetzt er die Protagonist*innen immer in das richtige Licht. Daniel (Daniel Brühl) der dunklere Kleidung trägt wirkt hervorragend zu dem hell gekleideten Bruno (Peter Kurth) als Kontrast. So wirken die Gegenpole auch optisch, vor allem da Daniel oft im Schatten sitzt, während Bruno eher vom Sonnenlicht angestrahlt wird. Möglicherweise ein Stilmittel, dass Daniel zwar ein Star ist, jedoch von einer Art Düsternis in seinem Leben umgeben wird. Ganz anders Bruno, der in seinem Leben im Schatten steht, jedoch durch seine Hilfsbereitschaft und Anteilnahme an dem Leben anderer, eher im Licht strahlt.
GUT GESPIELTE UNSYMPATHEN
Dass Daniel Brühl ein begabter Darsteller ist, ist mir persönlich schon länger klar. Besonders in Filmen wie “Inglourious Basterds” bewies er zusätzlich sein außergewöhnliches Talent für Sprachen. In “Nebenan” ist er mir zum ersten Mal wirklich unsympathisch, was möglicherweise so gewollt ist. Auch ist Bruno, der von Peter Kurth gespielt wird, nicht der Sympathieträger schlecht hin. Peter Kurth kannte ich bisher nur aus dem Anthologie-Dreiteiler “Criminal: Deutschland”, der 2019 auf Netflix erschien. Seine Rolle des benachteiligten Bruno in “Nebenan” kaufe ich ihm zu jeder Sekunde ab. Ebenso seine trockene und eher emotionslose Art, passt gut in die Handlung und lässt dem Publikum eine Distanz wahren.
Eine Gefühlsachterbahn erlebt jedoch nur Daniel und diese bringt Daniel Brühl hervorragend rüber. Von der einen Sekunde von Wut, über Verzweiflung und in der anderen Sekunde zu Hochmut. Daniel mimt diese Emotionen glaubhaft und kann sein Publikum fesseln.
EIN KAMMERSPIEL, DAS WENIG FESSELT
Fesseln kann “Nebenan” jedoch nicht durchgehend. Als Drama betitelt, als schwarze Komödie ausgezeichnet und doch beinahe als Thriller deklariert. Der Film “Nebenan” macht den Eindruck, als wüsste er nicht so recht in welche Richtung er möchte. Was als Drama beginnt, verläuft sich immer weiter zu einer Art Psychothriller, bei dem das Publikum darauf wartet, dass etwas gravierendes passieren würde. Auf dessen Höhepunkt macht “Nebenan” jedoch wieder eine Wendung in eine völlig andere Richtung und lässt die Zuschauer*innen mit Stirnrunzeln zurück. Gleichzeit möchte der Film als Gesellschaftskritik den Mittelstand und Wohlstand gegenüberstellen und die Ignoranz des Wohlstands gegenüber des Mittelstandes. Dies gelingt nur teilweise, da Bruno, der den Mittelstand vertritt auch den Neid polarisiert, den er auf Daniels Leben hat.
Hinzu kommt die Ost-West-Debatte, die nur angerissen, aber nicht wirklich formvollendet wird und somit eher in Spitzen endet. Somit will “Nebenan” irgendwie zu viel, verschenkt jedoch Potential, um noch tiefer in die Materie einzutauchen.
Vielleicht wäre die Handlung als reines Kammerspiel besser zur Geltung gekommen, denn das ständige Hin und Her von Daniel stört den Ablauf enorm. Natürlich könnte man es so auslegen, dass Daniel innerlich zerrissen ist mit den Informationen, die ihm gerade offenbart werden. Dennoch fühlte sich das ständige rein und raus rennen des Protagonisten wie “Und täglich grüßt das Murmeltier” an. Sobald Daniel aus der Kneipe stürmt, weiß man nach dem 5. Mal bereits, dass er eh gleich wieder zurück gehen wird. Diese Dauerschleife zerrte irgendwann an meinen Nerven.
FAZIT:
Die erste Regiearbeit von Daniel Brühl, “Nebenan” ist ein guter Einstieg um hinter der Kamera zu arbeiten. Der Film bietet viele Ideen, die jedoch noch ausbaufähig sind. Ebenso ist das Setting und der musikalische Platzierung gut gewählt. Daniel hat mit “Nebenan” einen soliden Film gedreht, der die Mittel- und Oberklasse gegenüberstellt und aufeinander prallen lässt. Dennoch muss er sich für eine Richtung entscheiden.