Im Jahr 1961. Joan Crawford (Jessica Lange) ist nach dem überraschenden Tod ihres Mannes in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Seit Jahren hat die alternde Hollywood-Diva schon keine guten Rollenangebote mehr bekommen. Nun sucht sie selbst nach einem Projekt und wird mit dem Roman „What Ever Happened to Baby Jane?“ fündig. Sie überredet den Filmemacher Robert Aldrich (Alfred Molina), diesen Roman mit ihr und Bette Davis (Susan Sarandon) in den Hauptrollen zu verfilmen. Auch Bette Davis´ Karriere ist nicht mehr das, was sie mal war – mittlerweile spielt sie am Broadway, aber die Kritiken sind durchwachsen. Der Regisseur Robert Aldrich versucht eine Finanzierung für „What Ever Happened to Baby Jane?“ zu bekommen, nur würden alle Hollywood-Produzenten lieber jüngere Stars besetzen. Schließlich gelingt es ihm, den Studioboss Jack L. Warner (Stanley Tucci) zu überzeugen, dieses Filmprojekt ins Kino zu bringen. Damit beginnen jedoch erst die wahren Probleme, denn die beiden Hollywood-Legenden sind sich spinnefeind…
A- (Wertung von A bis F) „Feud: Bette and Joan“ ist die neueste Anthologie-Serie von Serienschöpfer Ryan Murphy (“Nip/Tuck“, „Glee“, „American Horror Story“). Im letzten Jahr hat Ryan Murphy sich mit The People v. O. J. Simpson: American Crime Story dem Prozess des (letzten) Jahrhunderts gewidmet, mit der ersten Staffel seiner neuen non-fictional Anthologie-Serie erzählt er von dem Kleinkrieg, den sich die Hollywoodlegenden Bette Davis und Joan Crawford über Jahrzehnte geliefert haben.
Ich kann mich nicht erinnern, wann mir eine Serie je größeres Vergnügen bereitet hat. Hollywood-Geschichte (n), die Oscars, starke, schwierige Frauencharaktere, die ihren Willen durchsetzen, ein epochaler Zicken Diven-Krieg, großartige Schauspieler, exzellentes Schauspiel, ein ständig fluchenden Stanley Tucci in der konsequenten Arschloch-Rolle, ein Alfred Molina, der noch nie besser war…logischerweise habe ich die einzelnen Episoden dieser Serie mehrmals gesehen. Aber auch wenn einem gar nichts von diesen Themen interessiert, kann man sich an dem überragenden Vintage-Set- und Kostümdesign (alleine Hedda Hoppers Hüte) sattsehen.
Die erste Staffel von „Feud“ führt einen in das „alte Hollywood“, zu Beginn der 1960er Jahre stirbt das Studio-System langsam aus. Viele Amerikaner haben mittlerweile einen Fernseher, gehen aber trotzdem immer noch mehrere Male die Woche ins Kino. Im Vergleich zu heute gibt es ganz wenige „große“ Stars. Die großen Stars dieser Zeit waren u.a. Audrey Hepburn, Doris Day und Elizabeth Taylor. Schauspielerinnen, die bereits über 40 Jahre alt waren – auch wenn sie einst noch so erfolgreich waren – bekamen kaum noch Rollenangebote. Joan Crawford war im Jahr 1961 (vermutlich) 57 Jahre alt und steckte durch den plötzlichen Tod ihres Ehemanns in finanziellen Schwierigkeiten. Sie entschied sich, eigeninitiativ ein neues Filmprojekt zu suchen. Sie fand den Roman „What Ever Happened to Baby Jane?“ und überzeugte den Regisseur Robert Aldrich, das Projekt mit ihr und Bette Davis zu realisieren.
Die ersten drei Episoden von „Feud: Bette and Joan“ erzählen von diesem Filmprojekt, vor allen Dingen von den nervenaufreibenden Dreharbeiten zu dem Film. Bei der vierten Episode sind die Dreharbeiten abgeschlossen, das Filmprojekt „What Ever Happened to Baby Jane?“ galt immer als „B-Movie“ und sollte nun landesweit in den amerikanischen Kinos starten. Der Film wurde zu einem Überraschungshit und wurde noch dazu für fünf Oscars nominiert. Die fünfte Folge erzählt von den legendären Oscars des Jahres 1963. Die sechste Episode handelt von den Nachwirkungen der Oscars und der Suche nach einem neuen Filmprojekt für sämtliche Beteiligte von „What Ever Happened to Baby Jane?“. „Hush…Hush, Sweet Charlotte“ sollte es sein. Die siebente Episode erzählt von den anstrengenden Dreharbeiten von „Hush…Hush, Sweet Charlotte“ und wie es zu der Umbesetzung kam. Schließlich vergehen für die letzte Episode einige Jahre…
„Feud: Bette and Joan“ zeigt wie generell Frauen (und andere Minderheiten), aber insbesondere ältere Schauspielerinnen in Hollywood behandelt wurden (und wohl immer noch werden).
Ryan Murphy ist ein offen schwul lebender Autor, Filme- und Serienmacher und man sieht dieser Anthologie-Serie an, dass dies wohl eine Art Traumprojekt für ihn ist. Wie die meisten Homosexuellen liebt er starke Frauen/Persönlichkeiten und tolle Schauspielerinnen. In „Feud: Bette and Joan“ sind nicht weniger als 15 Rollen mit Schauspielerinnen jenseits der Vierzig besetzt worden. Ryan Murphy hat auch das bemerkenswertes Projekt „Half Foundation“ ins Leben gerufen, bei der in in seinen Serien mind. 50% Frauen im Regiesessel sitzen. Sehr löblich. Als junger Journalist, Ende 1980er Jahren und zwei Monate vor ihrem Tod, hat Ryan Murphy die Gelegenheit bekommen, die Hollywood-Legende Bette Davis zu interviewen. Die beiden führten ein Vier-Stunden-Gespräch, Die Idee zu dieser Serie ist vielleicht bereits in der Zeit entstanden.
Mir war relativ schnell klar, dass ich dem „Team Bette“ angehöre. Mein Herz gehört von jeher den Charakterschauspielern, den Künstlern. Außerdem glaube ich, dass Bette Davis unglaublich selbstbewusst und scharfzüngig, ja cool war – ich mag ihre Attitüde. Joan Crawford war sicher wesentlich hübscher als Bette Davis, aber auch sehr eitel hinsichtlich ihres Aussehens. Bette Davis war auch eitel, aber einzig hinsichtlich ihrer Arbeit. Sie wollte immer in anspruchsvollen Projekten ihre bestmögliche Performance geben. Bette Davis war die Meryl Streep ihrer Zeit. Gerade wenn man sich die Filme mit Bette Davis anschaut, sieht man, dass Susan Sarandon eine starke Ähnlichkeit (Gesichtszüge, Augen) mit Bette Davis hat. Susan Sarandon versucht nicht, Bette Davis´ Stimme zu imitieren, sie sorgt aber mit ihrer kraftvollen Stimme und Sprache für Glaubwürdigkeit. Susan Sarandon ist brillant als Bette Davis. Überragend fand ich aber auch Alfred Molina und – na klar – Stanley Tucci als Jack Warner, dem Kopf von Warner Bros.
Mit Jessica Lange hatte ich anfangs meine Probleme. Sie war mal eine bildhübsche Frau, sieht aber jetzt dank (wahrscheinlich zu vieler Schönheitsoperationen) maskenhaft aus. So wirkt Jessica Lange hier als ob Jessica Lange Joan Crawford porträtiert. Später ab Folge 3 habe ich mich entweder an sie gewöhnt oder sie ist in ihre Rolle reingewachsen. In ihrem Spiel ist sie in meinen Augen tatsächlich besser geworden. Später ab Episode fünf und sechs konnte ich dann auch vergessen, hier eigentlich Jessica Lange zu sehen. Letztlich darf man nicht vergessen, dass auch Joan Crawford in der, bzw. für die Öffentlichkeit die Rolle der „Joan Crawford“ gespielt hat. Jessica Lange ist später in der Serie absolut glaubhaft, an die bravouröse Performance von Susan Sarandon kommt sie – meines Erachtens – jedoch nicht heran.
So gegensätzlich die Hollywood-Diven Bette Davis und Joan Crawford waren, so ähnlich war jedoch ihr privater Hintergrund. Auch charakterlich waren sie sich sehr ähnlich. Beide hatten eine unschöne bzw. (in Joan Crawfords Fall) eine schreckliche Kindheit, haben sich ihre Karriere hart erarbeitet, suchten stets nach Anerkennung, waren sehr ehrgeizig, kämpferisch und professionell, aber auch eifersüchtig und neidisch. Sie hatten Allüren und waren letztlich beide einsam. Sowohl Bette Davis als auch Joan Crawford hatten adoptierte Kinder (Bette Davis hatte mit B.D. auch ein leibliche Tochter) mit denen sie eine schwierige Beziehungen verband. Beide waren vier Mal verheiratet und – mehr oder weniger – alleinerziehend. Die Schauspielerinnen waren extrem erfolgreich, aber ab einem gewissen Alter war ihre Karriere quasi am Ende. Beide Hollywoodlegenden hatten ein Alkoholproblem und auch Affären mit denselben Männer.
Gestern wurde nun die letzte Episode von „Feud: Bette and Joan“ erstmalig ausgestrahlt. Im Vorfeld habe ich mich schon lange auf diese neue Serie gefreut und so konnte ich es selbstverständlich nicht abwarten, bis die Serie erstmalig komplett ausgestrahlt wurde. Ich sah mich gezwungen, von Beginn der Erstausstrahlung an – ganz old school – eine Folge pro Woche zu sehen, um dann wieder eine elend lange Woche darauf zu warten, bis eine neue Folge zum Download zur Verfügung stand und diese dann zu schauen. Was Filme bzw. Serien angeht, hat „Feud: Bette and Joan“ quasi die letzten zwei Monate meines Lebens bestimmt. Ich habe viel recherchiert, den Wahrheitsgehalt der Serie abgeklopft (die Serie hält sich – mit Ausnahme der letzten Episode – sehr an die Fakten) und mir den Luxus genommen, die für diese TV-Serie beiden relevanten Filme What Ever Happened to Baby Jane? und Hush…Hush, Sweet Charlotte erneut anzuschauen. Das würde ich auch jedem empfehlen, der sich „Feud: Bette and Joan“ ansieht. Außerdem habe ich mir einige wichtige Filme mit Bette Davis, Joan Crawford und Olivia de Havilland angeschaut: „Sudden Fear“ aus dem Jahr 1952, für diese Performance wurde Joan Crawford für den Oscar nominiert (B+), „Mildred Pierce“ aus dem Jahr 1945, für diese Performance hat Joan Crawford einen Oscar gewonnen (B-) , „Dangerous“ aus dem Jahr 1935, für diese Performance hat Bette Davis ihren ersten Oscar gewonnen, (C+) und „Jezebel“ aus dem Jahr 1938, für diese Performance hat Bette Davis ihren zweiten Oscar gewonnen (B+), „The Snake Pit“ aus dem Jahr 1948, für diese Performance wurde Olivia de Havilland für den Oscar nominiert (A-), „Strait-Jacket“ mit Joan Crawford aus dem Jahr 1964 (B-), „The Letter“ aus dem Jahr 1940, für diese Performance wurde Bette Davis für den Oscar nominiert (A-). Bei der Gelegenheit habe ich mir auch „All About Eve“ aus dem Jahr 1950, der Film hat 14 Oscar-Nominierungen erhalten, inkl. einer Nominierung für Bette Davis (A) und „Suspicion“ aus dem Jahr 1941 (A-), dafür hat Olivia de Havillands Schwester Joan Fontaine den Oscar gewonnen – es war die einzige schauspielerische Leistung eines Alfred Hitchcock-Films, die je mit einem Oscar honoriert wurde, mal wieder angeschaut. Das war ein etwas zeitaufwändiges Projekt, aber es hat so viel Spass gemacht und ich habe sehr viel Neues über Hollywood gelernt.
Meine Lieblingsepisode: Wie sollte es anders sein: Episode 5 („And the Winner is…(The Oscars of 1963). In dieser Episode dreht sich alles um die 35th Academy Awards. Wenn man nicht weiß, was man unter „schmutzige Oscar-Kampagne“ versteht, hier gibt es ein Paradebeispiel.
Dramaturgisch mag dieser Mehrteiler vielleicht nicht immer gut gelöst sein, aber er ist unglaublich unterhaltsam und witzig. Auch konnte ich mich nicht für jede schauspielerische Leistung (mit Kathy Bates als Joan Blondell habe ich mich nie anfreunden können, Catherine Zeta-Jones fand ich anfangs als Olivia de Havilland auch nicht überzeugend, später schon) begeistern, wer aber an Hollywood-Geschichte interessiert ist, sich an umwerfender Ausstattung und Kostümen und hervorragenden Performances erfreuen kann, wird diese TV-Serie auch lieben. In meinen Augen wird diese Serie von Episode zu Episode besser.
Der grobe Inhalt der einzelnen Episoden:
Episode (Pilot) Das Projekt „What Ever Happened to Baby Jane?“ und der Beginn der Dreharbeiten
Episode (The Other Women) Die Probleme bei den Dreharbeiten
Episode (Mommie Dearest) Privater Hintergrund der Diven, Dreharbeiten werden abgeschlossen
Episode (More, or Less) „What Ever Happened to Baby Jane?“ ist fertiggestellt und startet landesweit in den amerikanischen Kinos, Oscar-Nominierungen
Episode (And the Winner is…(The Oscars of 1963)) Die 35th Academy Awards
Episode (Hagsploitation) Was kommt nach „What Ever Happened to Baby Jane?“? Beginn der Dreharbeiten von Hush…Hush, Sweet Charlotte
Episode (Abandoned) Die Probleme bei den Dreharbeiten von „Hush…Hush, Sweet Charlotte“
Episode (You Mean All This Time We Could Have Been Friends?) fiktiver Part, das Ende der Karrieren der Hollywood-Legenden
Um die schauspielerische Leistung richtig zu erfassen, sollte man diese Serie unbedingt im Original sehen!