Nostalgie pur!
So kann man den Eindruck zusammen fassen, wenn man sich die Serie, die mittlerweile 50 Jahre auf dem Buckel hat, ansieht.
Hilfreich beim Anschauen ist natürlich eine gewisse Affinität zum Zirkus. Auch wenn er hier in einer Art und Weise zur Schau gestellt wird, die sich längst überholt hat, und die heute niemanden mehr ins Zirkuszelt lockt. Zu differenziert sind die Probleme der heutigen Zirkuskultur. Tierdressur ist unter den wütenden Protesten von Tierschützern, die einem auch schon mal den Zutritt zum Zirkus versperren, kaum mehr möglich. Und Artistik verlagert sich zunehmend ins Varieté.
Aber das spielt bei Salto Mortale alles keine Rolle. Ich hatte die DVD-Box für meinen Vater gekauft, der unsere gesamte Familie in den 70er`n und frühen 80er`n mit seiner fast fanatischen Zirkusbessenheit regelrecht "tyrannisierte". Eigentlich fand ich das ja nicht schlecht; jeder Zirkus, der in die Stadt kam, wurde besucht. Dummerweise nicht nur die. In einem Umkreis von nahezu 200km wurde jeder Zirkus angefahren. Das war dann doch zu viel, so dass ich mit Zirkus bis heute nicht mehr viel am Hut habe.
Warum ich diese Serie dann doch wieder mal geschaut habe? Meine jüngste Tochter wollte das 2010 unbedingt sehen, und so haben wir dann gemeinsam vor dem Fernseher gesessen. Dabei wurde der Fernseher zur Zeitmaschine. Jetzt ist mir die DVD-Box im Nachlass meines Vaters wieder in die Hände gefallen und ich war der Meinung, dass diesem Stück TV-Geschichte auf dieser Seite nicht nur ein Eintrag sondern auch ein paar Worte verdient.
Es geht zurück in die Zeit der Großzirkusse, wo Raubtierdompteure und Trapezartisten die unumstrittenen Stars in der Manege waren. Solch eine Artistenfamilie steht dann auch im Mittelpunkt der Serie. Die Dorias, die Superstars am Trapez in der Zirkuskuppel, heuern als Lückenbüßer bei dem heute noch aktiven Zirkus Krone an. Kopf der Familie ist Carlo Doria, dargestellt durch den unvergesslichen Gustav Knuth (den meine Tochter auch sofort wieder erkannte; das ist doch der Papa von "Sissi"....). In 18 Folgen wird der wechselhafte Erfolg der Familie nachgezeichnet. Obwohl die Epoche, in der die Handlung angesiedelt ist, die späten Jahre des Wirtschaftswunders mit den ersten Vorboten einer Wirtschaftskrise markieren, ist der Gesamtkontext der Serie eine heile Welt. Klar gibt es ein paar Gaunereien und Trinkgelage (und es darf sogar geraucht werden, eine Sache, die heutzutage in Serien zur Primetime geradezu verpönt ist), aber alles in allem ist die Welt noch in Ordnung. Das Patriachat ist die Keimzeile der Gesellschaft und Vater hat immer Recht. Mit unnachgiebiger Strenge, der keinen Widerspruch der erwachsenen Kinder duldet, führt Vater Doria seine Familie von Erfolg zu Erfolg und auch durch Krisen.
Der Erfolg der Serie fußt natürlich auch auf der Tatsache, dass in jeder Folge eine andere europäische Metropole der Ort des Gastpiels war. Für damalige Verhältnisse war das revolutionär, kam der Großteil der Bevölkerung doch kaum über die deutschen Grenzen hinaus. Salto Mortale war das Tor zur Welt. Ein Erfolgsprinzip das bis heute funktioniert, anders ist der Erfolg von Serien wie dem "Traumschiff" oder "Traumhotel", über deren künstlerischen Wert man ja nun nicht wirklich diskutieren muss, wohl kaum zu erklären.
Dem geneigten Zuschauer von damals wurde in der heimischen Glotze also schon einiges geboten; jede Folge 60 Minuten Reise in eine andere europäische Großstadt, Zirkusluft, Liebe & Intrige, humoristische Einlagen (und damit meine ich weniger die Clownnummern, die im Zirkus schon immer eher peinlich als lustig waren, sondern die Sticheleien zwischen Direktor Kogler, Vater Doria und Künstleragent Jakobsen, die karabettistisches Niveau erreichen), ein Stelldichein der Top-Stars der damiligen, deutschen Unterhaltungsszene mit Gastauftrtitten in der Serie. Salto Mortale war damals ein mediales Ereignis im TV. So etwas gibt es heute leider nicht mehr. Bei 24h Dauerberieselung auf 30+ Sendern ist es auch schwer herauszustechen aus der Maße von Einheitskost.
Für mich waren die 18 Folgen eine fantastische Reise in eine längst vergessene Zeit; bei Anschauen der Bilder, rieche ich förmlich den typischen Geruch in einem Zirkuszelt, die Sägespäne, den Mist und der Duft von Zuckerwatte und anderen Dingen, der eine einzigartige Melange bildete. Ich erinnere mich an die Zirkusvorstellung, bei der dem großen Karakavak (den Namen werde ich wohl nie vergessen) während seiner Nummer ein mittelgroßer Alligator ausbüchste und es ich in der Loge unter dem Stuhl meines Bruders und meiner Wenigkeit bequem machte; damals habe ich mir bald in die Hose gemacht, heute kann ich darüber schmunzeln. Und dann ist da natürlich "klein" Helmut, der kleinwüchsige Clown, der zum festen Inventar des Zirkus Krone gehörte. Durch die Kontakte meines Vaters habe ich viele Artisten und Persönlichkeiten des Zirkus persönlich kennengelernt und auch wenn es damals oft nervig war, muss ich doch sagen; es war eine schöne Zeit. Und Salto Mortale bringt diese Zeit für einen kurzen Moment zurück.