Die Mutter der Seufzer bittet zum Tanz. Der Regen prasselt auf die düsteren Kulissen einer Stadt, die nun nicht mehr Freiburg, sondern Berlin heißt. Suspiria stellt nur nominell ein Remake dar, grob orientiert am Konstrukt von Argentos Meisterwerk schafft Luca Guadagnino eine Hommage, verdichtet seine eigene Vision zu einem gänzlich anderen Film. Die Tanzschule ist geblieben, so auch Susie Bannion, das neue Mädchen – vieles musste weichen. Zum Beispiel die männlichen Schüler, ein klares Zeichen für die feministische Grundauslegung von Guadagninos Neuinterpretation, in der Männer nur bedingt einen Platz finden. Vielmehr geht es um Mütter und Töchter, um starke und schwache Frauen, die sich von ihren Fesseln lösen und patriarchale Geschlechterkonstruktionen subversiv unterwandern. Statt kräftigen Rot und Blau dominieren hier kalte und entsättigte Grautöne. Statt der kompakten, direkten Struktur des Originals arbeitet Guadagnino mit Ellipsen, Einschüben und einem möglicherweise zu umfassenden Konzept. Das Rauschhafte ist geblieben, funktioniert hier jedoch ungleich subtiler. Anstatt des omnipräsenten Grauens des Originals, entlädt der neue Suspiria seinen stetigen Spannungsaufbau nur in ausgewählten, dafür jedoch umso wirkungsvolleren Sequenzen. Thom Yorkes süßlich-melodischer Soundtrack wirkt wie ein Gegenentwurf zum experimentell progressiven Goblinscore des Originals. Was beide eint ist ihre Funktion, wie ein dichter Klangteppich legen sie sich über den Film und drücken der Atmosphäre ihren eigenen Stempel auf. Guadagnino verdichtet Zeit- und Lokalkolorit, findet dadurch auch eine politische Ebene und erzählt nebenbei in Fernseh- und Zeitungsberichten den kompletten Baader-Meinhof-Komplex nach. Das macht Suspiria bisweilen vielleicht etwas überambitioniert, aber nichtsdestotrotz zu einem Film, den wir so zwar nicht erwartet, uns aber dennoch erhofft haben.