Wir schreiben das Jahr 1964. Der italienische Genrefilmmacher Mario Bava hat sich bereits einen Namen gemacht und vier Jahre zuvor mit „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ einen formidablen Horrorfilm abgeliefert. Dass er mit „Blutige Seide“ ein komplettes Subgenre definieren und prägen würde, konnte er bei der Veröffentlichung noch nicht einmal ahnen. An Regisseure wie Dario Agento („Suspiria“) und Sergio Martino („Die Säge des Teufels), welche die Stilrichtung später auf die Spitze treiben sollten, war noch nicht zu denken, aber der Giallo war geboren - und seine Geburtsstunde war gleichsam ein früher Höhepunkt. Denn tatsächlich beinhaltet „Blutige Seide“ bereits alle genrespezifischen Elemente und würde dadurch auch gut in die Hochphase der 70er-Jahre passen. Es ist das Ausreizen des Moments, das effiziente Erzählen und vor allem Inszenieren der Mordsequenzen und weniger die Handlung selbst, was auch noch heute für gelungene Spannung sorgt. Schon die Szenerie, sprich die Mode(l)welt drängt sich quasi für das Subgenre auf, denn auch sie ist ähnlich wie die Stilrichtung selbst durch Oberflächlichkeit definiert. Oberflächlichkeit ist an dieser Stelle jedoch keinesfalls negativ konnotiert, sondern soll vor allem die Reduktion auf die formale Ebene, das reine Sehen eines Films verdeutlichen. Dadurch ist „Blutige Seide“ ein überraschend revolutionärer Film, der als Grundstein des Giallos sicherlich filmhistorischen Wert besitzt, doch auch abseits davon ausgezeichnet funktioniert.