Die Einleitung dieser Review möchte ich nutzen um klar zu stellen, dass ich ein großer Verehrer des südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook („Durst“, „Stoker“) und seiner Werke bin. Vor allem „Oldboy“ ist für mich eine Perle von Film. Ein grandioser, cineastischer Schatz. Ein Meisterwerk bei dem es mir schwer fällt die Worte zu finden, die die Größe dieses Werk richtig beschreiben und zusammenfassen (mein Kollege Kobbi hat es in seiner Review versucht). Als Fan von „Oldboy“ war ich natürlich wenig angetan von den diversen Remakeplänen bei denen auch Namen wie Will Smith und Steven Spielberg zu hören waren. Nun ist es Regisseur Spike Lee („Malcolm X“, „InsideMan“), der die US-Fassung des asiatischen Kultfilms übernahm. Das dabei herausgekommende Endergebnis zählt für mich als Cineast wie auch als Fan des echten Oldboys zu einem der größten Kinoenttäuschung des bald beendeten Kinojahrs 2013. Wenig überraschend, ich weiß, aber ich habe für diese Meinung meine Gründe.
Ein gutes Remake ringt der Vorlage neue, vielleicht noch völlig unbekannte oder vernachlässigte Facetten ab. Im Plagiat sollte ein neuer Ausdruck zu finden sein. Neue Ansichten- und evtl. Herangehensweisen, die das Bekannte in ein neues Licht stellen. Auch wenn der Remakewahn immer fratzenhaftere Züge annimmt, so gibt es doch eine Vielzahl von Filmen, die eine Neuinterpretation durch aus anbieten würde (ein paar dieser Filme haben wir hier zusammengetragen). „Oldboy“ gehört nicht dazu. Das hält die Produzentenmeute aus Hollywood aber natürlich nicht auf, immerhin besitzt der Film gefühlt dutzende von gut kopierbaren Einstellungen und Bildern. Ein Basar feinster visueller Spielerein und Kostbarkeiten. Und dieser Basar wird auch ordentlich geplündert. Doch was hinter den ikonischen Bildern steckt, die Bedeutung, das wahre Innere, wird dabei mit Füßen getreten. Warum? Weil es unbeachtet bleibt.
Während Spike Lee bekannte physische Motive des Originals noch aufgreift – nur um sie plump als handelsüblichen Fan Service darzubieten – bleibt die psychologische sowie poetische Ebene des Remakes ein kaltes Nichts. Ein lustloses Abarbeiten all jener Szenen und Bilder, die den Kult rund um Chan-wooks Mittelteil seiner Rache-Trilogie seit Jahren zur verlässlichen Quelle von Postern und anderen dekorativen Devotionalien machen. Hier jedoch wird dem Zuschauer der Schlüssel zur Imagination, zur Erstellung eigener Bilder und Ansichten verwehrt. Alles wird gezeigt. Für den Augenblick der Betrachtung mag dies härter und kräftiger erscheinen als beim südkoreanischen Rachefeldzug, doch diese Wirkung haftet nur einen kurzen Augenblick. Danach entschwindet sie wieder. Nichts setzt sich fest. Vor allem Joe nicht. Das besonderer an Oh Dae-su war, dass seine Figur etwas Animalisches hatte. Die Zeit in seiner Zelle, sie vernichtete nicht nur Träume und Hoffnungen, sondern auch seine Menschlichkeit. Lees „Oldboy“ hingegen fehlt dieses Attribut. Dafür erweitert er die Exposition des Charakters, macht aus ihm sogar einen Alkoholiker. Dabei ist es gewiss durchaus mutig, dass nicht versucht wurde Joe, den amerikanischen Oh Dae-su, sympathisch darzustellen, aber wie krampfhaft versucht wird dem Zuschauer zu beweisen, ja regelrecht unter die Nase gerieben wird, welcher antisoziale Persönlichkeit er ist, wirkt verkrampft, unnötig und raubt der Film einiges an Tempo. Nicht nur bei der Charakterisierung der Hauptfigur beweist „Oldboy“ durchaus Mut. Auch die Auflösung hätte schlimmer ausfallen können, aber obwohl diese durchaus an den Magentritt des Originals heranreichen könnte (eine Eigenschaft die das erste „Oldboy“-Remake, der indische Thriller „Zinda“, schmerzlich vermissen ließ), wirkt es eher schwächlich umgesetzt. Der Grund? Der liegt an der Umsetzung des Masterminds hinter Joes Gefangenschaft. Der südafrikanische Darsteller Sharlto Copley („District 9“ „Elysium“) gleicht der Parodie eines Schurken. Mit seiner körperlichen Erscheinung und seiner gesamten Körpersprache würde eher als Bond-Gegenspieler passen. Dazu wirkt die gesamte Dramatik des Films viel zu schwächlich. Es ist nicht mehr eine donnernde Faust die gegen Stein schlägt, sondern mehr ein impertinentes Kratzen gegen den Juckreiz der Ideenlosigkeit.
Spike Lees Versuch einer der (zumindest für den Autor dieses Textes) besten Filme aller Zeiten neu zu interpretieren ist misslungen. Vollständig. Dieser „Oldboy“, er wirkt so als ob die Macher nicht verstanden haben oder es verstehen wollten, dass es in der Geschichte um Rache geht, aber eben auch um eine Entwicklung und vor allem um Einsamkeit. Die Szenerie mit Joe in seiner Zimmerzelle entbehrt jedweder Intensität. Während bei Chan-wook ein Off-Kommentar von Oh Dae-su die Ereignisse begleitete und so ins Seelenlebe des Protagonisten einen Einblick gewährte, bleibt Joe im Remake profillos. Es sind die Details des Originals etwa wenn Oh Dae-su erklärt wie wichtig der Fernseher ist, die eine wirkliche Kraft haben, nicht die Kampfszenen. Auf die versteift sich das Remake aber und hier verfestigt sich der Gesamteindruck des Films. In der legendären Schlacht, innerhalb der Flure des Zellenkomplexes, hatte die Kamera weit größeren Abstand als bei Lee. Das ist bezeichnend. Lee geht überall näher heran, außer bei dem was wirklich zählt. Mehr optische Nähe, weniger Phantasie und Psychologie. Zugegeben nicht der eleganteste Vergleich aber er drängt sich auf.
Weniger aufdringlich und damit ein weiteres Teilstück im Versagens-Mosaik des Remakes ist der fehlende Exzess. Park Chan-wook gelang es meisterlich die aufgestauten Gefühle der Hauptfigur, bestehend aus Wut, Misstrauen und Einsamkeit, in einen aggressiven Sturm zu wandeln. Ein Sturm, der auch sexuelle und vor allem Komponenten der Verzweiflung innehatte. Jederzeit spürbar dank des grandiosen Spiels von Choi Min-sik („New World - Zwischen den Fronten“, „I see the Devil“). Josh Brolin gelingt es nicht diese mit ausreichend Stärke zu transportieren. Sein "Oldboy" bleibt eine müde Nachskizzierung, deren Akt der Vergeltung im Fokus steht. Die essentiellen Fragen des Originals nach Menschlichkeit, Schuld und der Zerstörung der Seele wird außen vor gelassen, stiefmütterlich aufgerollt oder fragmentarisch behandelt ohne dabei ein glaubwürdiges, eindringliches Ergebnis zu erzielen. Dabei versteht es Lee den Film auf westliche Geschmäcker umzustellen. Das kurios Groteske des 2003er „Oldboy“ (was bereits dem ersten Remake "Zinda" fehlte) kommt hier nicht vor, einmal abgesehen von Samuel L. Jacksons Rolle des Kellermeisters Chaney. Logik vor Leidenschaft. Blutrünstigkeit vor seelischer Grausamkeit. Die Simplizität siegt über das Verspielte. Die Schönheit sowie die Poesie aus Entsetzen und Grausamkeit ist im Remake ganzheitlich getilgt. Es bleibt ein gewöhnlicher Rachetrip übrig.
Spike Lees „Oldboy“ ist ein schlechtes Remake und leider auch ein schlechter Film. Dass das Schicksal von Joe nicht mehr weckt als ein lethargisches Schulterzucken liegt nicht an fehlender Empathie sowie Sympathie, sondern einfach auch an der bleieren Inszenierung ohne echten Tiefgang. Die herausstechenden Szenen sind bloße Kopien, deren wahre Bedeutung und visuelle Kraft niemals erreicht werden. Es wirkt fast so, als ob Regie, Produktion und Drehbuch den Originalfilm zwar kennen, sich aber niemals mit dessen Tiefe und Aussage wirklich auseinander gesetzt haben. Die Money Shots waren das, was wichtig war. Alleine auf sie wird sich hier wirklich konzentriert. Sehr müßig und enttäuschend ist das Endergebnis. Egal ob nun als loser Film oder als Remakes betrachtet. So oder so fehlt die Raffinesse, das Herz, das namenlose Besondere des Originals. Nennen wir es einfach Seele.