In der Filmographie von Regisseur Peter Berg geben sich diffuser Blockbuster-Schwachsinn, kurzweilige Actionspäße und anspruchsvolles Spannungskino die Klinke in die Hand. Zwar wird Berg nach der eher unbefriedigend zu Ende konzipierten Superheldendestruktion „Hancock“ und dem durch und durch stupiden Alien-Invasion-Flick „Battleship“ immer in der Ecke des Big-Budget-Kinos gesehen, doch sollte nicht vergessen werden, dass er mit „Operation: Kingdom“ einen der besten und ehrlichsten Action-Thriller der letzten Jahre inszenierte. Die Geschichte eines FBI-Teams, die in Riad einen Anschlag auf eine amerikanische Wohnstadt untersucht kümmerte sich nicht bloß ein patriotisches Schaulaufen, sondern warf einen teils brutal-entmystifizierenden Blick auf die Arbeit des FBI und offenbarte die Schuldigkeit beider Konfliktseiten. Im Prinzip ist Peter Berg also der richtige Mann, wenn es darum geht einen differenzierten Blick auf ein Krisengebiet zu werfen.
„Lone Survivor“ wäre eigentlich genau der richtige Film für Peter Berg. Die wahre Geschichte eines Einsatzes von einer Gruppe SEALs, der in einer Katastrophe endet, bietet eine Menge Material um den gegenwärtigen, militärischen Einsatz der US-Army kritisch zu hinterfragen, doch davon hält Berg teils meilenweiten Abstand. Recht schnell wird klar, hier zählt nur eines: die Heroisierung der Soldaten. Warum auch nicht? Viel müssen diese Leisten. Doch wie ihre Arbeit, ihre Professionalität und vor allem ihr sterben zelebriert wird, ist erschreckend dumpf und blindgläubig. Dabei gäbe es wahrlich genug Rezeptoren, um aus „Lone Survivor“ mehr zu machen als eine direkte Lobeshymne für’s tapfere Sterben im Namen des Vaterlandes. Besonders hervorstechend ist dabei, dass der gesamte Konflikt, der sich im Laufe des Films aufbaut, durch Kommunikation hätte entschärft oder sogar gänzlich verhindert werden können. Dabei ist nicht nur der Ausfall des Funksystems gemeint sondern auch der Dialog zwischen den Invasoren und den Entopischen. Wieso schickt das US-Militär physisch perfekt ausgebildete Männer und Frauen in ein Gebiet, ohne ihnen zumindest die rudimentär Sprache der Einheimischen beizubringen? Im Grunde ist „Lone Survivor“ ein auf Film gebanntes Mahnmal für eine gemeinsame Kommunikation. Nur scheint sich Peter Berg dem gar nicht wirklich bewusst gewesen zu sein und inszenierte aus einem guten Ansatz nicht mehr als relativ ungeschönte Promotion für den amerikanischen Außeneinsatz.
Ein erklärtes Ziel von „Lone Survivor“ ist auch die Gegenüberstellung zweier Helden. Zum einen Scharfschütze Marcus Luttrell (auf dessen Erinnerungen das Buch, welches hier filmisch adaptiert wurde, beruht) und der Bauer Mohammed Gulab, der den von den Taliban gehetzten Lutrell bei sich aufnimmt, pflegt und vor seinen Häschern versteckt. Es wäre gewiss ein Leichtes gewesen auch Gulab zum Helden zu stilisieren, auch dessen Courage und Entschlossenheit ein kinematographisches Denkmal zu setzen, doch diese beiden, unterschiedlichen Heldentypen begegnen sich nie auf einer ebenbürtigen Augenhöhe. Die, zumindest fürs Militär, Heldentaten von Luttrell zählen bei „Lone Survivor“ mehr als die Widersetzung eines kleinen Dorfs gegen die Taliban. Dem Dorfbewohnern sowie Gulab, der als Initiator des Widerstands behandelt wird, erhalten nicht mehr wie ein freundliches Nicken und einen schwachen Dankes-Händedruck. Dabei hätte vor allem Gulab wahrlich mehr verdient, denn wegen der bereits erwähnten mangelnden Kommunikation benimmt sich Luttrell, überspitzt ausgedrückt, wenig rettenswert. Umso erstaunlicher, dass Peter Berg trotz allen die beiden wichtigsten Figuren niemals gleichberechtigt behandelt, was nicht nur daran liegt, das Gulab erst viel zu spät im Film eingebracht wird. Aber gut, „Lone Survivor“ braucht eben seine Zeit um auch wirklich jeden amerikanischen Soldatentod akribisch einzufangen.
Als Mohammed Gulab ist übrigens Ali Suliman zu sehen, den Berg bereits in „Operation: Kingdom“ im Cast hatte. Dort hatte Suliman, der u.a. auch in gefeierten Filmen wie „Paradise Now“ oder „Lemon Tree“ zu sehen war, wesentlich mehr zu tun und wurde damals als wahrer Hauptdarsteller gefeiert. Diesen Status hat er hier nicht inne, denn diesmal fokussiert sich Berg ganz klar auf seine Stars aus Hollywood. Neben Mark Wahlberg werden hier auch Taylor Kitsch (drehte mit Berg bereit „Battleship“), Ben Foster (der in „The Messenger“ mitwirkte, einen der wohl besten, neueren Filme zum Thema Krieg ), Eric Bana („Star Trek“, „Wer ist Hanna?“) und Emile Hirsch („Into the Wild“, „Prince Avalanche“) in die sandfarbenen Uniformen gesteckt, um im Niemandsland von Afghanistan peu a peu mit patriotischem und pathetischem Geheule ihr Lebenslicht zu verlieren. Egal wie man nun zu Wahlberg steht, oder zu Kitsch und Bana, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass in „Lone Survivor“ ein Haufen bekannter und/oder begnadeter Schauspieler verheizt wird. Da bleibt nur die Hoffnung dass endlich jemand das enorme Talent von Ben Foster für die große Leinwand entdeckt. Der gute Mann verdient mehr Hauptrollen, auch wenn er sich hier für klebrig-kleistrigen Todeskitsch hergibt.
„Lone Survivor“ ist nicht mehr als ein Fest des Sterbens. Jede Kugel die durchs amerikanische Soldatenfleisch zischt wird mit brutaler Romantik inszeniert. Dazu wird der Konflikt nur von einer militärischen, nicht aber von einer humanen Seite beleuchtet. Das Ergebnis ist eine wahre Geschichte die uns rühren und Respekt für die Soldaten beibringen soll, doch wie herz- und gewissenlos muss man sein, um nicht zu erkennen, dass dahinter nicht mehr steckt als Propaganda, errichtet auf einem Berg zerschundener Körper.