Onkel Reiner war mit Tante Claudi in Bella Italia. Mit einer Reisegruppe waren sie ein langes Wochenende dort. Mitgebracht haben sie Sonnenbrand, Heizdecken (sie wollten nix kaufen, aber der Verkäufer war einfach so nett) und das Gefühl Italien nicht nur zu kennen, sondern auch zu verstehen. Claudi und Reiner kaufen an der Fleischtheke jetzt nur noch "Pro-Schuto" und das Feierabendbier weicht immer öfters Vino (natürlich der gute mit dem Plastikkorken). Onkel Reiner und Tante Claudi sind „House of Gucci“. Das Bild, welches der Film von Italien zeichnet, ist genauso wie sich Reiner und Claudi Italien vorstellen, nach dem sie 2 ½ Tage dort waren. Hier Vespa, da Espresso, dort drüben eine Löffel Gelato (nicht so viel, Claudi hat ja Diabetes). Die True-Crime-Schmonzette zelebriert dieses Bild, allerdings ist das bei weitem nicht die größte Exaltiertheit die dargeboten wird.
Auftritt: Die Besetzung. Wo soll ich da anfangen? Okay, auch wenn er nur eine Nebenrolle hat, aber ich muss es loswerden. Ich bin eigentlich kein Fan von Jared Leto. Aber seine Leistung in „House of Gucci“ war so speziell, affektiert, vergnüglich und unbeschreiblich (zumindest für mich), dass ich ihm jetzt durchaus wünsche, dass sein Raumschiff ihn endlich wiederfindet und nach Hause bringt. Al Pacino ist derweil Al Pacino. Nicht der aus „The Irishman“ mehr der aus „Jack & Jill“. Nicht verkehrt und überaus einprägsam, aber halt auch nicht so richtig geil. Wer noch? Ach ja, Jeremy Irons. Der sieht mehr Tod als lebendig aus. Passt. Er spielt wahrscheinlich auch echt gut, aber das Drehbuch besteht halt aus 150 Seiten Telenovela (es gibt sogar eine verrückte Katzenlady). Kommen wir zu den zwei Hauptstars:
Lady Gaga. Nun, ich bin kein Fan ihrer Musik. Als Darstellerin ist sie mir erst mit „A Star is Born“ aufgefallen und das auch nur, weil sie so gespielt hat, als hinge ihre Oscar-Nominierung davon ab. Tat es wohl auch. Das tut sie hier erneut. Aber bei „House of Gucci“ passt es recht gut, dass sie nach jeder größeren Szenen das Gefühl evoziert, sie würde gleich vier Schritte aus den Kulissen hervor ins Rampenlicht treten, eine Trophäe annehmen, um dann Mutter, Vater, Gott und der Academy zu danken. Gut gemacht, würde ich sagen.
Die ärmste Sau im Film ist Adam Driver. Er hat ja vor „House of Gucci“ bereits bei „The Last Duel“ (sehr gut, gibts auf Disney+) mit Ridley Scott zusammengearbeitet. Ich weiß nicht, ob Driver dem alten Regie-Haudegen da etwas Gemeines angetan hat, aber ich finde es nicht sehr nett von Scott, dass er anscheinend jedem Besetzungsmitglied gesagt hat, was für eine überhöhte Drama-Travestie das wird, nur nicht Driver. Der spielt so dezent, dass er in vielen Momenten regelrecht von seinen Kollegen im Over-the-Top-Modus verschlungen wird. Aber auch hier muss ich sagen: Dat passt so.
„House of Gucci“ ist ein Drama mit der Wertigkeit von Primark, aber genau das macht den Reiz des Filmes aus. Es ist ein zu überheblicher, zu theatralischer, zu breitärschiger und zu großen Teilen auch zu selbstsicherer Versuch aus einer Tragödie eine boulevardeske Kriminalposse zu machen. Hab ich gemocht. Nicht sehr, aber ein bisschen. Onkel Reiner und Tante Claudi sind hingegen große Fans. Liegt vermutlich auch an den Songs. Musikalisch wird im Film das aufgefahren, was Reiner gerne im Partykeller auflegt. Sogar was von Pavarotti ist jetzt dabei. Ehrensache, wer Bella Italia kennt wird‘s verstehen.