Im gleichen Jahr wie KNALLHART sorgte auch der vom WDR produzierte Fernsehfilm WUT für anhaltende Diskussionen darüber, wie extrem sich Jugendgewalt in Deutschland inzwischen verselbstständigt hat. Die Printmedien schrieben sich die Finger über diesen Film wund, verteufelten ihn, beschützten ihn und bewarben ihn damit – zum Glück. Themensendungen wurden extra ins Leben gerufen, türkische und deutsche Journalisten kamen zu Wort, türkische und deutsche Jugendliche beschrieben ihre Perspektive und bewarben WUT damit – zum Glück. Züli Aladag hat hier nämlich einen Stoff inszeniert, der aufgrund seiner moralischen Schwierigkeit unbedingt sehenswert ist. Wie schon KNALLHART läuft natürlich auch WUT Gefahr, auf die Darstellung eines gewalttätigen Türken-Milieus reduziert zu werden und dadurch fremdenfeindlichen Tendenzen zu schüren. Aladag, selber 1973 nach Deutschland immigriert, aber gelingt es, ohne therapeutischen Zinnober Motivationen und Brennpunkte auf beiden Seiten eindeutig zu verdeutlichen. Angesiedelt in Berlin-Temeplhof beginnt der Film mit Felix, der aus gut-situierten Verhältnissen stammt, aber ständig von Can schikaniert, körperlich angegangen und tyrannisiert wird. Felix' Vater versucht die Sache zu regeln, gelingt ihm aber nicht – und die Gewaltspirale, auf Aladag mit inszenatorischer Schärfe ins Rollen bringt, nimmt ihren bitteren Lauf. WUT holt zwei Kulturen dabei in ihrer offenen Hilflosigkeit ab: Die entwurzelten Türken, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland geholt wurden und deren Kinder und Kindes Kinder inzwischen die Rückseite der Integrationspolitik darstellen, und die sich weltgewandt glaubenden Deutschen. Liberal, gebildet, aber keine Ahnung davon, was wirklich auf der Straße abgeht. Daraus entsteht ein brodelnder Gefühlscocktail, der interkulturelle Baustellen in Form von sozialen Konflikte behandelt und gnadenlos Tragik und Verzweiflung an die Oberfläche kehrt. Das ist ambivalent und, ja, sicherlich kontrovers bisweilen, aber genauso wichtig und richtig. Für einen deutschen Fernsehfilm wirklich respektabel.