Durch die mit einem Messer herbeigeführten Kerben im Türrahmen wird Oskars Größe festgehalten. Nur einige Jahre soll es in Anspruch nehmen, wird ihm zugesichert, bis auch er sich auf Augenhöhe mit seinen Verwandten befindet. Und sogleich ihn diese Worte treffen, entgleist dem Burschen im Bruchteil einer Sekunde ein angewidertes Naserümpfen. Oskar will nicht wachsen, eigentlich wollte er nicht einmal seine embryonale Haltung aufgeben, hätte seine Mutter ihm nicht versprochen, eine Blechtrommel bereitzuhalten, wenn Oskar seinen dritten Geburtstag feiert. In Völker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ wird Oskar zum zeitweise heldenmütigen Nonkonformisten; zu einem, der den Mut aufbringt, sich aus der Sozialmulde des Kleinbürgertums aufzulehnen, der die Blechtrommel dort widerborstig scheppern lässt, wo all die anderen als Situationisten und Mitläufer blindlings nach den gesellschaftlichen, politischen, physiologischen Pfeifen tanzen. Man könnte „Die Blechtrommel“ da schon als adaptierten Gegenentwurf eines Entwicklungsromans, destilliert aus dem Danziger Legendensumpf, deklarieren, würde Oskar sich zum Ende nicht doch darauf besinnen, sich der Wirklichkeit zu stellen, anstatt sie weiterhin, quasi vegetativ, abzulehnen. Oskars affektives Naturell reift; es wächst und gedeiht, wenn auch vorerst nur im übertragenen Sinne, bis sich schließlich deutlich macht: Ja, „Die Blechtrommel“ darf sich als überaus treffliches Zeit- und Sittengemälde verstehen lassen, weil sie eine scheinheilige Generation beschreibt, die sich selber nicht versteht, aber unbedingt Kapital aus ihren inneren Differenzen ziehen möchte, auch wenn sie sich dafür selbst verleugnen muss.