Was muss man sich nicht alles gefallen lassen, als einer der heute irgendwie vergessenen, damals aber ganz großen Filmschaffenden, wie Paul Schrader sie verkörpert? Damals mit dem Buch zu Taxi Driver und der Regiearbeit bei beispielsweise Mishima: A Life in Four Chapters immer wieder Garant für herausragende Filmkunst abseits der Gewohnheiten, heute… wenig. Was war eigentlich das letzte Projekt, das man von ihm aufmerksam verfolgt hat? Eigentlich auch egal, denn Schrader ist jetzt wieder da, hat sich mit Nicolas Cage und Willem Dafoe zwei alte Bekannte mitgenommen (beide kennt er durch Marty Scorseses Arbeiten) und macht einen auf William Friedkin. Der hat nämlich sein bislang letztes Regie-Werk Killer Joe dem Publikum so wunderbar süffisant vor den Latz geknallt, wie es nur solche alten Hasen können, die die Filmlandschaft noch anders kennen. Jene, denen Jahr für Jahr gesagt wird, sie könnten keine Gewinne mehr generieren. Diese, die dann einen filmischen Mittelfinger aufs Zelluloid bannen. Gelobt seien sie.
Dog Eat Dog ist dann auch schließlich einer dieser Filme geworden, bei denen man dem Regisseur anmerkt, dass er (und das schreibe ich nun mit jedem erdenklichen Maße an Respekt) im Alter immer noch gehörig auf die Kacke hauen kann. Schrader empfängt den Zuschauer mit einer vorsichtigen Ausgangslage. Im TV läuft eine Talkshow, wo ein Verfechter der Zweiten Erweiterung der Verfassung der Vereinigten Staaten (in der das Recht auf Waffenbesitz garantiert wird) mit dem Moderator argumentiert, weshalb es einfach eine Pumpgun braucht, um ruhig schlafen zu können. Über dieses Bild lässt Paul Schrader ganz nüchtern seinen Namen einblenden. I’m back, bitch. Und jetzt halt dich fest. Man mag nämlich zunächst einen bemitleidenden Ton zu erhaschen meinen. Schrader distanziert sich klar von dem Waffen-Idioten da im TV, aber nicht auf eine sachliche Art und Weise, sondern indem er jegliche Richtwerte hinter sich lässt und einfach alle Moralitäten in den Boden stampft. Wer eine Pumpgun braucht, um sein Haus vor koksenden Irren zu beschützen, der vergisst bestimmt, dass auch koksende Irre (darf ich vorstellen: Willem Dafoe) eine Pumpgun besorgen können.
Schrader zeigt; wir leben in einer schrecklichen Welt, in der der Schrecken durch die Medien noch künstlich aufgeplustert wird - obwohl das gar nicht nötig wäre. Der Regisseur weiß das und sagt dem den Kampf an, indem er ebendiese ins schwer zu Konsumierende erhöht. Er versucht, die Welt mit den eigenen Mitteln zu schlagen. Grund zur Besserung/Änderung in den Medien - auch im Kino - ist selten Rationalität, sondern einfach Übersättigung. Schrader positioniert die Kamera mehrmals extra in einer besseren Position, um die Gewalt, das Blut und alles was so dazu gehört besser im Frame zu haben. Er spielt dabei immer wieder mit inszenatorischen Regeln, mit Humor, Geschmacksgrenzen, testet diese aus, mal mit Applaus, mal mit Abneigung als Ergebnis - verlieren tut er den Zuschauer dabei nie. Es ist nämlich bewusst, dass es hier um wichtigeres geht, als darum, mal wieder von irgendeiner Formulierung eines dahergelaufenen Idioten im Namen anderer beleidigt zu sein. Schrader dehnt mal aus, dann staucht er wieder zusammen. Er fabuliert und musiziert, dirigiert und inszeniert. Er macht alles, worauf er Lust hat in dem Stil, auf den er gerade Lust hat. Er geht von den 2010ern in das antike Griechenland, von den 40ern in die Generation Facebook. Müde wird er dabei nicht. Und auch wenn er wenig bis gar nichts dem Zuschauer vorgekaut und unterschrieben am Ende darlegt, so reißt er doch viele Gedanken an. So viele, dass man am Ende gar nicht sicher ist, ob man jetzt totale Grütze oder das Werk eines Genies gesehen hat. Momentan stimme ich für letzteres.