Geschrieben für donnerknispel.net
"Die Reise mit Vater" oder warum ich Deutsches Kino (manchmal) hasse.
Nachdem ich im letzten „Kinoquatsch mit Nico“ so begeistert vom Trailer des Films „Die Reise mit Vater“ war, habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen für donnerknispel auch am Tag des Kinostarts in die Berliner Brotfabrik zu gehen. Dort fand ein intimes Screening im Beisein der Hauptdarstellerin Susanne Bormann statt.
Kinostart: 17.11.2016
Titel: Die Reise mit Vater
Regie: Anca Miruna Lazarescu
Dauer: 111 Minuten
Genre: Tragikomödie
Die Reise mit Vater versteht sich selbst als Tragikomödie, die von Liebe und Freiheit handelt. Anca Miruna Lazarescu erzählt in diesem Film, die wahre Geschichte ihres eigenen Vaters. Der Film spielt im Jahre 1968. Es geht um die beiden Brüder Mihai und Emil, welche unterschiedlicher nicht sein könnten und ihrem kranken Vater. Während Emil Regimegegner ist, sieht sich Mihai, der als Arzt arbeitet, gezwungen für den Staat zu spitzeln. Durch Mihais Kontakte ist es Ihnen erlaubt das Land zu verlassen und in die DDR zu reisen. Dort soll der kranke Vater am Hirn operiert werden.
Doch kaum in der Deutschen Demokratischen Republik ankommen, werden sie gegen ihren Willen in ein überwachtes und improvisiertes Touristen-Auffanglager gesteckt. Im Rahmen des Prager Frühlings hat sich die Welt um sie herum verändert: Die Sowjetunion hat die Grenzen zur CSSR dicht gemacht. In diesem Touristen-Auffanglager lernt Mihai die Münchner Studentin Ulli kennen, die sich als starke, emanzipierte Frau in der Studenten-Bewegung engagiert und in einer großen kommunenartigen Wohngemeinschaft lebt. Er ist fasziniert von dieser Frau, die sich scheinbar nichts gefallen lässt und sich zudem für Politik interessiert.
Durch ein Transitvisum, welches durch die BRD führt, soll die Familie wieder nach Rumänien zurückkehren. Doch die drei wollen die westliche Freiheit, die sie sich nie erträumt hätten, genießen und fahren nicht nach Hause sondern in Ullis WG. Dort treffen unterschiedliche Vorstellungen von Sozialismus aufeinander. Während Mihal, Emil und ihr Vater genau vor einem sozialistischen System der Unterdrückung, Angst und Kontrolle fliehen, so sehnen die Kapitalismus-hassende Studenten-Bewegung sich einen sozialistischen Staat herbei. Für die drei stellt sich die Frage: Was bedeutet Heimat für sie selbst? Möchten sie die neu gewonnene Freiheiten genießen oder doch in ihre Heimat zurück?
Es ist eine spannende, emotionale Verfilmung gelungen, die zu Recht auf dem Filmfest München mit dem Spezialpreis der Förder-Jury ausgezeichnet wurde.
Dieser Film macht mir einmal mehr deutlich, was ich am deutschen Kino so hasse:
Ein starbesetzter Klamauk-Film mit angeblichen politischen Deckmantel wie „Wir sind die Hartmanns“ hat eine riesige Produktionsfirma im Rücken und verballert ewig viel Geld in Werbung und alle laufen wie die Lemminge ins Kino und katapultieren diesen nichtssagenden Film auf Platz 1 der Kinocharts.
Auf der anderen Seite dieser wirklich politisch relevanter Film, der mit so viel Leidenschaft und Herzblut realisiert wurde und eine wirklich rührende Geschichte aufweist. Dieser Film läuft in einem kleinen 61-Sessel-fassenden Kino in der Brotfabrik, welches leider selbst am Premierenabend beim Screening mit der Hauptdarstellerin nicht voll besetzt war. Das macht mich traurig. Dieser Film von einer extrem talentierten Regisseurin und Drehbuchautorin, welcher zeitgleich ihr Debüt-Langspielfilm ist, hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.
Ich kann dir nur ans Herz legen diesen Film in einen der wenigen Programmkinos in denen er läuft wahrzunehmen (in der Berliner Brotfabrik läuft er z.B. noch die nächsten 2 Wochen). Der Film lohnt sich wirklich. Sowohl die bereits erwähnte politische als auch emotionale Geschichte, als auch die kunstvolle Bildsprache, die Schauspiel-Leistungen und die Film-Musik. Ich bin Fan.
Du solltest den Film sehen, wenn …
du nicht davon abgeschreckt bist mal einen Film mit Anspruch zu sehen, du die Wörter „Prager Frühling“ und „Sozialismus“ nicht erst googeln musstest und wenn du Lust auf einen herzerwärmenden, ungewöhnlichen und doch authentischen Road-Movie hast und zudem das Glück hast in der Nähe eines der Programmkinos zu wohnen, die diesen Film zeigen.
Das donnerknispel Barometer steht auf 4/5