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RestlessKid

Kritik von RestlessKid

In den widerlichen Straßen von NYC
"I was standing down New York town one day
Standing down in New York town one day
Standing down in New York town one day
Singing Hey, Hey, Hey, Hey

I was broke, I didn't have a dime
I was broke, I didn't have a dime
I was broke, I didn't have a dime
Singing Hey, Hey, Hey, Hey"

Woody Guthrie: New York Town

Permanent Shit

Mit seinem Debut lädt Jim, der Slacker zu einem sehr persönlichen Streifzug durch die verschissenen und schlaglochübersäten Straßen und müllverseuchten Hinterhöfe von NYC ein. Gleich mit seinem Erstling hat Jarmusch auch einen der erlichsten Slackerfilme gemacht.

Der typische Slacker: Einer, der für die allgemein gefestigte Lebenweise (Schule, Ausbildung/ Studim, evtl. Arbeitslosigkeit und ein erneutes Studium/ erneute Ausbildung, dann endlich Arbeit; aber nach einiger Zeit (vielleicht) schon wieder Arbeitslosigkeit; danach Rente/ Pension und schließlich Tod (Herzinfarkt, Schlaganfall, Alzheimer, Selbstmord...) kaum Verständnis hat und bei seinen den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werdenen "vorbildlichen" und "hart arbeitenden" Mitmenschen teils mitleidiges, aber oft verärgertes Kopfschütteln, Achselzucken oder Faustschwingen auslöst. Im Kino und der Literatur gerne als Charakter dargestellt, der sich mit dem (Wenigen), was er hat, zufrieden gibt (z.B. Mindestlohn (Clerks)) und so glücklich bis an sein Lebensende verbringt. Nichts gegen den Mythos, schließlich ist Clerks einer meiner Favoriten. Und außerdem steckt noch viel mehr hinter dem Menschentypus Slacker; darauf will ich hier aber nicht eingehen, dafür gibt es ja schließlich noch den Film Slacker. Aber in der Praxis läuft die Lebensweise eines Slackers auf schlecht bezahlte Arbeit oder Arbeitslosigkeit, auf jeden Fall Armut hinaus (In den USA sagt man Slacker, in Deutschländ (Hartz-IV-)Assi). Mit Permanent Vacation zeigt uns Jarmusch nun einen Slacker, der noch nicht einmal das hat, was für den klassischen Slacker eigentlich selbstverständlich, ja überlebensnotwendig ist, nämlich Freunde, die ihm (am besten mit Geld) helfen und unterstützen und vielleicht doch motivieren können. Jarmusch zeigt uns ganz offen, was es heißt, im Grunde wirklich ganz allein auf der Welt zu sein. Permanent Isolation.

Es ist das Jahr 1979/80. Jimmy Carter ist Präsident und Ronald Reagan wird bald Präsident. Das sollte eigentlich schon alles über die Atmosphäre sagen, die Permanent Vacation auszeichnet. Sie ist nicht nur Jarmusch-typisch melancholisch, sondern durch und durch trostlos.
Denn auch Jimmy Carter hat die nationale Wirtschaftskrise, in der das Land seit 1973 versunken ist, nicht in den Griff bekommen. Die Folgen liegen auf der Hand: Anstieg von Arbeitslosigkeit, meist verbunden mit Obdachlosigkeit und unerträglicher Armut sowie einem Anstieg der Kapitalverbrechen.
Mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Industrie setzte auch eine Verwahrlosung des sozialen und kulturellen Lebens ein, die Ronald "Ich-lerne-jeden-Tag-neue-Leute-kennen"* Reagan in seiner Amtszeit (natürlich mit voller Absicht) verschlimmern wird. NYC war dem Bankrott nahe.

*wenn du weißt, was ich meine...

Nun ist es leider so, dass positive Kreativität oft von negativen Umständen beeinflusst, überhaupt erst möglich gemacht wird. Künstler, die es ernst mit ihrer Arbeit und gut mit den Menschen meinen, befinden sich permanent in einem Dilemma. Denn bevor sie sich daran machen können, Missstände aller Art zu veröffentlichen, zu bekämpfen und hoffen, sie mit ihren Medien einschränken zu können, müssen sie erst einmal die Wirklichkeit, also eben auch diese Missstände zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Das heißt also, dass sie paradoxerweise gerade von den Sachen profitieren, die sie eigentlich kritisieren wollen. Das Yin und das Yang, sozusagen

Unter dem Einfluss der desolaten Situation im wirtschaftlichen und sozialen Bereich etablierte sich in NYC der 1970er Jahre ein in höchstem Maße unkonventionelles Indie-Kino, das No Wave Cinema. No- bzw. Low-Budget-Produktionen. Schnell geschrieben, schnell gefilmt, haben sich diese Filmemacher (die in dt. Landen relativ unbekannt sind; bis auf Jim Jarmusch oder Tom DiCillo) vor allem einem Auftrag verschrieben: Die Welt so zu zeigen, wie sie ist und nicht, wie man sie gerne hätte. Konsequenter Realismus. Sich mit den Themen auseinandersetzen, die sonst keinen interessieren. Wie Charles Buwoski mal gesagt (oder geschrieben hat): "Ich fotografier nur die Scheiße um mich herum, das ist meine Kunst."

Wobei sie sich teilweise vor keinem Tabu gescheut haben. Kaputte Gesellschaft, kaputte Familien, kaputte Menschen, ultrabrutale Gewalt, Sex, … Alles dabei; z.B. der Film You Killed Me First von Richard Kern. (Siehe auch die Doku Blank City)

Nur wenige dieser Filme haben es geschafft, richtig bekannt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Permanent Vacation ist einer davon. Obwohl Jarmusch auf Gewalt und Sex (verzichtet, ist Permanent Vacation im Großen und Ganzen doch eine Zusammenfassung des No Wave Cinema und gleichzeitig der Höhepunkt dieser Bewegung.

Permanent Hypnosis

Das Kunststverständnis der No Wave Kultur war einfach: Jeder kann Filme machen. Drehbuch? Nicht so wichtig. Ideen, Aussagen und expressive Bilder statt komplexer Handlungen und Figuren. Technikverständnis? Nicht so wichtig. Hauptsache man kann die Kamera ein- und ausschalten und den Film wechseln. Schauspielerfahrung? Nicht so wichtig. Hauptsache die Dialoge werden authentisch vorgebracht und das Engagement der Schauspieler ist ernst gemeint.

Der Aufbau der „Story“ von Permanent Vacation wird gleich zu Beginn des Films erläutert:
What’s a story anyway except one of those connect-the-dots-drawings that in the end forms a picture of something?

Diesem Prinzip folgend, bewegt sich der gerade mal 16-jährige Allie “Blam Blam” Parker durch New York, von einem (heruntergekommenen) Ort zum anderen. Von einem (leblosen) Menschen zum andern. Das war’s. Fertig. Auch wenn der Zuschauer durch diesen Stil einiges von NYC zu sehen bekommt, weigert Jarmusch sich, aus seinem Film eine Art Sight-Seeing-Tour zu machen und bildet quasi ein radikales Gegenstück zu Woody Allen u. a, für die NYC in erster Linie eine romantische Heile-Welt-Atmosphäre besitzt. Nein, Jarmusch zeigt keinesfalls eine Stadt voll Glanz und Glamour. Er verzichtet darauf, das allseits bekannte New York mit seinen Attraktionen zu zeigen. Von der Freiheitsstatue beispielsweise ist in diesem Film nichts zu sehen. Halt, Stop. Gegen Ende, ist sie bei einem kurzen Kameraschwenk zu sehen; bezeichnenderweise, wenn Allie bereits auf dem Schiff ist, das ihn von den USA fort bringt und sich die Kamera, dem Schiff folgend, immer weiter von New Yorker Hafen entfernt.

Es wäre auch absurd und, mit Verlaub, respektlos, DAS Symbol der (amerikanischen) Freiheit zu feiern und die unantastbare Aufrichtigkeit des American Dream zu verbildlichen, wenn gerade mal 7 Jahre vorher ganz Vietnam mit Napalm und Pestiziden verseucht wurde. Und die heimischen Straßen mit Arbeits- und Obdachlosen gefüllt werden, mit Junkies, Verrückten, Verbrechern usw. Kurz: Bei Jarmusch ist NYC zu einem Scheißhaus verkommen.

Unsanierte Häuserblocks, Gebäude, die entweder vom Einsturz gefährdet oder bereits eingestürzt sind, ohne dass sich bemüht wurde, die Trümmer aufzuräumen, kennzeichnen bei Permanent Vacation das Stadtbild. Kaum eine Häuserwand, die nicht mit verblödetem Graffiti bemalt ist. Müll aller Art, der unkontrolliert vom Wind durch das Bild getragen wird und auf den Straßen, den Bürgersteigen liegt. Wenn man nicht wüsste, dass es sich um NYC handelt, bekäme man tatsächlich den Eindruck, es mit einer Stadt zu tun zu haben, die in Kriegszeiten Opfer von heftigsten Bombenangriffen wurde. Berlin 1945 nix dagegen.

Anblicke, bei denen man sich unweigerlich die Augen reibt. Und noch einmal. Und noch einmal, aber schließlich resigniert zugeben muss: "Scheiße, ich träume nicht!" Aber trotzdem hofft man, es nur mit einem Albtraum zu tun zu haben. Und genauso, (alb)traum- bzw. tranceähnlich, ist die audiovisuelle Inszenierung von Permanent Vacation gestaltet. Wie ferngesteuert streift der Tagträumer Allie durch die Stadt. Er weiß selber nicht, was er tut, was er denkt, geschweige denn, was er will. Die musikalische Unterstützung ist sparsam, i. d. R. erklingen mal sanfte, mal schrille Saxophonfetzen (hauptsächlich John Luries zur Unkenntlichkeit verzerrte Version von Over The Rainbow) und, wenn er auftaucht, ein penetranter, metallischer Industrial-Sound. Wenn man sich auf diesen Stil einlässt, erzeugt das eine fast schon hypnotische Wirkung.

Die scheißlangweiligen Streifzüge des Allie "Blam Blam" Parker im verschissenen NYC:

1. Permanent Jazz

Allie wandert durch die Straßenschluchten. Menschenmassen gehen an ihm vorüber und keiner würdigt ihn eines Blickes. Keine Neugier zeichnet die Mitmenschen aus. Alle haben nur ihre eigenen Ziele im Sinn. Man ist von Millionen umgeben, doch trotzdem ganz allein. Jeder isoliert sich selber von den anderen.

Allie verkriechst sich in seine kümmerliche Bruchbude. Versucht, seinen Kummer mit wilder Jazzmusik zu vertreiben. Die totale Regellosigkeit der Jazzmusik erinnert ihn an seinen eigenen rebellischen Charakter. Er sieht keinen Sinn darin, die Ansichten und Konventionen der Masse zu teilen, weiß nicht, warum. Er ist ein stiller Rebel. Umso lauter dreht er die Musik auf. Mit der Musik versucht er einerseits, seinen Kummer zu vertreiben, andererseits auch eine seelische Unterstützung zu finden. Er tanzt deshalb bis zur Ekstase. Aber das bringt nicht wirklich etwas.

Er lebt zwar mit einer Frau zusammen, d. h. in ihrer Wohnung. Allerdings ist die Beziehung alles andere als stabil. Eine echte, anspruchsvolle Kommunikation gibt es nicht. Nur ab und zu mal belangloses Gequatsche.
Er weiß nicht, was er will. Warum wissen die Andern, was sie wollen!? Was haben die richtig gemacht, was er falsch gemacht hat? Er weiß keine Antwort

Aber er weiß, dass er genug von diesem Ort hat.

2: Permanent Blam Blam

Allie will sich mit seiner Mutter unterhalten. Deshalb macht er sich auf den Weg zu ihr... Zur psychiatrischen Klinik.

Das Zimmer, in dem seine Mutter als Patientin untergebracht ist, ist sehr spartanisch und steril eingerichtet. Er möchte am liebsten wieder umkehren. Aber es ist immerhin seine Mutter. Er willt sie nicht allein lassen. Auch wenn sie ihn zwar zur Kenntnis nimmt, reden sie aneinander vorbei. Seine Bedrückung wächst, zumal ihre Mitpatientin unaufhörlich lacht. Wie eine Irre, denkt er sich noch. Bis ihm einfällt, dass sie ja tatsächlich irre ist.

Er hält es schließlich nicht mehr aus und verlässt auch diesen Ort. Er will auch nicht wiederkommen...

3: Permanent War

Am Rande der Stadt, in einem verlassenen Parkgelände, trifft Allie auf einen Soldaten. Er hat den Krieg mit nach Hause gebracht und kann die Menschen (die toten und die lebenden), die er dort gesehen hat, nicht vergessen.

Allie versuchst ihn aufzumuntern, gibt ihm Rauchstoff, eine Zigarette und hört sich sein Gequatsche weiterhin an. Aber er weiß von Anfang an, dass er ihm nicht helfen kann. Deshalb verlässt er so schnell wie möglich auch diesen Ort. Es lohnt nicht mehr Mitleid zu haben.

Allie will die (lebenden) Toten ruhen lassen.

4: Permanent Tralala

Allie wandert ziellos (als gäbe es für ihn eine Alternative) durch die Gegend; es stinkt nach Scheiße.

Plötzlich wird er von einem Singsang abgelenkt. Er folgt ihm. Eine junge Frau, ziemlich verwahrlost, nur mit einem Unterrock bekleidet und das Gesicht mit Lippenstift verschmiert, sitzt auf einer Treppe eines ebenso verwahrlosten Hofes und singt vor sich hin. Spanisch wahrscheinlich; jedenfalls für Allie unverständlich. Er will trotzdem höflich sein, er hat Mitleid. Denkt, dass er ihr irgendwie helfen kann und spricht sie an. Sie kriegt einen Wutanfall. Schreit ihn mit einer sehr schrillen Stimme an. Versucht ihn wegzuscheuchen.

Er tut ihr den Gefallen und schiebt ab. Wenn sie noch nicht mal seine Sprache richtig beherrscht…

5: Permanent Sadness

Allie beschließt, Ablenkung im Kino zu suchen. Aber schon bei seinem ersten Schritt hinein, wird er schon wieder von einem Gefühl der Ungemütlichkeit geplagt. Er macht ein bisschen Smalltalk mit der Verkäuferin. Aber das war’s. Moment. Da will ihm noch einer einen Witz erzählen. Allie hört zu... Kannt aber nicht lachen. Und auch wenn sich der Typ selbst über seinen Witz totlacht, sieht Allie ihm an, dass er innerlich alles andere als fröhlich ist.

Ein weiteres Mal beschließt Allie, deine Mitmenschen alleine zu lassen. Einmal noch, mitten in der Nacht, sucht er den menschlichen Kontakt mit einem einsamen Saxophonspieler. Allie lässt sich Over The Rainbow vorspielen. Aber das Gezerre, das er zu hören kriegt, ist nicht das, was er erwartet hat. Er kann dieses Gefühl der permanenten Traurigkeit nicht abschütteln. Auch den Musiker lässt er alleine stehen.

6: Permanent Isolation

Allie hält es nicht mehr aus. Er will weg aus diesem Land. Aber dafür braucht er Geld. Er macht es sich ganz einfach und stiehlt ein Auto, wenn der Besitzer gerade unachtsam ist. Scheißdrauf, wenn er erwischt wird. Im Knast bekommt er wenigstens warme Mahlzeiten. Aber er wird nicht erwischt, bekommt sogar 800 $ für die Scheißkarre. Genug, um eine Schiffsreise nach Paris zu finanzieren. Was will er in Paris? Hat er nicht selbst gesagt, dass die Menschen überall gleich seien? Dass Fremde wie er überall Fremde seien? Das ist ihm im Moment jedoch egal. Er MUSS etwas tun. Er MUSS aus diesem Scheißtraum aufwachen. Er will glücklich und zufrieden sein, sein Glück mit anderen teilen, endlich nicht mehr alleine sein. Er will sich von dem erschreckenden Bild einer kaputten und desillusionierten Gesellschaft befreien.

Aber das ist unmöglich...


"I ain't coming back to this man's town again
Ain't coming back to this man's town again
Ain't coming back to this man's town again
Singing Hey, Hey, Hey, Hey"

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