Ein junger Mann, die Amerikaner würden ihn handsome nennen, wartet in einem Wagen vor einer Spielbank und hört Musik. Soweit nicht ungewöhnlich, vielleicht wartet er auf seine Freundin, die bald mit der Arbeit fertig wird? Vielleicht wollen sie noch ausgehen, sie sind jung, die ganze Welt steht ihnen offen. Doch es gibt keine Freundin und der Wagen ist gestohlen. Sein Job ist zu fahren, aber kein Taxi. Auch keine Prominenten oder wichtige Politiker. Er fährt Verbrecher, für einen prozentualen Anteil der Beute.
Spätestens seit „Drive“ aus dem Jahr 2011 ist die Geschichte des namenlosen Fahrers allgemein bekannt und gefeiert. Nicholas Winding Refns cineastischer Rundumschlag durch Genres und Entstehungszeiten ist aber kein bloßes Remake, vielmehr entspricht er einer Hommage an den (Action-)film der 70er und 80er Jahre, zu denen auch „The Driver“ gehört. Diese Ehrerbietung geht soweit, dass die Anfangssequenz, eine Verfolgungsjagd durch das nächtliche L.A., stark ähnelt. Diese Verbindung sollte Erwähnung finden, „The Driver“ aber an seinem namensähnlichen Film messen zu wollen, käme dem 1978 gedrehten Kriminalfilm nicht gerecht, denn der weiß auch selbst zu überzeugen.
Im Kern steht eine Geschichte, wie man sie in unzähligen Facetten schon gesehen hat, das Katz und Maus-Spiel zwischen dem Verbrecher (Ryan O’Neal), der immer einen Schritt voraus zu sein scheint und dem Cop (Bruce Dern), dessen Gedanken sich stets um seine gute Fangquote und die Hatz auf den Banditen kreisen. Zwei Getriebene ihrer Professionalität, trotz der berufsbedingten unterschiedlicher Lager, die nach geradezu zwingend, so will es das Gesetz der Narrative, in einem furiosen Finale aufeinander treffen, bei dem selbstverständlich der Eine über den Anderen triumphiert. „Heat“ von Michael Mann beherrscht dieses Spiel perfekt und auch „The Driver“ von Walter Hill („The Warriors“) muss sich da nicht verstecken.
So gleichauf die beiden Protagonisten auf beruflicher Ebene sind, so unterschiedlich gestaltet sich ihr Leben. The Driver lebt ein isoliertes Leben in anonymen Hotelzimmern und denkt von Job zu Job; sein Gegenspieler ist fest eingebunden in Familie und Beruf, wobei er gern dem Job Priorität einräumt. The Driver ist unfähig, normale Beziehungen zu Menschen aufzubauen, zu hoch ist die Gefahr, am Ende doch der Polizei in die Fänge zu geraten. Im Gegensatz zu Goslings Driver, der zwar allein aber scheinbar zufrieden mit der Situation lebt, ist man sich bei O’Neals Driver nicht sicher, ob die Lebensweise bewunderns-oder bemitleidenswert ist. Hills Film ist auch ein Sozialdrama, versteckt hinter den nächtlich-düsteren und seelenlosen Fassaden L.A.s.
Der Plot, der noch durch zwei fein ausgearbeitete weibliche Rollen erweitert wird, lebt auch durch seine brachiale Action, die sich an Genrevertretern wie „Bulllitt“ oder „French Connection“ orientiert. Hill war bei „Bullitt“ Regieassistent, trotz der Dekade Differenz ist der Genreprimus spürbar anwesend, nur weichen die engen Straßen und breiten Highways San Franciscos hier der urbanen Realität Los Angeles‘. „The Driver“ ist wie sein Protagonist Ryan O’Neal etwas in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, denn der Film ist schnörkellos, bietet über die Kürze von knapp 90 Minuten feinste Unterhaltung, hat Suspense und schnelle Karren. Ob The Detective am Ende wirklich dem Driver zum ersten Mal die Handschellen anlegen darf, wird wohl nur eine Sichtung des Films klären.
8/10