"Enter the Void" ist anders als andere Filme. Völlig anders. Schon nach ein paar Sekunden des flimmernd epileptischen Vorspanns ist man Gaspar Noes Werk mit Augen und Ohren verfallen. Da muss man gar nicht erst drüber nachdenken. Die zum Schneiden dichte Atmosphäre wirkt wie eine Droge.
Schon die individuelle Egoperspektive, die man zu Beginn einnimmt saugt einen ein und lässt einen nicht mehr los. Wenn man dann minutenlang am Stück seltsame Formen und Farben sieht, dann wendet man nicht gelangweilt den Blick ab, schaltet nicht erdrückt das Gehirn aus. Man ist drin, mitten drin. Und es sind keine Formen und Farben, es ist ein verdammter Zustand. Ein Zustand, den man ohne zu Zögern als Dasein akzeptiert.
Wenn dann schließlich auf uns geschossen wird und wir unseren eigenen Körper verlassen, dann scheinen all' die Geschichten aus dem tibetanischen Totenbuch sich nach und nach zu bewahrheiten. Es ist, als würden wir uns an eine alte Bedienungsanleitung erinnern. Auf einmal sind wir der Geist, der angeekelte Voyeur, der über das Weltgeschehen wandert. Der fähig ist, jede Perspektive einzunehmen.
Wir erleben das Leben. Von außen. Und alles tut irgendwie weh und ist manchmal gleichzeitig wunderschön. In den schönen Momenten, da wollen wir nicht bloß sehen und hören, wir wollen dazugehören. Es fühlen. Und in anderen Situationen wollen wir eingreifen. Aber wir sind der Geist, der Zuschauer.
Und irgendwo in diesem Metabereich zwischen Tod, bewusstseinsverändernder Droge und Nahtoderfahrung lässt Noe uns plötzlich hängen. Er zieht uns die Hand weg und lässt uns fallen. Wir sind uns selbst überlassen. In dem Moment, als wir die Welt verstanden haben, in ihrer Veränderung, da scheinen die Träume, Wünsche und Triebe der Menschen plötzlich mit unserem Blick auf ihr Leben zu verschwimmen.
Man versucht sich krampfhaft an den guten Dingen, an der Schönheit festzuklammern, die wir erlebt haben. An den kleinen Momenten des Zusammenlebens, den Erinnerungen, die wirklich haften bleiben. Aber es sind doch wieder Fragen da. Mysterien. Und so ist es nun mal im Leben, und somit wohl auch im Tod. Es gibt Fragen und es gibt nicht immer Antworten. Und manchmal will man die Antworten auch gar nicht wissen. Manchmal hat man alles, was man erlebt soweit hinterfragt, dass man tatsächlich wieder am Anfang angelangt ist. Am eigenen Anfang.
"Enter the Void" ist ein Erlebnis, dass man nicht vergisst. Es ist anstrengend, nervenaufreibend, irgendwie verstörend, auch schön. Man erinnert sich daran, um es wieder erleben zu können.