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Gertschi

Kritik von Gertschi

Wenn sich Wahnsinn und Sex paaren

Es waren einmal die 80er Jahre. Lange vor Internet und Porntube. Da musste man im bieder genormten Kino und TV ganz schön suchen, um etwas zu finden, das ansatzweise interessant erschien. Erotisch. Fieberhaft haben so manche, genauso wie ich damals, mit Spannung auf das Erscheinen der hier rezensierten Literaturverfilmung Ausschau gehalten.

Dem damaligen vorausgeeilten Skandal um diesen Film ist viel enttäuschte Erwartung gefolgt. Trotz Maruschka Detmers ausgiebig nackter Augenweide, trotz der oft zitierten, vollmundigen Sexszene mit ihr, werden sich nicht nur die angelockten Voyeure langweilen. So wie der schöne Körper der Heldin einen verstörend irren Geist beherbergt, so verpackt die sexuelle Hülle ihrer außergewöhnlichen Love-Story gesellschaftskritisches Engagement.

Da wird ein Psychiater zum Symbol dafür, wie er die Psychoanalyse innerhalb weniger Jahrzehnte geschafft hat, von einer revolutionären medizinischen Erkenntnis vielfach zum heuchlerischen starr verkrampften Versagervehikel zu verkommen. Dafür fasziniert die These, daß Wahnsinn als Überdruckventil des Guten im Menschen funktionieren könnte.

Die spießigen Durchschnittssehnsüchte eines linken Terroristen entlarven eine ganze Generation. In einer Welt politischer Ratlosigkeit bewahren sich nur Gefühle ihre Unschuld. Vom gleichnamigen Roman des 1923 verstorbenen Schriftstellers Radiguet blieb freilich wenig mehr als die Liebesraserei eines Pubertierenden. Eine Liebe, in der sich Sexualität mit Wahnsinn paart, um sich gegen das Mittelmaß abzugrenzen.

Was vom Film hängenbleibt, ist die Entdeckung von Maruschka Detmers, eine Holländerin mit ähnlichen Karrieresprossen wie seinerzeit ihre Landsmännin Sylvia Kristel. Auch Maruschkas Weg zu Starruhm begann in Paris. Sie ist eine Entdeckung von Godard, der damals einen Ersatz für die Adjani finden mußte, die ihm für die Hauptrolle "Vorname Carmen" aussprang.

Schon das Erscheinen des Romans von Raymond Radiguet (der das Buch mit 18 Jahren geschrieben hatte und 1923, im Jahr der Veröffentlichung an Typhus starb) löste heftige Diskussionen aus. Dabei ging es nur teilweise um die Intimitäten, die unverblümt im Zentrum der  Liebesgeschichte stehen - Radiguets Kunstgriff war es nämlich, den Eros als unentrinnbaren Gott zu schildern, der zwei junge Menschen beherrscht, die diesen Fakt zwar analysieren, ihm aber nicht entkommen können.

Regisseur Bellocchio, der vorher schon ein dutzend guter Filme drehte, die dem deutschsprachigen Publikum fast alle vorenthalten wurden (wir bekommen meistens nur ganz wenige italienische Filme zu sehen, und diesen nur, weil er "erotisch" ist), erzählt folglich hier eine "amour fou", eine eminent sinnliche Liebesgeschichte. Eine Story, die alle bürgerlichen Konventionen beiseite schiebt und durch sehr freizügige Sequenzen brilliert.

Bellocchio gelingt diese Gratwanderung, ohne in Geschmacklosigkeiten oder Pornographie abzugleiten. Ja, und dann ist natürlich noch etwas erwähnenswert, etwas, das den Titel erklärt: Giulia ist von der Person her doch ein Sonderfall an der Grenze zur Verrücktheit. Ein glosender Zustand, der uns in Spannung hält, der aber so gut wie keine Bestätigung findet.

Der Film wurde in den 80er-Jahren zum Skandal, nicht zuletzt wegen der Szene, in der Giulia Fellatio praktiziert. Die Praktik wurde dabei nicht vorgetäuscht, in der ungeschnittenen Version des Films wird sie sehr detailliert gezeigt. Mit viel liebevoller Intimität, Wärme und ästhetisch genußvoller Zärtlichkeit. Die Szene und das damit verbundene Image erwiesen sich damals als sehr nachteilig für die weitere schauspielerische Karriere von Maruschka Detmers.

Fazit: Reichlich mit Politgeschwafel aufgeschwemmte Erotik-Skandalschmonzette. Hervorzuheben ist das überzeugende, auch darstellerische Talent der Hauptakteurin als "femme fatale". Wer die nötige Sensibilität besitzt, wird in diesem Film weitaus mehr sehen können, als überhaupt gezeigt wird. Chapeau auch für den Wagemut der Schauspielerin, sich derart zu veräußern (Fellatio-Szene)!

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