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Gertschi

Kritik von Gertschi

Eine Heiligenlegende für den Räuberhauptmann

Eine Räuberballade, verklärt verfilmt wie das Leben Jesu; nur daß dieser Erlöser nicht gekreuzigt wird, sondern selbst kreuzigen läßt. Dafür fehlen schließlich weder ein Hohepriester noch ein Judas, um den Tod dieses Sizilianers zu überhöhen, dem in Cinemascope ein überlebensgroßes Denkmal gesetzt wurde. Ein Denkmal aus reinem Schmalz für Salvador Giuliano, den Sizilianer.

So vernarrt pinselt Michael Cimino, einer der kritischsten, zynischsten Hollywood-Regisseure, am Heiligenschein seines Helden, daß nur Ciminos italienische Herkunft als Entschuldigung für soviel Schönfärberei geltend gemacht werden kann. Denn vor allem das dickflüssige Blut der Italiener ist anfällig für Legenden, die an das Heilige und Edle in einem Banditen glauben können, gegen den die Vorläufer Robin Hood und Michael Kohlhaas wie egoistische Mordbuben dastehen.

Als man die Leiche des von unzähligen Kugeln Getroffenen am 5. Juli 1950 auf einer Straße fand, war Salvadore Giuliano bereits Legende. Verbürgt ist, daß dieser Räuberhauptmann den Reichen wegnahm und den Armen gab, einen Teil seiner Beute den ausgebeuteten Bauern für Landkäufe schenkte. Verbürgt auch, daß er ein erbarmungsloses Blutgericht über alle hielt, die er als Verräter zu entlarven glaubte.

Das naive Opferlamm, als das ihn Ciminos Heiligenbildchensammlung hinstellt, kann er daher gar nicht gewesen sein. Auf sein Mordkonto gehen Dutzende Unschuldige. Mit einem unfehlbaren Instinkt fürs Theatralische inszenierte der selbsternannte „König der Berge" seine Verbrechen. Giuliano war so publicitygeil, daß er Siziliens Zeitungen mit Briefen, politischen Stellungnahmen überschwemmte, immer wieder Fotoreportern für heroische Posen Modell stand.

Cimino, er inszenierte nach dem gleichnamigen Roman von Mario Puzo, interessierte jedoch vor allem der chancenlose Außenseiter, der es mit allen aufnehmen will; der Mythos eines Volkshelden mit höherem Anspruch; der gewalttätige Romantiker, der sich mit dem Adel, der Kirche und der Mafia - deren Schutz er übrigens lange Zeit genoß - sowohl arrangierte als auch befehdete.

Der politische Aspekt - in Francesco Rosis dokumentarischem Giuliano-Thriller „Wer erschoß Salvatore G.?" aus dem Jahre 1962 im Vordergrund - bleibt rein dekorativ; wie übrigens auch Leute und Land - in dem Kommunisten wie eine Folkloregruppe mit roten Fahnen aufmarschieren. Der anglofranzösische Star Christopher Lambert stilisiert den edlen Räuberhauptmann als geschniegelten Schönling mit Silberblick in Großaufnahme, den gleich einmal die deutsche Hochklassemimin Barbara Sukowa als überfallende Herzogin lüstern überredet, sie bitte auch noch zu vergewaltigen.  Sex and Crime, die Mischung muß also auch bei einer Heiligenlegende stimmen.

Fazit: Aufregende, bildgewaltige Banditensaga, bei der Christopher Lambert wiedermal fehlbesetzt wirkt.


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