Das im britischen TV – und Filmbusiness eine Menge talentierter Frauen und Männer vor und hinter der Kamera tätig sind, hat sich mittlerweile weit über die Inselgrenzen hinaus herumgesprochen. Mit London Boulevard kommt nun die erste Regiearbeit des oscarprämierten William Monahan in unsere Lichtspielhäuser. Doch halt: Oscar? William Monahan? Dieser Namen wird nur Insidern geläufig sein. Er war für das Drehbuch von Scoreses Departed verantwortlich, das bekanntlich auch in dieser Kategorie das begehrte Goldköpfchen gewinnen konnte. Mit diesen und anderen Arbeiten (Der Mann, der niemals lebte, Königreich der Himmel) konnte er sich in Hollywood etablieren und versucht sich nun als großer Strippenzieher im Hintergrund dieser Roman-Adaption. Mit tollen Dialogen, grotesker Gewaltszenen und einen etwas anderen Blick auf London hievt er die konventionelle Story auf ein angenehmes Niveau.
Eigentlich will Ex-Sträfling Mitchell (Colin Farrell) nach seinem dreijährigen Aufenthalt hinter Gittern sein Leben ändern und legal sein Geld verdienen. Als er durch Zufall ein Jobangebot als Bodyguard/Hausmeister für den zurückgezogen lebenden Hollywood-Star Charlotte (Keira Knightley) bekommt, scheint er auf dem richtigen Weg. Doch der Strudel aus Gefälligkeiten, dem gefährlichen Gangster-Boss Gant (Ray Winstone) und seinem ehemaligen Komplizen Billy (Ben Chaplin) lässt ihn nicht so leicht los. Zu allem Überfluss gerät seine psychisch labile Schwester (Anna Friel) immer wieder in Schwierigkeiten …
Wenn man die Inhaltsangabe liest, muss man unweigerlich an den Schmachfetzen Bodyguard mit Kevin Kostner und Whitney Houston in den Hauptrollen denken. Doch außer der Tätigkeit als Leibwächter einer berühmten Persönlichkeit haben die beiden Filme sehr wenig gemeinsam. Die aufkeimende Liebe zwischen Angestellten und Hollywoodsternchen ist nicht überraschend, dennoch hält sich die Liebesgeschichte angenehm im Hintergrund. Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt auf die Probleme von Mitchell, der mehr oder weniger konsequent nichts mehr mit den kriminellen Machenschaften zu tun haben will.
Die Inszenierung ist typisch britisch; an vielen Stellen ruppig und teilweise sogar etwas sperrig, hebt sich der Film positiv von vielen glattgebügelten Hollywoodproduktionen ab. Dabei ist es eine angenehme Abwechslung, dass der Protagonist in manchen Situationen sehr unberechenbar reagiert und somit den Zuschauer überrascht im Kinosessel zurücklässt. Bestens unterstrichen wird die Geschichte von dem sogar schon doppelt oscarprämierten Kameramann (Director of photography) Chris Menges. Nicht umsonst zählt er zu einem der renommiertesten Männer in diesem Fach, seine Bilder von London haken nicht nur die Touristenattraktionen nacheinander ab sondern zeigen die Stadt außerhalb dieser Fixpunkte. Die eingefangen Drehorte passen sich nahtlos dem ganzen Stil des Films an: rau, dreckig aber doch mit einem besonderen Charme.
Der Gewaltgrad im Film ist ziemlich hoch, obwohl sich die Anzahl der kompromisslosen Szenen in Grenzen hält. Dabei wurde die Kamera nicht direkt auf die blutigen Szenen „draufgehalten“, sondern die Brutalität wird meist nur angedeutet. Dies wurde jedoch so effizient inszeniert, dass selbst hartgesottene Zuschauer manchmal tief durchatmen müssen. Doch diese Gewaltexzesse verkommen nie zum Selbstzweck, sie dienen hauptsächlich dazu das kriminelle Metier – vor allem den Untergrundboss Gant - greifbar zu machen. Der eben angesprochene Boss wird hervorragend von Ray Winstone verkörpert, dessen Performance erschreckend imposant, furchteinflößend und selbstgefällig ist, dass man diesem Psychopathen niemals in einer dunklen Ecke über den Weg laufen möchte. Colin Farrell und Keira Knightley erledigen ihre Aufgaben auch sehr solide, wobei letztgenannte erstaunlich wenig Screentime hat und sich somit nur im begrenzten Rahmen bemerkbar machen kann. Doch besonders die Szenen mit David Thewlis, bester Freund und Mitbewohner des Hollywood-Beaus, bringen das Publikum zum Lachen und sorgen für gelungene Abwechslung.
Womit das passende Thema schon angeschnitten wurde: die Dialoge. Manchmal von schwarzem Humor triefend oder beängstigend dank diverser Monologe von Gant, doch fast immer treffend und mit dem richtigen Timing versehen. Es ist dabei nicht verwunderlich, dass Regisseur William Monahan auch das Drehbuch zu seinem Machwerk beigesteuert hat. Da stört es auch nicht, dass der Film ziemlich dialoglastig ausgefallen ist. Mit dem konsequent genutzten 60er Jahre Soundtrack wird der Film ansprechend abgerundet und verleiht ihm die richtige Portion Coolness à la Great Britain.
Entgegen allen Lobes gibt es leider auch einige Kritikpunkte anzuführen; trotz der teils unkonventionellen Inszenierung krankt das Gesamtpaket der Geschichte an chronischer Vorhersehbarkeit. Der Plot rund um Mitchells kranker Schwester dient dabei weder der Unterhaltung noch der Charakterentwicklung, je länger der Film dauert desto unnötiger erscheint diese Nebenhandlung. Dies und ein paar kleine Längen in der Erzählung sind das Zünglein an der Waage. Dieser Fakt ist sehr schade, hätte der Film doch das Potenzial gehabt über einen Geheimtipp zu einer kleinen Filmperle zu reifen.
Fazit:
London Boulevard kann trotz der vielen vorhersehbaren Wendungen mit einer ungewöhnlichen Inszenierung, schwarzen Humor und treffenden Dialogen punkten. Für Fans von Gangsterfilmen mit dem etwas eigenartigen britischen Charme ist dieser Film wärmstens zu empfehlen!