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DerSiegemund

Kritik von DerSiegemund

Gesehen: Mai, 2022

"Mammon, Moneten, Kohle, Zaster, Asche, Moos, Schotter, Mäuse, Kröten, Flocken, Geld... das was Besitzende von Habenichtsen unterscheidet. Aber was ist Geld?

Es ist alles, wenn man es nicht hat. Die Hälfte aller Amerikaner hat mehr Kreditkartenschulden als Ersparnisse. 25% verfügen über gar keine Ersparnisse und nur 15% sparen auf ihrem Rentenkonto genug an, um damit gerade ein Jahr über die Runden zu kommen. Was sagt uns das?

Dass die Mittelschicht wegbricht? Dass der amerikanische Traum ausgeträumt ist?

Sie würden nicht da sitzen und mir zuhören, wenn es so wäre. [...]

Die harte Realität ist, wieviel Geld wir im Leben anhäufen hängt weder davon ab wer Präsident ist, noch von der Wirtschaft oder platzenden Blasen, Misserfolgen oder schlechtgelaunten Chefs. Es hängt von der amerikanischen Arbeitshaltung ab, die Haltung, die es zum großartigsten Land der Welt gemacht hat, sich dem in den Medien vermittelten Bild von guten Eltern zu widersetzen, zu entscheiden das Baseballspiel oder das Konzert zu verpassen, weil du entschlossen bist zu arbeiten und in die Zukunft deiner Familie zu investieren und die Verantwortung für die Konsequenzen dieses Handelns zu übernehmen: Geduld, Sparsamkeit, Aufopferung."

Das sind die Worte des Finanzberaters und Buchhalters Marty Byrdes, der mit seinen Worten die vierte Wand durchbricht und zu seinen Zuschauern spricht.

Nun ist Marty Byrde auf der Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion flüchten Marty und Wendy Byrde mit ihren Kindern Jonah und Charlotte aus Chicago. Im Gepäck haben sie 7 Millionen Dollar, ihr ganzes Vermögen, das sie auf aberwitzige Weise bar von der Bank abgehoben haben und nun in Kopfern und Sportaschen mit sich führen.

Wie kam es dazu? Nunja, Marty Byrde hat einen Geschäftspartner, der über sein Transportunternehmen Geld für das zweitgrößte mexikanische Drogenkartell gewaschen hat, sie dabei aber mehrere Millionen abgezweigt hat. Alle werden hingerichtet, nur Marty kann seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, weil er versprochen hat das Geld zurück zu erwirtschaften. In drei Monaten will er acht Millionen Dollar waschen - und zwar an einem Ort, dem er nur von einem Flyer kennt: Den Ozark-Seen, irgendwo in Missouri, die in den USA als extrem hinterwäldlerisch bekannt sind.

Ich hatte am Anfang das ärgerliche Gefühl hier von der Dramatik in einer dritten Staffel von BREAKING BAD einzusteigen, denn Walter Whites Biographie begann an einem Punkt vor seinem Gesinnungswandel, das ist hier schon vollzogen. Aber ich trauerte nicht lange nach, denn Marty scheint sowieso von Grund auf ohne Moralempfinden geboren. Er brauchte diesen Wandel vom gutmütigen zum eiskalten Charakter nicht, er ist ein völlig anderer Typ. Er hat keine Skrupel wenn er nur einen rational besseren Grund für sich finden kann, sich nicht an ein allgemeines ethisches Verständnis von Recht zu halten. Dieser Legitimationsgrund ist:

"Wenn wir das nicht tun, werden sie uns alle töten."

Sind die Byrdes nun eine Familie in der Gewalt des Kartells, quasi Stockholmsyndrom? Diese Frage sollte jeder für sich selbst beantworten, jedenfalls macht die Frage einen Reiz aus und ist wahrscheinlich nicht ganz so eindeutig zu beantworten. Im Unterschied zu "Breaking Bad" ist die ganze Familie involviert und als besondere Pointe entsteht im Lauf der Zeit eine besondere Konkurrenz zwischen den Eheleuten, denn Wendy mischt im Gegensatz zu Skyler White ordentlich mit und möchte ihren Mann dominieren. Ihr Wandel findet statt, als ihr Mann ihr beim ehelichen Sex auf den Hintern schlägt. Das setzt bei ihr Veränderungen in Gang. Ich kann von Anfang an sagen, dass mir die Byrdes nicht geheuer sind, bis auf Tochter Charlotte, sind sie gar mein schlimmster Albtraum was Kapitalismus betrifft, aber interessant ist, dass sie völlig unreligiös sind, das heißt sie unterscheiden sich deutlich von den Menschen die Wasser predigen und Wein trinken, welch es im Kontrast in Ozark-County in Massen gibt. Trotzdem halten sich die oftmals arroganten Byrdes selbst für moralisch besser, als sie es sind, weil in ihnen eine sozialdarwinistische Ethik als Maßstab inhärent ist. Da kann man wirklich schwer dran scheitern, wenn man dort keine moralische Grenze hat, was für andere Sünde ist. Wahrscheinlich kann man hier einen Aufsatz über "Die Metaphysik der Sitten" Schreiben, da menschliches Verhalten ist glänzend zu beobachten ist.

"Um sein Verhalten zu ändern  muss man zuerst seine Haltung ändern." - OS

Im Unterschied zu BREAKING BAD und FARGO fehlt der Serie der skurrile Humor zwischen den Zeilen, aber OZARK hat eigenen Humor genug und auch Raum für groteske Szenen. Fast jedes Ableben einer unerwünschten Person ist ein Festival des Humors, außerdem wirkt ein dezenter satirischer Humor, der die Hinterwäldler, Hill Billys und Red Necks in Ozark-County zum einen erschreckend realistisch zeigt, aber auch mit Herz. Eigentlich möchte ich nicht in den USA leben, weil ich Angst hätte ich würde in diesem System untergehen, aber am Lake OZARK könnte ich mir vorstellen zu leben. Wie schön ist das denn. Aber es gibt solche Seen, natürlich ein wenig kleiner, auch in Deutschland und Frankreich. Auf der anderen Seite erinnert mich die Gegend an eine andere Film-Erfahrung, nämlich DELIVERANCE (Beim Sterben ist jeder der Erste), nur dass der Downie Tucker hier kein Banjo spielte.  

Ich glaube, dass einige BREAKING BAD Fans OZARK in Abrede stellen wollen, dass es etwas eigenes ist. Ich gehöre nicht dazu, denn es gibt so viele Serien um Mafia und Kartelle, dass das zu grob gesprochen ist. Klar erinnert das mexikanische Drogenkartell an BREAKING BAD, aber die sind nun mal Mexikaner, da gibt es ja auch noch NARCOS. Bei der Kansas City Mafia fühle ich mich an FARGO erinnert, auch wenn das nur örtlich ist. Im Gegensatz zu BREAKING BAD oder FARGO spielt auch Politik eine wichtige Rolle. Wendy Byrde ist so ein gewiefte politische Unterhändlerin, die über Leichen geht, sie könnte eine Abgeordnete im Senat sein oder gar Gouverneurin bei ihrem Standing. Das ist schlimm, denn damit zeigt die Serie auch, dass es in den USA fast so etwas wie Oligarchie gibt, ich halte das nämlich für nah an der Wahrheit. Möglich wird das auch, wenn der Sheriff vom County gewählt wird und natürlich sind Politiker abhängig von Wahlspenden, weshalb es besonders darauf ankommt wohlhabenden Unternehmern und ihren Vorhaben gerecht zu werden. In Deutschland wird das zum finanziell gedeckelt, aber es spiel auch hierzulande ein Rolle, auch wenn es nicht so verdorben ist wie dort.

Herausragend sind die Figuren und ihre Charakterzeichnungen in OZARK. Sie sind alle unique und Marty ist einfach kein Walter. Selbst Charaktere im Hintergrund, welche irgendwann auch nicht mehr im Fokus sind, bringen eine solide Biographie mit, wie Tucker der Downie oder Rachel, die Pächterin des "Blue Cat", aber auch der emotional kaputte homosexuelle FBI Agent Roy Petty. Es gibt Charakter die ich vermisse, wie der Mitbewohner der Byrdes, Buddy Dieker, die Psychotherapeutin Sue Shelby, Jacob Snell, der Boss einer Opiumdynastie in Missouri, Ben Davis, der bipolare Bruder Wendy Byrdes. Bei letzterem hatte ich doch glatt den ersten Heulanfall, denn hatte er ein übles Schicksal erwischt. Interessant sind auch die ortsansässigen Familien Langmore und Snell. In beiden Familien spielen sich unglaubliche Dramen ab, besonders um Ruth und Wylde Langmore.

Julia Garner, die Ruth spielt, ist für mich eine herausragende Schauspielerin. Sie ist eigentlich gar nicht mein Typ. Ich finde ihr Aussehen inklusive Style schrecklich, doch als ich nachgesehen habe, was sie sonst für Rollen spielte, konnte ich es nicht glauben, dass sie Anna Sorokin in INVENTING ANNA spielte, die ich im Gegenteil sogar für ihr Aussehen und ihre Outfits liebte, auch wenn ich zugeben muss, dass mein Geschmack hier paradox ist, denn sie verkörpert dort ja die Upper-Class. Okay, das ist rein äußerliches Geschwätz jetzt, aber ohne zu wissen, hat sie mich jetzt auch in OZARK begeistert, und das sogar viel mehr. Die Wandlungsfähigkeit zu OZARK hat mich dann doch beeindruckt, nun erkenne ich auch ihre Mimiken wieder. Es ist kein Wunder, dass sie für diese Rolle zweimal schon den Emmy erhielt. Deshalb werde ich mir auch die Serie MODERN LOVE anschauen, in welcher sie auch mitspielt.

So mancher war mit dem Ende nicht zufrieden, weil es offen erscheint, aber die Message des Ende ist, dass die Büchse der Pandora von Byrdes Sohn geöffnet wurde und alles wieder einmal von neuen beginnt, so dass die Spirale der Gewalt und Unmoral sich immer weiter dreht. Es gibt kein Ende und würde es weiter gehen, wäre alles nur Wiederholung, nämlich neue Firmen zu finden um Geld zu waschen, Gegner aus dem Weg räumen. So ist das Ende gelungen und vor allem Ruth bekommt für mich ein definitives Ende serviert, das keine Fragen offen lässt. Ruth ist für mich mein wichtigster Charakter gewesen.

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