Der Film Emancipation, der auf dem historischen Foto des "whipped Gordon" gründet - ein Foto, das um die ganze Welt ging und erstmals die Schandtaten der Sklavenherren vor Augen führte - erzählt die Geschichte des Sklaven Peter, der von seiner Familie getrennt wird, um beim Bau einer Eisenbahnstrecke eingesetzt zu werden. Die abenteuerliche Erzählung enthält eine ausgedehnten Anteil über die Flucht von 4 Sklaven, darunter Peter, in der Art eines Survival-Thrillers, während man im letzten Drittel Zeuge von der Beteiligung der befreiten Sklaven am Sezessionskrieg wird, so dass man für dieses Jahr erneut mit dem Wahnsinn des Tötens auf den Schlachtfeldern zwecks Befreiungskampf konfrontiert wird.
"whipped Gordon" im Jahr 1863 nach seiner Befreiung © wikipedia
Die Behandlung der Sklaven, ihr familiäres Leben und die Sklavenarbeit wurden schon oft thematisiert. Der einführende Erzählstrang biete die biographische Grundlage für den Protagonisten, nach seiner angestrebten Befreiung, auch seine Familie befreien zu wollen. Ungewöhnlich neu ist der antithetische Aspekt der Rolle der christlichen Sklavenhalter und die Nicht-Verurteilung von Sklaverei durch die Bibel, welche hier mittels Zitaten in die Köpfe der Zuschauer einmassiert wird. Für die schwarzen Sklaven war das Christentum der einzige Hoffnungsanker, sich vom Joch der Sklaverei zu trösten und Kraft zu schöpfen sich zu befreien. Das wird hier exzessiv in Bild und Sprache dargestellt, doch es wird auch in Form der Antithese der Wortlaut des Neuen Testaments wiedergegeben, wo es deutlich heißt, dass der Sklave seinen Herren zu gehorchen habe, gleich auf welche Weise dieser ungerecht sei.
"Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter, nicht nur den guten und freundlichen, sondern auch den launenhaften!" - 1 Petrus 2,18
Die Bibel rät außerdem dazu Sklaven Religionsfreiheit zu gewähren, sie gut zu behandeln, soweit es dem Herren möglich ist, doch sie verurteilt Sklaverei nicht als Sünde. Den Sklaven wird aufgetragen, ohne nachzudenken, alles zu tun, was der Herr sagt, selbst wenn es eine Sünde ist. Das wird in der ganzen Bibel auch nirgendwo abgemildert oder aufgehoben, es ist die bittere Wahrheit. Das ist schon allein der Grund, warum die Bibel nicht von Gott geschrieben sein kann, es sei denn man glaubt wirklich, dass Sklaverei moralisch von Gott gesegnet ist. Das liegt wohl daran, dass die Sklaverei in der Frühgeschichte der Menschheit als göttliches Schicksal angesehen wurde, in welches man hineingeboren worden ist. Das ist ähnlich wie beim indischen Kastensystem, das es in ähnlicher Weise in vielen Kulturen der Welt gab. Die einen wurden als Herrscher geboren, die anderen als Sklaven. Und wurde man nicht per Geburt Sklave sondern erst später, dann war das Vorsehung bzw. Karma.
"Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter." - 1 Korinther 7,20-21
Ein Religionskritik wird hier deutlich akzentuiert, mit Sicherheit stark auf das Christentum bezogen, egal ob protestantisch oder katholisch, denn ist es eben eine Bibelkritik, vor der keine christliche Konfession frei ist. Da hilft es auch nicht ins Feld zu führen, dass in der Bibel Sklavenhaltern auch Ratschläge erteilt werden, wie sie Sklaven gerechter behandeln können. Entschärft wird dies ebenfalls nicht dadurch, dass die Bibel Jesus einen Gottesknecht nennt, der das Leid der Menschheit trägt. Wer heute die Sklaverei oder Verknechtung noch als moralisch gerecht empfindet, der gehört zu einer obskuren Minderheit. Es gibt keine Bibelversion in der Sklaverei unmoralisch ist oder irgendwie in Frage gestellt wird. Dieser wichtige Umstand ist selbst den meisten Christen nicht so bekannt, lohnt die eingehende Reflexion über die als "Gottes Wort" bezeichnete Literatur auf jeden Fall, denn es stellt sich dadurch die Frage:
Warum ist Sklaverei eigentlich keine Sünde?
Ein zweiter wichtiger Aspekt, den die Erzählung näher bringt, ist die Frage, was Freiheit überhaupt ausmacht, denn als Peter befreit wurde, hat man seine Freiheit gleich wieder per staatlicher Gewalt einkassiert. Die Desillusionierung war ihm deutlich anzusehen, als er seine Vorgesetzen erst um Erlaubnis bitten muss sprechen zu dürfen. Er hat jetzt zwar die freie Wahl, aber nur zwischen Lohnsklaverei und Soldat der Befreiungsarmee der Yankees.
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Natürlich hatte er sowieso vor seine Familie zu befreien, aber als Soldat kann er nicht seine eigenen Wege gehen oder seine eigenen Ziele wählen, sondern er muss im Gleichschritt marschieren, zudem wird er auf dem Schlachtfeld dazu kommandiert in den Kugel- und Kanonenhagel zu rennen, statt selbst einen Weg zu wählen, der vielleicht für ihn weniger riskant und taktisch klüger wäre.
So hat sich die Befreiung niemand vorgestellt, wie er sie sich vorher erträumt hatte.
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Pointiert wird diese Erkenntnis noch von der Reaktion der Sklavenarbeiter, bei ihrer Befreiung. Zunächst fragen sie sich, was das überhaupt bedeutet, befreit zu sein, dann freuen sie sich verhalten, aber niemand packt seine Sachen und haut ab. Was der Film hier nicht zeigt ist, dass viele Sklaven froh waren, wenn sie einen guten Herren hatten, denn so hatten sie ein sicheres Auskommen. Als Befreite sind sie plötzlich auf sich allein gestellt, haben aber nie Selbstverantwortung gelernt, geschweige denn das Rüstwerkzeug von Sprache und Bildung.
Es ist wie der Sturz in ein endloses schwarzes Loch und so wählen sie die Abhängigkeit zu neuen Herren.
An dieser Stelle wird einem eventuell klar, warum Sklaverei in der Menschheitsgeschichte solange funktionieren konnte, nämlich weil es genug Menschen unaufgeklärte und unmündige Menschen gab, die weder das System in Frage stellten, es nicht konnten, noch sich ein besseres System auszudenken in der Lage waren. So führt die Unmündigkeit vieler Menschen selbst Verantwortung zu übernehmen in die Abhängigkeit zu jenen, die bereit sind für viele Verantwortung zu übernehmen, nicht selten um Profite zu machen.
FAZIT
EMANCIPATION ist schon ein starkes Stück Filmwerk.
Will Smith spielt stark, wir männlicher als früher, sie reif und nicht wie ein alter Junge. Sein Schauspiel ist außerordentlich, hat man ihn wohl selten so ernst und wütend gesehen. Eine Nominierung für einen Preis als Best Actor scheint führ ihn in greifbarer Nähe. Als unangenehm altbacken und melodramatisch empfinde ich persönlich allerdings den Score.
Herausragend an EMANZIPATION sind nicht etwa die toll fotographierten Szenenbilder, sondern etwas gehaltvolleres, nämlich die zur Reflexion anleitenden moral-philosophischen und bibelkritischen Aspekte, die durch die offen vorgetragene moralische Bewertung der Sklaverei in der Bibel entstehen.
Zum einem werden die Rollen von christlichen Herren und christlichen Sklaven hinterfragt, in dem sie einem quasi antithetisch durch die Mantra mäßige Rezitation von Versen aus dem Neuen Testament ins Ohr einmassiert werden. Damit ist die Frage verbunden, wie die Sklaven an den gleichen christlichen Gott glauben können, wie ihre Herren, in Anbetracht dessen, dass ihnen Gottes Wort in der Bibel dieses Joch auferlegt.
Zum anderen wird durch das Schicksal der Befreiten eine Reflexion darüber angestoßen, was Freiheit überhaupt bedeutet und was die Motive sein können für die Freiheit zu kämpfen. Für den Protagonisten besteht der größte Teil seiner Freiheit darin eine Familie sein zu dürfen, weshalb er für die Freiheit kämpft. Aber bei seiner eigenen Befreiung bekommt er zu spüren, das die neue Freiheit einfach nur weniger Unfreiheit bedeutet. Auch muss hier noch mal die Reaktion der befreiten Sklaven der Plantage erwähnt werden, die gar nicht wussten, was sie nun mit ihrer Freiheit anfangen sollten.
Dass ein Film über Sklaverei, der erschöpfend viele Survival-Elemente enthält, so viele tiefgehende moralische und religionskritische Fragen anstößt, das muss sich in der Wertung besonders niederschlagen.
Ich vergebe das Prädikat "wertvoll".