Vier Teenager verbringen ein Wochenende an einem schönen, abgelegenen Strand. Sommer, Sonne, Surfen, Sex. Doch irgendwie ist die Stimmung nicht so ganz, wie sich die zwei Jungs und zwei Mädels erhofft hatten. Die Mädchen reden über Frauenprobleme, die Jungs sind scharf auf Sex. Doch die Mädchen sind nicht so ganz willens, den Wünschen der Jungs nachzukommen. Und schon bald entwickelt sich daraus ein typischer Streit, wie man ihn unter Jugendlichen kennt. Dadurch ist natürlich die Stimmung schon bald völlig dahin. Dazu kommt noch, dass sich die Windverhältnisse ändern und so den Jungs den Spaß am surfen nimmt.
Schon bald merkt man, dass dies nicht das einzige Problem für die Vier bedeutet. Woher kommen diese gruseligen, augenlosen Schaufensterpuppen, die hier und da aus dem Sand ragen? Wer ist dieser fremde, abgewrackte Surfer, der auf einmal wie aus dem Nichts aufzutauchen scheint? Was macht ein vertrockneter Blumenstrauß an diesem menschenleeren Strand?
Die eigentlich sehr schöne Natur des weiten Strandes lässt den Teenager kein Entrinnen, und birgt ein tödliches Geheimnis....
Was dem typischen, recht lebensnahen Quartett solche Sorgen und Ängste bereitet, ist nicht allzu schwer herauszufinden, vor allem wenn man die letzten Jahre sehr aufmerksam Thriller und Suspense-Kost aus dem typischen Genre genossen hat. Auch wird eine scheinbare Lösung doch recht früh angeboten. Doch Martin Murphys erster Langfilm hat Qualitäten, die man von einem Low-Budget-Film nicht in dieser Intensität erwartet. Deshalb avancierte sich dieser kleine, aber feine Horrorfilm zum Publikumsliebling des Fantasy – Filmfestes 2004, da er wirklich jene Chancen nutzt, die so mancher hochpolierte Horrorslasher aus den Staaten auslässt oder nicht einmal zu nutzen wagt.
Die Darsteller sind allesamt (bis auf Steve LeMarquand) Newcomer, doch genau dies tut dem Film sehr gut. Sie spielen ihre Rollen sehr überzeugend, auch die kleinen Sticheleien, die zänkischen Mädchen, die nölenden Jungs – dies Alles gibt dem Zuschauer das Gefühl, dies selbst schon irgendwo mal in der Jugend erlebt zu haben. Kein „Hochglanzgefühl“, wie bei den teuren Produktionen aus Hollywood, jedoch auch keine billigen Soap-Manieren, was einem meist bei Low-Budget-Produktionen ein Dorn im Auge ist.
Martin Murphys Hauptaugenmerk lag darauf, eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Und dies ist ihm auch wahrlich gut gelungen, vom ersten Augenblick an. Es ist auch keine Effektehascherei, auch keine unentwegte Hatz in der Dunkelheit, denn der Film spielt meistens zur Tageszeit. Und bei strahlendem Sonnenschein, an einem schönen Strand Australiens, solch eine bedrückende Stimmung aufzubauen, und das von Anfang an, das ist wahrlich brilliant. Der Anblick eines weiten, menschenleeren Strandes versetzt den Zuschauer sofort in die Stimmung, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Die Sorglosigkeit der Teenager verstärkt dieses Gefühl. Und der Score von Carlo Giacco ist dann nur die Kirsche auf der Sahnehaube, die dem Zuschauer die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.
Martin Murphy schafft es auch auf sehr geniale Weise, Momente und Bilder zu schaffen, die dem Zuschauer sofort das Gefühl gibt, dieses selbst zu spüren, wie zum Beispiel wenn man barfuss im Sand steht und das Meerwasser die Zehen umspült, das Meer einen scheinbar mit hinaus ziehen will. Dies ist auch ein sehr oft verwendetes Motiv in LOST THINGS. Auch das Meer, wie es doch so oft mit dem Horizont verschmilzt. Ist es das Meer oder bewegt sich der Himmel mit den sich kräuselnden Wolken?
Martin Murphy geht dabei so geschickt vor, dass er einem scheinbar harmlosen Strand etwas derart Bedrohliches verleiht, und der Score mit samt der Geräuschkulisse tut ihr Übriges, um die Irritationen in nackte Angst zu verwandeln.
Auch wenn man einen Blick auf die Dramaturgie des Filmes wirft, so schießt mir sofort Nolans Memento durch den Kopf. Denn LOST THINGS ist nicht wirklich linear, was dem Zuschauer eigentlich von Beginn an auffallen müsste, es ihn aber durch geschickte Erzählkunst schnell wieder vergessen lässt. Die Teenager, egal ob man nun die männlichen oder auch die weiblichen Protagonisten betrachtet, entsprechen nicht dem typischen Schönheitsideal, es sind eben doch nur Menschen wie du und ich. Auch jeder fremde Surfer namens Zippo (Steve LeMarquand, Farscape, Vertical Limit) hat etwas seltsames, unerklärliches, faszinierendes an sich, und doch ist er nicht so aalglatt, wie so viele seiner amerikanischen Schauspielkollegen. Diese spielerische Naivität der Protagonisten mit samt dem mysteriösen Fremden verleihen dem Film eine Tiefe, die ihm eine ungewohnte Stärke gibt.
LOST THINGS ist ein waschechter Horrorfilm mit einer erschreckenden und sehr gewaltätigen Auflösung und mit einem Ende, dass dem Zuschauer wirklich nachhaltig die Gänsehaut über den Leib jagt. Und genau dieses Ende ist es, das einem wirklich langhaltig im Gedächtnis bleibt, weil der Grund des Schicksals, dass die vier Jugendlichen bedroht, so perfide wie nachvollziehbar ist. Emily (Lenka Kripac) will nun endlich Abstand von dem “klonhaften” Leben ihrer gleichaltrigen Schulkameradinnen, weg von dieser scheinheiligen Idylle, die ihr Verehrer Brad (Charlie Garber, Ghost Rider) ihr darbieten will, samt großer Liebe, Heirat, Familie und Kindern. Das andere Mädchen, Tracey (Alexandra Vaughan) steht ihrer Freundin bei, ist aber auf ihre süße Art noch völlig naiv. Auch die beiden Jungs, wirklich typisch für ihr Alter, wollen auf ihre Art einfach nur Spaß haben. Brad sehnt sich nach DER großen Liebe und Gary (Leon Ford, The Pacific) will einfach nur Sommer, Sonne, Sex ... und ein Bierchen geniessen.
Der Film birgt eine vielschichtige Auflösung, über die man gemeinsam noch einige Zeit diskutieren kann, und macht diesen Low-Budget-Film zu einem Überraschungsmoment, wie es ihn schon längere Zeit nicht mehr gegeben hat.
FAZIT:
LOST THINGS ist ein kleiner, aber sehr feiner Suspense-Horrorfilm, der mir persönlich sehr lange im Gedächtnis blieb. Der Anfang wirkt wirklich wie eine nette, undramatische Teeniekomödie, die jedoch irgendwann mit einem Schlag kippt. Und dann beginnt die Achterbahnfahrt der Emotionen und Verwirrungen. Das Ende mag man erst gar nicht wahrhaben, doch genau dieses Übel ist es, die jene wohlige Gänsehaut und Kälte einem über die Haut streifen lässt. Der exzellent passende Score, zusammen mit den ganzen Geräuschen, lassen einen mit Schrecken an jenen Strand immer wieder zurückdenken. Selbst beim wiederholten Ansehen jagt einem diese Musik schon allein die Angst in den Nacken. Wer auf Slasher à la „Saw“ und „Hostel“ steht, der sollte davon die Finger lassen. Doch wer Geschichten wie „LOST“ und dergleichen liebt, der sollte diesen Film auf jeden Fall ansehen. Er ist es wirklich wert. Auch wenn man ihn im Kaufhaus für wenig Geld auf dem Grabbeltisch wiederfindet – wie so manch wirklich guten Film.